Exklusiv: In der historischen Schatzkammer im Mercedes Werk Hamburg

Foto: Wolfgang BeckerDer D200: Stückzahl 1140, Baujahr 1935, 198 Kubikzentimeter Hubraum, sieben PS || Foto: Wolfgang Becker

Die Mitglieder der „SG Stern“ pflegen ein Dutzend Tempo-Wagen, die einst in Harburg gebaut wurden.

Eine kleine Einfahrt hinunter und schon ist der Besucher in einer anderen Welt: Wer die Gelegenheit hat, die Sammlung historischer Tempowagen in Harburg anzusehen, der erlebt fast einen kleinen Zeitsprung. Da stehen sie einträchtig in einer Reihe – der „Boy“, der „Hanseat“, der olivgrüne G1200, der T6 und der „Pony“. Alle made in Harburg. Und alle sorgsam gepflegt von den Mitgliedern der Sportgemeinschaft „SG Stern“ im Mercedes Werk Hamburg in Bostelbek. Oldtimer-Fans bekommen bei ihrem Anblick Tränen in die Augen. Im Keller des alten Verwaltungsgebäudes auf dem Mercedes-Gelände steht ein historischer Schatz, denn die Sammlung besteht aus einem Dutzend Fahrzeugen, die sich die Tempo­werk-Gründer Max und Oscar Vidal als Produktmuster in der Zeit der späten 1920er-Jahre bis Ende der 1950er-Jahre zur Seite stellten. Quasi Prototypen, zumindest aber Tempowagen aus den jeweils ersten Fertigungsserien. In der Endphase wurde die Produktion nach Bremen verlegt.

Torsten Kirchner kommt aus der Hocke wieder hoch. „Ab und zu muss man hier mal einen kleinen Ölfleck aufwischen. Das bleibt nicht aus.“ Das Öl ist von heller goldener Farbe, denn nur wenige Fahrzeuge sind hin und wieder tatsächlich auf der Straße zu sehen. „Zu besonderen Anlässen sind die unterwegs – zum Beispiel, wenn auf dem Kiekeberg ein Treffen der Tempo-Fans stattfindet.“ Oder wenn ein Kollege mit einem besonderen Hochzeitsauto vorfahren möchte. Dann darf der Tempo auch mal raus.

Die emotionale DNA im Werk

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Die Sammlung, durch die Oliver Gerth, Fertigungsleiter im Bereich E-Komponenten, Pedal­anlagen und Polymer-Hybrid, und Thorsten Kirchner, Betriebsingenieur und Spartenleiter der „SG Stern“, führen, bildet fast die ganze Entwicklung dieses typischen Harburgers ab, der der Tempo ja tatsächlich ist. Gebäude aus jenen Jahren, als die Vidals ihre berühmten Dreiräder (später auch vierrädrige Kleinlaster) bauten, sind bis heute auf dem Werksgelände zu sehen.

Auch das „Tempo-Werk“ nebenan, also der hit-Technopark, steht auf historischem Grund. Der geschäftsführende Gesellschafter und Inhaber, Christoph Birkel, hat den Charme der Tempo-Geschichte längst erkannt. Die Story rund um die Vidals hat ihn zur Namensänderung „Tempo-Werk“ inspiriert – eine Geschichte von Technologie, Ingenieurskunst, Kreativität und Kollaboration. Hier beispielsweise als Leihgabe weitere Tempo-Wagen auszustellen und öffentlich sichtbar zu machen, liegt nahe. Darauf angesprochen sagt Birkel: „Das wäre in der Tat eine tolle Idee. Ich hätte großes Interesse, mich einmal mit den Verantwortlichen zu unterhalten. Wir haben hier ein historisches Erbe, das nicht nur uns, sondern auch dem Mercedes Werk ein Stück Harburger Identität gibt. Zu guten Storys gehören eben auch gute Bilder. Es wäre doch großartig, den einen oder anderen alten Tempo mal wieder zu zeigen. Ich wäre auf jeden Fall dabei.“

Unter dem Namen „Historia Mobilis“ hatte sich 2006 ein Belegschaftsclub der Daimler AG gegründet, der sich der Pflege historischer Fahrzeuge widmete. Zwischenzeitlich wurde der Clubbetrieb mangels Budgets eingestellt, heute ist „Historia Mobilis“ eine Sparte innerhalb der „SG Stern“. So kommt es auch, dass sich bis heute 30 bis 60 Mitarbeiter aus dem Werk Hamburg der Oldtimer-Pflege verschrieben haben. Allerdings: In Harburg ist nie ein Mercedes vom Band gelaufen. Aber es gibt ja die alten Tempos. Oliver Gerth: „Die Tempowagen stehen für die Geschichte dieses Werks. Das ist einfach eine emotionale Story, die sich anhand dieser alten Fahrzeuge erzählen lässt. Deshalb halten wir die Fahrzeuge in Ehren und werden alles dafür tun, dass sie erhalten bleiben.“



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