Decatur-Brücke in Maschen – Bahn stellt Ultimatum

oto: Wolfgang Becker Schweres Erbe: Die Decatur-Brücke, die den Rangierbahnhof Maschen überspannt, entpuppt sich als technische und finanzielle Last, die die Gemeinde Seevetal allein nicht tragen kann. Foto: Wolfgang Becker

Ab 1. Oktober ist das Bauwerk über dem Rangierbahnhof sogar für Fahrradfahrer gesperrt – Bahn-Gewerbegebiet abgeschnitten – Seevetal fühlt sich allein gelassen.

Martina Oertzen

Seevetals Bürgermeisterin
Martina Oertzen hat keine
Hoffnung auf eine schnelle
Lösung: „In meiner ersten
Amtszeit werde ich das
nicht zu Ende bringen.“

So hatte es sich Seevetals Bürgermeisterin Martina Oertzen eigentlich nicht vorgestellt: Das schwierigste Thema ihrer Amtszeit ist eine marode Immobilie, die den strammen Vorgaben des 2011 aufgelegten Nachrechnungsgesetzes zum Opfer gefallen ist. Die Decatur-Brücke, benannt nach der US-Partnerstadt Decatur, ist eine fast 800 Meter lange aufgestelzte Wegeverbindung aus zunehmend sprödem Stahlbeton, die quer über Europas größten Güterbahnhof in Maschen führt und zudem ein Bahn-eigenes Gewerbegebiet im Herzen der Gleisanlagen erschließt. Abriss und Neubau würden die Kommune selbst dann noch finanziell überfordern, wenn es die vom niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies vage in Aussicht gestellte 75-Prozent-Beteiligung des Landes tatsächlich gäbe (der Fördertopf endet 2019, und andere Projekte stehen auch an).

Und die Bahn? Sorgt für reichlich Frust im Hittfelder Rathaus. Die Bürgermeisterin: „Obwohl wir die Bahn von Anfang an in unseren Planungs- und Abstimmungsprozess eingebunden haben und obwohl die Bahn die Inhalte der zwei Ingenieur-Gutachten kennt, fordert sie uns nunmehr ultimativ auf, für eine Ertüchtigung der Brücke für betriebseigene Zwecke des DB-Konzerns zu sorgen. Das widerspricht allen in der Zwischenzeit getätigten Äußerungen. Es gibt keine Alternative zur Sperrung. Die Bahn muss sich den Realitäten stellen und sich selber aktiver in den Prozess einbringen.“

Am Anfang der Geschichte steht ein simpler kleiner Bahnübergang, über den die Bewohner aus Hörsten in den 60er-Jahren nach Maschen kamen – eine bis heute geschätzte Verbindung für Schüler, Eltern mit Kindergartenkindern und Einzelhandelskunden. 1970 begann der Bau des größten europäischen Güterbahnhofs vor den Toren Hamburgs – er wurde quasi um den kleinen Bahnübergang herumgebaut. Die Wegeverbindung wurde mit einer fast 800 Meter langen Brücke hergestellt, die irgendwann von Seevetal übernommen wurde. Deutsche Bahn und Seevetal wurden zu Partnern im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes, das die Zuständigkeiten regelt. Zur technischen Unterhaltung erhielt die Kommune damals drei Millionen Mark – und ist seitdem zuständig.

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Heute ist die Brücke Schrott – zumindest nach den strengen Vorgaben der Nachrechnungsrichtlinie. Sie ist so marode, dass der einspurige Verkehr zum 30. September eingestellt werden muss. Selbst Radfahrer und Fußgänger dürfen sie nicht mehr benutzen – rein rechnerisch zu gefährlich. Vermutlich würde Putin ohne zu zögern eine Panzerbrigade über die Decatur-Brücke rollen lassen (wenn die in Russland stünde), aber sicher ist sicher: So lange die total gesperrte deutsche Brücke nicht abgerissen ist, muss im Winter sogar der Schnee beseitigt werden. Wegen der rechnerisch zu hohen Lasten.