B&P-GESPRÄCH Christian Kurtz, Heitec-Niederlassungsleiter in Hamburg, über die Möglichkeiten im Anlagen und Maschinenbau
Mehr Produktivität, höhere Transparenz und mehr Flexibilität – drei abstrakte Begriffe, die eine Perspektive beschreiben, die fast jeder Unternehmer als wünschenswert bezeichnen würde. Diese Begriffe fallen ausgerechnet im Zusammenhang mit einem der Topthemen, mit denen sich die deutsche, besser: die globale Wirtschaft derzeit auseinandersetzt: Digitalisierung. Was das für Unternehmen genau bedeutet kann, dazu gibt es vielfältige Ansätze. Eine Antwort gibt Christian Kurtz, Niederlassungsleiter der Heitec AG, einem Dienstleister mit Sitz in Erlangen, der mit einer innovativen Idee auf dem Markt ist. Heitec baut einen „digitalen Zwilling“ – beispielsweise einer Produktionsanlage – und ist somit in der Lage, Steuerungen zu programmieren, bevor die reale Anlage installiert ist, um anschließend Echtdaten auf das virtuelle Double zu übertragen. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für produzierende Unternehmen. Kurtz sagt: „Der Mittelstand ist reif für die Digitalisierung.“
Während sich die großen Industrieunternehmen durchweg mit viel Engagement in die digitale Welt vorgearbeitet und vielfach bereits komplette Systeme installiert haben, hinkt der Mittelstand nicht selten hinterher. Das hat zum Teil IT-historische Gründe: „Nach unserer Erfahrung sind viele Unternehmen mit Technik unterwegs, die es schon seit Jahren gibt. Dann reift plötzlich die Erkenntnis, dass es vielleicht doch Sinn machen könnte, die Werkzeugmaschine an das SAP-System anzubinden. Heute stellt sich nicht mehr die Frage, ob ich das mache, sondern was ich damit mache“, sagt Kurtz. Und: „Seit etwa drei bis fünf Jahren setzen sich im Anlagenbau, hier speziell im Bereich der Automation, Standards durch, die es ermöglichen, Sensoren, Netzwerke und Steuerungen miteinander zu verbinden. Das war lange Zeit nicht so und führte zwangsläufig zu immensen Problemen.“
„Wir schreiben einen neuen Brief“
Heitec versteht sich als Systemintegrator. Die Software-Spezialisten können bestehende IT-Systeme und Steuerungen miteinander koppeln. Kurtz: „Nicht selten haben wir es mit einem halben Dutzend Systemen verschiedener Hersteller zu tun. Wir stellen die Verbindung her.“ Technisch funktioniert das über die herstellerneutralen Kommunikationsprotokolle (OPC UA) der einzelnen Komponenten. Über spezielle Softwaretools werden die Anlagen miteinander verbunden. Kurtz erklärt es so: „Wir erfinden nicht Word, sondern wir schreiben einen neuen Brief in Word.“
Am langen Ende geht es dann auch um ganz praktische Fragen: Passen die Stecker? Welche Kabel werden verwendet? Kurtz: „Viel wichtiger ist aber das Prozess-Knowhow. Was muss eine Maschine leisten, und wie macht sie das?“ Und der wichtigste Aspekt: In den Prozessen fallen jede Menge Daten an – und Daten, so heißt es, sind das Öl von morgen. Klingt etwas pathetisch, aber tatsächlich sind Daten dafür verantwortlich, dass die Produktionsprozesse wie geschmiert laufen.
Praktisch bedeutet das: Läuft eine Maschine im normalen Produktionsalltag, so produziert sie ganz nebenbei auch Betriebsdaten, die messbar und analysierbar sind: beispielsweise Schwingungen, Stromzufuhr und Temperatur. Diese Daten laufen permanent auf einem Rechner ein und werden ebenfalls in Echtzeit abgeglichen. Steigt die Temperatur, ist etwas nicht in Ordnung. Zieht die Maschine plötzlich mehr Strom, hat das Ursachen. Zum Beispiel ein defektes Lager, das die Mechanik schwergängiger macht und den Motor stärker fordert.
Kurtz: „Wenn ich das vorher registriere, kann ich die Maschine zum Beispiel am Wochenende warten und das Lager austauschen – die Produktion geht dann am Montag ohne Ausfälle weiter.“ Damit übernimmt die digitale Überwachung eine Aufgabe, die bislang von Spezialisten wahrgenommen wurde. Kurtz: „Früher gingen die erfahrenen Betriebsleiter durch die Halle und hörten, wenn an Maschine zehn etwas nicht rund lief. Leute mit dieser Erfahrung, die mit den Maschinen großgeworden sind, wird es morgen nicht mehr geben.“ Stattdessen kommt die digitale Überwachung.
Von HeiTPM zu HeiVM
Kurtz: „Das ist nur ein Aspekt der Digitalisierung und ist in Wahrheit auch keine technische Innovation – das geht alles schon seit einigen Jahren. Wir haben daraus ein System gemacht – mit dem Namen HeiTPM. Das steht für Heitec Total Productive Manufactoring. Wir liefern die technische Lösung für die Datenerfassung und die Vernetzung aller nötigen Komponenten, das ist die Basis. Unser zweites Thema, und das ist wirklich innovativ, betrifft digitales Engineering. Mit HeiVM bauen wir eine virtuelle Maschinenanlage und simulieren alle Abläufe.“ Praktisch heißt das: Heitec programmiert auf Basis der CAD-Konstruktionsdaten beispielsweise einer Roboter-Einheit ein digitales Modell mit Schnittstelle zur Steuerung der realen Anlage, die zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht montiert sein muss. Kurtz: „Jetzt können wir die Anlage virtuell in Betrieb nehmen. Steht die reale Anlage, wird sie über die virtuell entstandene Programmierung sofort perfekt in Betrieb genommen. Das spart Training- und Testzeiten, führt zu qualitativ besseren Ergebnissen und ermöglicht einen deutlich früheren Produktionsstart.“
In der dritten Stufe wird die Simulationsleitung nicht gekappt, sondern der Datenfluss umgedreht. Nun laufen die Daten der realen Maschine in das Computerprogramm und melden dort Stückzahlen, Drehzahlen, Temperatur, Strom- und Spannungsverläufe – kurz: jede Menge Sensorwerte in Echtzeit, noch dazu versehen mit Zeitstempeln und Chargennummern, sodass zugleich eine Dokumentation entsteht.
So entsteht der digitale Zwilling
Kurtz: „Aus dieser Drehung des Datenflusses entsteht nun auf dem Rechner ein digitaler Zwilling, gefüttert mit den realen Anlagendaten. Und dieser Zwilling gibt nicht nur Auskunft, wenn Störungen auftreten und sich Ausfälle anbahnen, er lässt sich auch anders nutzen, zum Beispiel für die Schulung von Mitarbeitern. Oder: Wenn die Produktionsmenge erhöht und die Anlage hochgefahren werden soll, dann können wir das am Rechner ausprobieren und sehen, an welchen Schnittstellen es hakt. Wir können also die Kapazitätsgrenze virtuell testen, was allemal besser ist, als einen Hochlauf real zu riskieren.“ Und noch ein interessanter Aspekt: Die Menge der eingehenden Daten wird dokumentiert und ergibt eine Datenhistorie. Virtuell ist es nun möglich, den Betriebsverlauf der Produktionsanlage zurückzuspulen und im Falle eines Ausfalls eine Fehleranalyse zu betreiben. Mehr noch: Auch ein Vorspulen ist denkbar. Damit ließe sich in gewissem Rahmen durch Digitalisierung die Zukunft vorhersagen . . . wb
Die Heitec AG ist ein IT-Dienstleister mit 19 Standorten in Deutschland und etwa 1000 Mitarbeitern. Christian Kurtz hatte gemeinsam mit einem Kollegen vor zwei Jahren die Aufgabe übernommen, in Hamburg ein Vertriebsbüro aufzubauen. Zum 1. Januar 2018 ist daraus die Niederlassung Hamburg mit Sitz im hit-Technopark in Harburg geworden. Fünf Mitarbeiter sind hier beschäftigt und bieten Engineering-Leistungen für die Automationstechnik an, also produzierende Betriebe beispielsweise mittelständische Maschinenbauer aus der Automobilbranche, der Verpackungsindustrie und der Logistik. Im vorigen Jahr machte ein namhafter deutscher Automobilhersteller HeiVM zum Standard für die Erstellung von Anlagen und Maschinen.
Web: www.heitec.de