Nach „Die Peitsche der Erinnerung“, einer denkwürdigen Ausstellung, die dem Kunsthaus Stade 2006 als Intro einen an die Wand genagelten Maulwurf bescherte, hat das Stader Kunstpublikum just wieder einen Auftritt von Jonathan Meese und Daniel Richter überstanden – dieses Mal im Trio mit Tal R. Unter dem Titel „Bavid Dowie“ (in Anlehnung an David Bowie) ließen die Provokateure der deutschen Malerszene ihrer Kreativität freien Lauf und ermöglichten dem Buxtehuder Unternehmen ProTec, ein denkwürdiges Referenzobjekt im 3D-Druck vorzustellen. ProTec-Geschäftsführer Mirco Schulz: „Wir haben eine 3D-Druck-Serie einer etwa 30 Zentimeter hohen Skulptur angefertigt, eine Arbeit, die unsere Rechner an den Rand ihrer Leistungsgrenze brachte. Dieses Objekt war eine echte Herausforderung.“
Natürlich hat auch die Skulptur eine Vorgeschichte. Das Künstlertrio, bekannt für absolut abgefahrene Aktionen, hatte sich bei der Ausgestaltung der musealen Räume maritim verkleidet – als Krake, Hai und Riesengarnele. Vermutlich entstand aus diesem Outfit die Idee, eine kleine Skulptur aus Gummitieren zusammenzukleben. Zwei Kraken, drei Haie und eine Garnele bilden eine skurrile maritime Pyramide. An der Spitze thront ein Tintenfass. Ein Solo für Heißklebepistole. Und eine Herausforderung für den 3D-Scan. Schulz: „Das Objekt hat keine geraden Linien, stattdessen Hohlräume. Da es von allen Seiten gescannt werden muss, war es sehr aufwändig, bis alle Teile als komplett zusammengefügte Datei im Rechner vorlagen.“
Drei Stunden gerechnet
Die Schleich-Tier-Skulptur – das Original ist übrigens nicht ausgestellt, sondern wird verschlossen verwahrt – diente als Vorlage für 47 Eins-zu-Eins-Duplikate (nummeriert von 1/47 bis 47/47, nur für den öffentlichen Verkauf) sowie 20 Künstlereditionen, die ProTec ausdrucken sollte. Schulz: „90 Stunden dauerte es, bis wir das Objekt im Rechner druckfähig aufbereitet hatten. Die Datei ist 30 Gigabyte groß. Wir haben hier wirklich leistungsfähige Rechner, aber das sprengte dann doch den Rahmen. Wir mussten technisch aufrüsten, eine neue Grafikkarte und zusätzlich Speicherplatz einbauen, um diesen Auftrag zu bewältigen. Trotzdem rechnete der Computer drei Stunden lang, bis die Datei fertig war.“
130 Stunden brauchte der Drucker, um zwei Skulpturen in einem Arbeitsgang Schicht um Schicht aus ABS-Kunststoff aufzubauen – so dauerte es mehrere Monate, bis die Serie komplett vorlag. Das vergleichsweise komplizierte Gebilde ist mit einer Stützgeometrie ausgestattet, die nach dem Druck einen Tag lang im Säurebad aufgelöst wird. Dann erst ist der Rohling fertig, der nun noch ein Finish erhält, das kleine Unebenheiten zu einer glatten Oberfläche verschmilzt. Nach der Grundierung geht die Skulptur an die Künstler, die aus jedem Rohling durch farbliche Akzente ein Einzelstück machen. Die werden nun im Kunsthaus Stade zum Preis von 980 Euro angeboten.
Der 3D-Trupp von ProTec
Mirco Schulz: „Für uns ist dieser Auftrag schon etwas Besonderes, denn er hat uns an die technischen Grenzen geführt und zudem gezeigt, wie wir beispielsweise beim Scannen durch ein paar technische Finessen auch versteckte Strukturen erwischen können. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt.“ Der ProTec-Geschäftsführer ist selbst Teil eines vierköpfigen Teams, das den 3D-Druck in dem auf NC-Maschinen-Programmierung spezialisierten Ingenieurbüro etablieren will: „Andreas Teßmann und ich kümmern uns speziell um den Druck, Jan Hochmuth und Daniel Dittmer konzentrieren sich vor allem auf das Scannen.“
Industriekunden im Fokus
Skulpturen gehören normalerweise nicht zu dem Kreis der 3D-Produkte, die ProTec künftig herstellen will. Mirco Schulz: „Hier tut sich ein neuer Markt für Industrieanwendungen auf. Das Exponat war für uns ein komplexes Testobjekt. Wir kommen aus dem Flugzeugbau und wollen uns mit dem 3D-Druck ein weiteres Geschäftsfeld erschließen. Dabei kann es um spezielle Ersatzteile gehen, die im Handel nicht mehr zu bekommen sind. Oder auch um Bauteile beispielsweise von Oldtimern. Sogar aus zerbrochenen Teilen können wir Scans herstellen, die anschließend die Reproduktion des Originalbauteils ermöglichen.“ Bei ProTec melden sich aber durchaus auch Privatkunden, die beispielsweise Verkleidungen von Motorrädern oder vergriffene Spezial-Kunststoffteile im Möbelbau reproduzieren lassen. Hauptzielgruppe sind dennoch die Industrie und das produzierende Gewerbe, denn der Reiz liegt in der speziellen Sonderteilfertigung und in der Bestellung von Kleinstserien. Das Erstellen der Scan-Datei und das Drucken berechnet ProTec getrennt. Das heißt: Das Einzelstück ist vergleichsweise teuer, weil sich die Scan-Kosten nicht auf eine Serie verteilen lassen. Mirco Schulz: „Der Vorteil: Liegt die Datei erstmal vor, ist es ein Leichtes, weitere Duplikate nachzubestellen.“ wb
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