Verfassungsrichter bremsen Fiskus

© (c) Martin Zitzlaff,Hans-Peter Schubert, Dierkes Partner || © Martin Zitzlaff

B&P-GESPÄCH mit Hans-Peter Schubert:
So schätzt Dierkes Partner das Steuer-Zins-Urteil ein.

Sechs Prozent Zinsen? Das klingt wie aus einer anderen Welt. Doch bei den Finanzämtern ist dieser Satz völlig normal. Mit ihm werden Steuerguthaben und -Schulden verzinst. Oder besser gesagt: wurden. Denn nun hat das Bundesverfassungsgericht dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Der Bund muss die Verzinsung neu regeln.

Einer, der in Folge des Urteils nun richtig viel zu tun bekommen wird, ist Hans-Peter Schubert, Mitinhaber der Steuerberater- und Wirtschaftsprüfer-Kanzlei Dierkes Partner. „Die sechs Prozent stammen aus einer Zeit, als das noch marktüblich war. Nun haben die Richter der Bundesregierung für die Neuregelung eine Frist bis Ende Juli 2022 gesetzt, das wird angesichts der bevorstehenden Regierungsbildung sicherlich ein recht sportliches Unterfangen“, sagt er.

Mindestens genau so spannend wird die Frage, wie eine Novelle aussehen kann, denn natürlich hat das Bundesverfassungsgericht hier keine genauen Vorgaben gemacht. „Man könnte natürlich in Zukunft dazu übergehen, den Zins nach dem jeweils marktüblichen Niveau zu berechnen“, so der Steuerberater, „aber der Aufwand wäre enorm.“ Denn die Verzinsung beginnt 15 Monate, nachdem die Schuld entstanden ist, und erfolgt dann auf monatlicher Basis. Wenn sich der Zinssatz im Betrachtungszeitraum also mehrfach ändert, verkompliziert sich die Berechnung. „Am Ende halten Sie dann einen Finanzamts-Brief in den Händen, bei dem die Zinsberechnung mehr Seiten hat als der eigentliche Steuerbescheid“, sagt Schubert.

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Dem Bund dürfte die Neuregelung jedenfalls nicht nur organisatorische Schmerzen bereiten, sondern auch monetäre. „Zwar gelten die aktuell sechs Prozent sowohl für Steuerschulden als auch für Guthaben, aber der Bund nahm damit jedes Jahr etwa eine Milliarde Euro ein. Das wird durch die Neuregelung natürlich deutlich weniger.“ Geld, das dem Staat am Ende im Haushalt fehlt.

Und genau diese Relevanz für den Etat ist der Grund, weshalb das Urteil noch einen etwas merkwürdig anmutenden „Schnörkel“ bekommen hat. Denn auf Basis des Richterspruchs müssen nun zwar zu viel gezahlte Zinsen rückerstattet werden. „Aber nur bis ins Jahr 2019 zurück. Alles, was davor liegt, wird nicht angetastet, denn dann müsste man noch einmal an die alten Haushalte rangehen“, erklärt Schubert, der für diese Regelung zwar Verständnis zeigt, sie aber trotzdem auch etwas merkwürdig findet. „Am Ende macht das Bundesverfassungsgericht hier indirekt Haushaltspolitik.“

Man wisse zwar, dass die Finanzämter nun, wo etwas mehr Rechtssicherheit herrsche, zumindest die Zinsen bis 2018 zügig einfordern werden. „Und darauf bereiten wir unsere Mandanten natürlich gerade vor“, so Schubert. Wann eventuelle Restforderungen ab 2019 fällig werden, sei aber nach wie vor unklar. „Da werden wir uns noch einige Zeit gedulden müssen.“

Schubert selbst ist zwar von dem Steuer-Chaos und der nun zu erwartenden Zusatzarbeit nicht sonderlich begeistert, begrüßt aber im Allgemeinen, dass nun endlich Klarheit herrscht, und dass die bislang gängige Praxis beendet wurde. „Stellen Sie sich einmal vor, dass sich ein Fall über acht Jahre zieht, dann haben Sie etwa 50 Prozent Zinsen, die sich mit der Zeit anhäufen.“ Eine Steuerschuld von 5000 Euro wuchs auf diese Weise auf 7500 Euro an. „Das waren wirklich Zustände, die so nicht in Ordnung waren.“

Urteil mit finanziellen Folgen

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Am 18. August entschieden die Verfassungsrichter: Eine Verzinsung von Steuerschulden mit sechs Prozent ist „evident realitätsfern“. Und das spätestens seit 2014. Gleichzeitig wurde der Gesetzgeber dazu aufgefordert, den Fehler bis zum 31. Juli 2022 zu beheben. Der Grund, warum in dieser Angelegenheit das Verfassungsgericht angerufen wurde: Die Regelung betrifft vor allem Personen, die sich nicht in klassischen Arbeitnehmer-Verhältnissen befinden, was wiederum ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellt.

Im B&P-Business­Talk beschreibt Hans-Peter Schubert anschaulich die Auswirkungen des aktuellen Urteils und erläutert, dass die bislang angewendete Regelung der Verzinsung nicht gezahlter oder zu viel gezahlter Steuern im Saldo auch eine erhebliche Einnahmequelle für den Staat darstellt. Reinhören. Mehr wissen. Mitreden.

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