Ist ein Hammer neutral?

Prof. Dr. Judith Simon (Uni Hamburg) warf im ISI Zentrum für Gründung, Business & Innovation in Buchholz viele ethische Fragen im Zusammenhang mit Big Data und Künstlicher Intelligenz auf.

Treffpunkt Innovation im ISI: Prof. Dr. Judith Simon über ethische Fragen rund um Big Data und KI

Sie hat einen Lehrstuhl für Ethik in der Informationstechnologie an der Uni Hamburg, berät die deutsche Bundesregierung zu diesem Thema und gehört seit dem vorigen Jahr dem Deutschen Ethikrat an: Prof. Dr. Judith Simon eröffnete die Veranstaltungsreihe Treffpunkt Innovation 2019, zu der die Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg seit Jahren regelmäßig einlädt. Zum Start versprach Organisatorin Anne Schneider den etwa 60 Gästen aus dem Hamburger Süden einen philosophischen Blick auf Big Data und Künstliche Intelligenz (KI). Sie tauchten ein in die theoretische Welt der Ethik und in einen bunten Strauß von Definitionen, die klarmachen: Big Data (was ist das eigentlich wirklich?) und KI sind Themen mit einer Vielzahl von Aspekten, von denen Ethik besonders schwer greifbar ist.

Die Referentin begann mit einer scheinbar einfachen Frage: Ist ein Hammer neutral? Unter ethischen Gesichtspunkten, versteht sich. Ist er also vertrauenserweckend, vertrauenswürdig und ist es zu verantworten, ihn zu benutzen? Eine Fangfrage zum Thema Technik. Selbstverständlich empfindet der Mensch einen Hammer nicht als Bedrohung, sondern sieht ihn als neutrales Werkzeug, um Nägel in die Wand zu schlagen. Doch wie sieht die Antwort aus, wenn die Technik, um die es geht, beispielsweise ein Revolver, ein PC, ein Militärroboter oder Facebook ist?

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Kurz: Technologie beeinflusst die Gesellschaft – und daraus ergeben sich ethische Fragen. Und drei unterschiedliche Perspektiven: die Ethik der Profession (zum Beispiel Mediziner, Ingenieure, Informatiker), die Ethik der Nutzer (die beispielsweise rassistische Kommentare in sozialen Medien posten) und die Ethik des Designs (der Blick auf die Software: Wie ist ein Produkt programmiert, beispielsweise Facebook, eine App oder ein automatisiertes Gerät?).

Wenn es dann um die Beeinflussung der Meinungsbildung geht, rückt die ethische Frage stärker in den Vordergrund. Weitere Fragen betreffen Themen wie Privatsphäre, Diskriminierung, Autonomie, Freiheit und Gerechtigkeit. Beispiel: Darf eine Software, gespeist aus unzähligen Daten, zu denen beispielsweise auch der Wohnort gehört, über die Kreditwürdigkeit eines Menschen entscheiden, der in einer eher ärmeren Gegend lebt?

Antworten lassen sich darauf kaum finden, denn noch ist die Wissenschaft dabei, die Auswirkungen von Big Data und KI überhaupt zu erfassen – was vielfach kaum gelingt. Eine Kernfrage von Judith Simon: „Was ist das gute menschliche Leben in einer Welt mit zunehmend nicht-menschlichen Entscheidungen?“ Zweifellos eine philosophische Hausaufgabe, die sich derzeit kaum lösen lässt, zumal ethisches Handeln voraussetzt, dass die Akteure in einer globalen Welt vergleichbare ethische Maßstäbe haben (beispielsweise Russland und die USA) und überhaupt gewillt sind, diese anzulegen. Ein Fazit der Referentin: „Ethik kann nicht alles lösen.“ wb