Bewegende Zeiten für den Einzelhandel im Land Bremen: Die klassische Geschäftswelt in den Innenstädten steht vor einer grundsätzlichen Neuausrichtung. Und nach Jahren der Stagnation investieren die beiden Städte wieder in die Attraktivität ihrer Zentren.
In Bremen tanzt das Kranballett. So sieht die City-Initiative als Interessen- und Werbegemeinschaft der innerstädtischen Kaufleute und Gastronomen das aktuelle Geschehen rund um den Roland. Mit insgesamt rund einer Milliarde Euro werden private Investoren derzeit und in naher Zukunft so viele innerstädtische Bauvorhaben finanzieren wie seit Jahrzehnten nicht mehr, 22 Großprojekte listet die City-Initiative in ihrer aktuellen Broschüre „Kranballett“ auf.
Ein Bundesland im Aufbruch: Auch in Bremerhaven zeichnen sich zehn Jahre nach Fertigstellung der Havenwelten und 20 Jahre nach der Renovierung der Fußgängerzone wieder große Vorhaben in der Stadtentwicklung ab. Das größte Vorhaben ist das Werftquartier in Geestemünde, das die Innenstadt nach Süden abrunden wird. Parallel dazu stärken Vorhaben wie die Bebauung des Kistner-Geländes in Lehe und das Projekt „Wulsdorf Mitte“ im Süden Bremerhavens die Stadtteile.
Auf Besucher von außen angewiesen
Die Rückbesinnung der Stadtentwickler auf die Zentren kommt zur rechten Zeit. Der Handel in beiden Städten ist darauf angewiesen, dass die Innenstädte Magnetwirkung für Besucher von außen entwickeln. Das gilt insbesondere für Bremerhaven, dort erreicht die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in der eigenen Stadt 87,6 von 100 möglichen Punkten; in Bremen ist die Kauftkraft mit 98,3 Punkten deutlich größer, aber auch hier bedarf es der Käuferströme von außerhalb: Der Zentralitätsindex liegt bei 115,6 Punkten. Alles was die 100-Marke überschreitet, beschreibt den Kaufkraftzufluss von außen. In Bremerhaven liegt dieser Werft sogar bei 137,2 Punkten.
Experten wie der Leiter des Geschäftsbereiches Einzelhandel in der Handelskammer Bremen, Karsten Nowak, weisen jedoch darauf hin, dass Bauprojekte allein nicht ausreichen, um die Innenstädte wieder zu Besuchermagneten zu entwickeln. „Die Stadt muss erlebbar werden“, betont Nowak.
„Gesamtpaket muss stimmen“
Die Besucher erwarten nicht nur ein interessantes Stadtbild und ein vielfältiges Einkaufsangebot, sondern auch Kulturelles, Gastronomie und Dienstleistungen. „Das Gesamtpaket muss stimmen“, betont Nowak, „das Interesse an der Einkaufsatmosphäre und der Aufenthaltsqualität ist stärker gestiegen als das Interesse am Preis.“
Die Stadtentwicklung muss dabei auch Lösungen für widersprüchliche Interessen finden. Einerseits wollen und müssen die Kunden insbesondere von außerhalb die Innenstädte auch mit dem eigenen Fahrzeug erreichen können: Entsprechend müssen Straßen und Parkraum beschaffen sein. Wenn sie aber in der Stadt angekommen sind, werden aus den Autofahrern Fußgänger, die gerne entspannt bummeln wollen.
Zudem müssen sich die Planer mit neuen Trends und Entwicklungen auseinandersetzen: Insbesondere in den Großstädten wächst die Zahl derjenigen, die kein eigenes Auto mehr besitzen, sondern auf Car-Sharing zurückgreifen.
Zu jeder Tageszeit attraktiv
Die Wiederentdeckung der Innenstädte ist ein wichtiges Thema für den Handel, nutzt aber nicht nur den Kaufleuten, betont Nowak: „Die Reurbanisierung ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“ Letztlich gehe es darum, Städte wie Bremen und Bremerhaven (wieder) eine Identität zu geben. „Es gilt urbane Erlebnisse zu schaffen“, sagt der Experte. Die Innenstadt von morgen ist kein Raum mehr, wo mit dem Geschäftsschluss das Leben verschwindet: „Das Stadtquartier muss wieder zum Kiez werden, der zu jeder Tageszeit etwas zu bieten hat.“