. . . und man ist auf EU- und Bundes-Ebene politisch motiviert.
Die Politik des günstigen Geldes und die niedrigen Wechselkurse dürfen uns nicht davon abhalten, die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland weiter zu stärken.
Nun wird diese günstige Situation nicht ewig anhalten. Was kommt danach?
Das ist der Punkt. Wenn wir sehen, dass wir bei unserem europäischen Nachbarn Russland eine Embargosituation haben, dass Länder in anderen Teilen der Welt mit Strafzöllen und Wettbewerbsbeschränkungen arbeiten, dann müssen wir versuchen, das in allen Bereichen zurückzusetzen. Nicht ohne Grund habe ich das US-Thema angesprochen. Auch hier stehen wir in einem Prozess. Stichwort TTIP. Es geht darum, Verabredungen mit dem größten Wirtschaftsraum zu treffen, damit Handel erleichtert wird. Zölle abschaffen, Handelsrestriktionen abbauen, Industrienormen harmonisieren. Es ist gerade heute wichtig zu sagen: Wir wollen TTIP! Weil es der Wirtschaft und den Verbrauchern mehrheitlich Vorteile bringt.
Das ist die Verbandshaltung?
Das ist die Verbandshaltung! Und auch die Haltung vieler Unternehmen – selbst derer, die keinen Handel mit den USA betreiben. Wir glauben, dass wir die wirtschaftliche Dynamik durch das Freihandelsabkommen und die Abschaffung von Zöllen ausbauen können. Das sichert Arbeitsplätze hier in Deutschland und in Europa, aber auch in den Vereinigten Staaten.
Das ist die helle Seite der Medaille, aber es gibt auch die dunkle Seite – zum Beispiel durch den Verlust von Rechten gegenüber amerikanischen Handelspartnern. Inwieweit verlieren deutsche Unternehmen ihre bisherige Rechtssicherheit? Das sind – unabhängig von der von Verbraucherschützern vielfach prognostizierten Chlorhühnchen-Flut auf dem deutschen Markt – die Fragen der Hauptgegner. Wie stehen Sie dazu?
Die Gegner von TTIP haben richtig gute Arbeit geleistet, indem sie die Stimmung auch mit Halbwahrheiten und Gespensterdebatten, insbesondere im deutschsprachigen Raum, gekippt haben. Alle anderen Länder in der EU sind für TTIP und möchten das Freihandelsabkommen. Aber mit solchen erfundenen Themen wie „Wir müssen alle Chlorhühnchen essen“ hat man die Emotionen hochgebracht. Das ist keine rationale Debatte mehr. Und: Wenn ich mit Händlern spreche, die mir erklären, wie Schiedsgerichtsverfahren heute schon im internationalen Geschäft ablaufen, ist das zum Einen eine Thematik, die für den Normalverbraucher schwer zu verstehen ist. Zum Anderen sagen wir aber auch: Kleine und mittlere Handelsfirmen, die solche Schiedsgerichtsverfahren kennen, wissen, dass das eine bessere Art der Streitbeilegung, ist als die gerichtliche. Ich möchte den Schwerpunkt auf die Vorteile legen, die klar überwiegen.
Ein immer wieder gehörtes Argument ist der mangelnde Verbraucherschutz.
Mit einem Vorurteil sollte aufgeräumt werden: Die Annahme, dass der Verbraucherschutz in den USA so viel geringer ist als bei uns, ist ja schon vor dem Hintergrund abwegig, dass die Medien große Freude daran haben, immer wieder über Schadensersatzprozesse in den USA zu berichten, weil sich jemand am Kaffee den Mund verbrannt hat und ein Warnhinweis auf dem Becher fehlte. Da gibt es die absurdesten Fälle, in denen ein Schadensersatzanspruch zugestanden wird. Kurz: der amerikanische Konsument hat einen hohen Qualitätsanspruch. Ich glaube, TTIP ist eine der letzten Chancen, diese beiden Wirtschaftsräume eng miteinander zu vernetzen und Regeln für die Weltwirtschaft festzulegen. Die USA haben zudem echte Alternativen.
Stichwort Brexit. Ist England in der EU unverzichtbar?
Die Engländer möchten, dass von der EU endlich wieder positive Signale ausgehen. Dazu zählt auch das TTIP-Abkommen. Das wäre ein Durchbruch. Wir müssen zugestehen: England spricht Themen an, die auf EU-Ebene einfach nicht gelöst werden. Die Zahl der Krisen nimmt zu – das benennen die Briten.
Die aber nicht gerade dafür bekannt sind, sich an vorderster Front positiv einzubringen, um Probleme zu lösen.
Es ist keine Lösung, eine erfolgreiche Europäische Union zu verlassen, denn wer rausgeht, muss auch irgendwann wieder reinkommen. Der Austritt ist schwierig, aber der Wiedereintritt ist nicht viel einfacher. Insofern: Der Brexit wäre ein verheerendes Signal für die EU, und ich kann nur hoffen, dass die Briten weiterhin dabeibleiben. Es ist aus meiner Sicht auch unklar, wo sie dann eigentlich hinwollen.