So lähmt Corona das unternehmerische Denken

Elke Riechert berät mittelständische Unternehmen zu Themen wie Personalführung, Teambuilding, Prozessmanagement und Digitalisierung.

Die Wirtschaft in Habachtstellung: Wer jetzt nicht trotzdem plant, riskiert den Anschluss, sagt Personalberaterin Elke Riechert.

Von „Ich habe die Schnauze gestrichen voll!“ bis „Es reicht nun wirklich . . .“ – die Bandbreite der Kommentare, die mit Blick auf die Pandemie auch in Wirtschaftskreisen kursieren, ist groß und bietet erwartungsgemäß einen Gleichklang. Wenigstens eins eint die Nation: die breite Ablehnung einer globalen Virus-Attacke mit all ihren Facetten und Auswirkungen auf das öffentliche und auch das private Leben. Dabei ist die Sorge um die eigene Gesundheit respektive die Angst vor einer Ansteckung nur ein Aspekt. Mindestens ebenso belastend und zermürbend ist das, was deutsche Unternehmer am wenigsten mögen: Planungsunsicherheit. Corona hat viele Unternehmen in einen ungewohnten und ungeübten Zustand der Ungewissheit versetzt – und sorgt so für Stillstand, obwohl gerade jetzt Gelegenheit wäre, in die Themen zu investieren, für die sonst oft zu wenig Zeit ist. Zum Beispiel ins Personal.

Digitale Förder-Flaute?

Seit mehr als zehn Jahren ist die Buchholzer Unternehmerin Elke Riechert als externe Personalberaterin in mittelständischen Unternehmen unterwegs. Sie bietet unter anderem Coachings für Führungskräfte, berät in Digitalisierungsfragen und verarztet wundgelaufene Teams. Das Beste: Über diverse staatliche Förderprogramme lassen sich diese Maßnahmen zu großen Teilen finanzieren. Will heißen: Elke Riechert bringt das Geld gleich mit. Das klingt nach einem Plan, doch in der Realität sieht es derzeit anders aus.

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„Viele Unternehmer gerade im Mittelstand sind hochgradig verunsichert. Sie wissen nicht, was die nächste Woche bringt. Sie wissen nicht, ob ihr Geschäftsmodell langfristig trägt. Und sie wissen oft nicht, wie sie sich konkret auf die fortschreitende Digitalisierung einstellen sollen. Also warten sie erstmal ab – Fördermaßnahmen sind in diesen Zeiten unglaublich schwer zu vermitteln“, berichtet die Personalexpertin aus der Praxis. Diese Erfahrung deckt sich mit dem, was in Hamburg zu beobachten ist. Ende April hatten gerade mal zwölf Unternehmen einen Antrag auf einen „Digital Check“, dem ersten Modul des Programms „Hamburg Digital“ gestellt, mit dem die Digitalisierung der hamburgischen Wirtschaft beschleunigt werden soll. Für das zweite Modul „Digital Invest“ lag dem Vernehmen nach zu diesem Zeitpunkt kein einziger Antrag vor.

Dabei sorgen nicht nur Lockdown & Co. für Verunsicherung, hat die Personalexpertin herausgefunden. Auch Themen wie die Energiewende und die Digitalisierung lassen erahnen, dass sich die Dinge zunehmend verändern. Zudem wächst eine anspruchsvolle Generation heran, die ziemlich genau weiß, was sie nicht will: leben, um zu Arbeiten. Während sich die Babyboomer so langsam auf den Weg zur Rentenberatung machen, droht nun das „schwarze Loch“ des Fachkräftemangels. Jetzt müssen sich die Arbeitgeber bei ihren potenziellen Mitarbeitern bewerben. Auch das ist vielfach eine ungewohnte Situation und in den Köpfen gerade vieler älterer Mittelständler noch nicht wirklich angekommen.

Elke Riechert führt noch einen weiteren Unsicherheitsfaktor an: „Die politische Situation in Deutschland. Das Ende der Ära Merkel ist verkündet, in diesem Jahr wird neu gewählt. Schaut man auf das aktuelle Politbarometer, hat es den Anschein, als säße ab September die Grüne Annalena Baerbock (40) im Kanzleramt – mit der CDU als Juniorpartner.“ Den Grünen haftet mittlerweile der Ruf einer Verbotspartei an – drohen also noch mehr Auflagen, Reglementierungen und Abgaben, beispielsweise, um dem Klimawandel entgegenzuwirken? Wird Deutschland künftig vegan zwangsernährt? Oder wird es doch noch eine Verschiebung der Stimmenverhältnisse zugunsten der traditionellen Volksparteien geben . . .

Politik als Unsicherheitsfaktor

Die vierte Corona-Welle, weitere aggressive Mutationen, der Zusammenbruch wichtiger Absatz- oder Zuliefermärkte, Laschet, Scholz oder Baerbock, vielleicht ein Banken-Crash, oder gar ein Putsch der Corona-Leugner – was kommt, weiß heute niemand. Mit einer Ausnahme: Der Fachkräftemangel wird kommen, sobald die Wirtschaft wieder hochfährt. Elke Riechert: „All diese Faktoren machen etwas mit den Menschen. Es ist wie eine diffuse Nebenwirkung von Corona, denn plötzlich werden selbst erprobte Szenarien wie ein Politikwechsel zur lähmenden Bedrohung. Es kommt alles zusammen. Deshalb ist es wichtig, jetzt einen klaren Kopf zu bewahren und sich auf die Zeit danach vorzubereiten. Jetzt trennt sich in der Unternehmenslandschaft die Spreu vom Weizen. Die Pessimisten stehen in der Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Auch, weil sie diese Zeit nicht nutzen.“

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Kollaboration und Teamgeist

Wofür? Zum Beispiel, um einen Wechsel in der Personalführung zu vollziehen und auf diesem Weg attraktiv für die nachrückende Generation zu werden. Die Devise lautet Kollaboration und Teamgeist statt Befehl und Gehorsam. Wie funktioniert das mit dem Führen auf Distanz? Wie sehen die neuen Rollen der Führungskräfte aus? Was ist mit Werten wie Transparenz, Verlässlichkeit, Kommunikation, Arbeiten auf Augenhöhe, Vertrauen und Eigenverantwortung? Elke Riechert: „Wir stehen vor einem grundlegenden Wandel in der Arbeitswelt. All diese Punkte gewinnen immer mehr an Gewicht. Zusätzlich müssen Unternehmen für den Vormarsch der Digitalisierung gerüstet sein. Das bedeutet: das Ende der Routinearbeiten und – wenn es gut läuft – das Freisetzen von Kreativität. Gut beraten ist, wer sich darauf vorbereitet. All diese Themen sind übrigens förderfähig. Das gilt sogar für die konkrete Umsetzung von Digitalisierungsprojekten inklusive Hardware, Software und Schulung.“

Die Praxis zeigt jedoch, dass viele Unternehmer zurzeit ganz andere Sorgen haben. Elke Riechert: „Da geht es eher um den Antrag auf Kurzarbeitergeld. Und dann merkt man irgendwann, dass die Arbeit doch auch mit der halben Mannschaft zu schaffen ist. Statt aufzubauen, wird abgebaut – weil es sicherer erscheint. Meine Befürchtung: Nach Corona werden wir uns auch mit Trennungsmanagement befassen müssen . . .“