Bremer haben Kaffee im Blut

Christian Ritschel, der Geschäftsführer und Röstmeister von Lloyd Caffee in BremenChristian Ritschel, der Geschäftsführer und Röstmeister von Lloyd Caffee in Bremen, macht es sich in der Rösterei seines Unternehmens im Hafen mit einer Tasse Kaffee gemütlich. Foto: Pressedienst Bremen

Kaffee ist untrennbar mit Bremen verbunden – nicht nur, weil jede
zweite Bohne über Bremerhaven nach Deutschland eingeführt wird.
Neben bekannten Namen wie Jacobs, Azul, Melitta oder HAG sind
auch viele Kleinröstereien wie Lloyd Caffee oder Cross Coffee
in Deutschlands Kaffeehauptstadt ansässig.

Wenn Oliver Kriegsch Kaffee zubereitet, ist das eine kleine Zeremonie. Er legt den Papierfilter in den Porzellan-Halter und gießt kurz heißes Wasser darauf. „Das öffnet die Poren, spült den Papiergeschmack weg und wärmt die Keramik vor“, erklärt er. Das durch den Filter gelaufene Wasser schüttet er anschließend weg. Auf den nassen Filter gibt er 12 Gramm frisch gemahlenes Kaffeepulver pro Tasse. „Das Verhältnis von Kaffee und Wasser ist wichtig“, sagt Kriegsch. Schließlich kommt schwallartig das 92 Grad heiße Wasser über das Pulver. Es duftet. Der Kaffee ist fertig.

Lange Tradition als Kaffeestadt

Oliver Kriegsch hat 2013 seine Kaffeerösterei in Bremen gegründet: Cross Coffee. Geröstet wird im Hafengebiet, verkauft wird vor allem über das Internet. Kriegsch knüpft mit seiner Unternehmensgründung an eine lange Tradition Bremens als Kaffeestadt an. Diese verdankt die Hansestadt dem Niederländer Jan Jahns von Huisten, der das Kolonialgetränk nach Bremen brachte. Auf sein Betreiben genehmigte der Rat der Stadt Bremen im Jahr 1673 das erste öffentliche Kaffeehaus Deutschlands.
Vor über 100 Jahren gründete dann Ludwig Roselius in Bremen Kaffee Hag. Es war nicht nur die erste Kaffeefabrik Europas, sondern auch weltweit das erste Unternehmen, das koffeinfreien Kaffee verkaufte. Die Bohnen aus Übersee wurden im Bremer Hafen umgeschlagen. Da lag es nahe, dass sich auch weitere Kaffee-Unternehmen in der Hansestadt ansiedelten. „In der Hoch-Zeit des Kaffees ab Anfang der 1920er Jahre gab es um die 250 Kaffeeröstereien in Bremen“, erzählt Christian Ritschel, Geschäftsführer und Röstmeister von Lloyd Caffee, einer der ältesten Privatröstereien in Bremen. Der Erfolg hielt nicht ewig. „Problematisch wurde es, als die Supermärkte aufkamen und der Kaffeepreis sank“, erklärt Ritschel. Röstereien fusionierten oder gaben ganz auf.

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Größen der Branche in der Hansestadt

Noch heute haben einige Branchengrößen ihren Sitz in der Hansestadt: Melitta, Mondelez mit den Marken Jacobs, Kaffee Hag, Tassimo und Onko sowie Azul und Westhoff. In Weyhe, direkt vor den Toren Bremens, röstet Aldi Nord seinen Kaffee. Andere große Marken können ihre Herkunft auf Bremen zurückführen, etwa Eduscho, 1924 von Eduard Schopf in Bremen gegründet, heute eine Marke von Tchibo. Das ehemalige Eduscho-Gebäude trägt heute als Kaffeequartier in der Bremer Überseestadt noch Reminiszenzen an die alte Zeit.
Doch neben den großen haben sich auch etliche kleine, aber feine Röstereien in Bremen etabliert: Rösterei Hemken betreibt im Bremer Viertel einen urigen Laden. Neben Kaffee gibt es hier auch Tee. Münchhausen kann auf eine lange Tradition zurückblicken – 1935 wurde die Kaffeerösterei gegründet und ist noch heute ein absoluter Tipp für Kaffee-Fans. Das Unternehmen produziert schonend geröstete Bohnen aus sortenreinen und gemischten Sorten, die es an zahlreichen Orten in Bremen zu kaufen gibt.
Lloyd Caffee ist sogar noch ein wenig älter: 1930 gegründet, hat das Unternehmen eine bewegte Vergangenheit mit einem kurzen Ausflug nach Hamburg hinter sich. Seit 2009 sitzt Lloyd Caffee im Holz- und Getreidehafen der Bremer Überseestadt in einem Gebäudekomplex, der einst Kaffee Hag gehörte. Etwas versteckt liegt dort das Café mit Shop und gläserner Rösterei.
Die Bremer Kaffeegesellschaft hat ihr Geschäft in der Böttcherstraße und vertreibt selbstgeröstete Bohnen unter dem Namen Büchlers Beste Bohne. Die Union Rösterei ist unter dem Dachboden der Union Brauerei Bremen. Vier Männer folgen dort der Mission, Kaffee passend zum Craftbier der Union Brauerei zu brühen. Sie rösten von Hand und vertreiben bisher vier Sorten. Komodo Coffee bietet Kaffee aus Indonesien, den Andreas Elfert in Bremen röstet und vertreibt.

Kaffee kommt per Segelschiff

​Per Segelschiff holen die Jungs von Slokoffie die Kaffeebohnen aus Honduras. Weil die Fahrt so lange braucht – zwei Monate –, ist er eben „slow“, der Slokoffie. Dieckmann röstet nicht nur eigenen Kaffee, sondern bietet auch Rohkaffee, also noch ungeröstete Bohnen. Zusammen mit dem ebenfalls erhältlichen Mini-Röstautomaten, kann jeder seinen eigenen Kaffee produzieren.
Die Arabica-Bohnen von Utamtsi stammen aus dem Hochland Kameruns und werden dort von Kleinbauern geerntet. Utamtsi legt großen Wert auf fairen Handel und ist ein Gemeinschaftsprojekt eines Kenianers und eines Deutschen. Geröstet wird in der Nähe von Bremen.
Auch heute noch ist Kaffee ein großes Geschäft. Es ist das beliebteste Getränk in Deutschland: 2017 lag der Pro-Kopf-Konsum nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes bei durchschnittlich 162 Litern Kaffee – und damit deutlich höher als der von Mineralwasser (143,4 Liter) oder Bier (105,9 Liter). Im selben Jahr wurden über eine Million Tonnen Rohkaffee nach Deutschland geliefert.
Der Bedarf an Kaffee ist also groß, und Industrieware bestimmt den Markt. Doch der handwerklich geröstete Kaffee aus bester Rohware, sagt Röstmeister Ritschel von Lloyd, habe in Zeiten, in denen sich Menschen Kaffeemaschinen für mehrere Hundert Euro in die Küche stellen, stark gewonnen. „Für uns als kleine Röstereien ist das eine Nische“, so Ritschel, „aber eine, in der wir uns wohlfühlen.“

(Janet Binder und Jann Raveling)