Was die Immobilienmärkte in Berlin und Hamburg unterscheidet – B&P-Gespräch mit Christoph Birkel, Geschäftsführer des hit-Technoparks.
Von Wolfgang Becker
inmal pro Woche zieht es ihn nach Berlin: Christoph Birkel, Geschäftsführer des hit-Technoparks in Harburg, verbindet eine innige Beziehung mit der Bundeshauptstadt – nicht nur, weil er dort in der 90er-Jahren sein BWL-Studium absolviert hat, sondern vor allem, weil es seinen Vater nach der Wende gen Osten zog. Wolfram Birkel, der an derselben Universität (TU) studiert hatte, eröffnete ein neues Geschäftsfeld im Ostteil der Stadt: Er kaufte marode Altbauten in Berlin Mitte sowie am Prenzlauer Berg und verwandelte sie nach und nach in Schmuckstücke. Christoph Birkel führt den Aufbau Ost fort. Was den Hamburger vom Berliner Immobilienmarkt unterscheidet, darüber sprach er mit B&P.
Die Fotowand im Besprechungsraum der hit-Technopark-Zentrale spricht für sich. Hier sind Berliner Stadthäuser abgebildet, die die Birkels seit 1990 saniert haben. Die Gegenüberstellung von Vorher und Nachher gibt einen ersten Eindruck, was das im Einzelnen bedeuten kann. Christoph Birkel: „Mein Vater war gleich nach der Wende vor Ort. Die Hackeschen Höfe gab es in der heutigen Form noch gar nicht – gleich nebenan kaufte er das erste Objekt.“ Die Hackeschen Höfe sind ein bei Berlin-Besuchern beliebtes Ziel: Deutschlands größte zusammenhängende Innenhofanlage – ein aufwendig saniertes Vorzeigequartier im Jugendstil, in dem vor der Wende unter anderem noch eine Trabi-Werkstatt untergebracht war. Heute sind hier Läden, Restaurants, Studios, ein Varieté-Theater und Wohnungen zu finden.
Traditionelle Mischung aus Wohnen und Arbeiten
Wolfram Birkel stellte damals aus örtlichen Handwerksfirmen ein leistungsfähiges Sanierungsteam zusammen, das bis heute im Einsatz ist. Sein Sohn sagt: „Das ist eine Spitzenmannschaft. Wir haben immer 30 bis 50 Leute auf dem Bau, gehen aber Schritt für Schritt vor. Wenn ein Objekt fertig ist, kommt das nächste.“ Zwischendurch werden weitere Sanierungsfälle gekauft. Eine Berliner Besonderheit: Viele Stadthäuser ha-ben einen relativ hohen Gewerbeanteil. Christoph Birkel: „Im Erdgeschoss ist Einzelhandel, im ersten Obergeschoss sind zumeist Büros. Erst dann kommen die Wohnungen. Das hat Tradition.“ Kurz: Die Mischung aus Wohnen und Arbeiten, die in Hamburg oft so schwer umzusetzen ist, hat in Berlin Methode.
Nach 25 Jahren Engagement vor Ort haben sich einige Objekte angesammelt. Die Birkels haben für jedes sanierte Haus ein Buch angelegt – mit Fotos (vorher und nachher) und der Geschichte. Aus zu DDR-Zeiten herunterwirtschafteten einstigen Feudalbauten wurden Vorzeigeobjekte – manche sehr edel, andere verspielt. Birkel: „Jedes Haus erzählt eine Geschichte. Wir versuchen, diese Geschichte zu finden und bei der Gestaltung umzusetzen.“
Wolfram Birkel war beileibe nicht der einzige Investor, der sich in der wiedervereinigten Stadt nach sanierungsfähigen Gebäuden umsah. Sein Sohn erzählt: „Es waren wohl etwa 20 bis 30 Investoren unterwegs, die nach und nach dafür sorgten, dass immer mehr Häuser wiederbelebt wurden. Heute sind zumeist nur noch die ganz schwierigen Immobilien zu finden. Häuser mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Der Sanierungsstand ist hoch. Und das führt dazu, dass die Mieter eine große Auswahl haben. Wenn in Hamburg eine Wohnung angeboten wird, stehen 30 Leute Schlange. Egal, wie der Zustand ist, einer nimmt sie. Das kann in Berlin nicht passieren. Das Angebot ist so groß, dass die Mieter wählen können. Warum also Schimmel an den Wänden akzeptieren, wenn nebenan eine vollsanierte Wohnung zum gleichen Preis zu erhalten ist?“
Mietermarkt vs. Vermietermarkt
Kurz: Berlin ist ein Mietermarkt, Hamburg ein Vermietermarkt. An der Elbe treibt das mangelnde Angebot die Preise in die Höhe, in Berlin fürchten die Vermieter eher um ihre Renditen und sorgen allein schon deshalb für einen guten Standard. Allerdings gibt es gerade im politisch Links-dominierten Osten skurrile Auswüchse. Birkel: „In den Sanierungsgebieten ist es beispielsweise nicht erlaubt, freihängende Toiletten zu installieren – was heute überall Standard ist. Toiletten müssen auf dem Boden stehen. Weil das immer so war. Auch der Bau von Toilettenräumen mit Fenster ist ein Problem. Ziel dieser Vorgaben ist es, die Gentrifizierung zu verhindern – was so überhaupt nicht zu verhindern ist. Hier hinken die Verwaltungen etwas hinterher. Aber abgesehen davon ist Berlin für Mieter ein wesentlich besserer Markt als Hamburg. Ich bin entsetzt, wie schlecht die Qualität der Wohnungen in Hamburg teilweise ist. Das würde sich in Berlin niemand bieten lassen.“
Doch Birkel hat noch einen grundlegenden Unterschied parat: „Wenn ich Hamburg mal als feine, gutsituierte Dame sehe, dann ist Berlin die heiße Geliebte. Die Stadt ist jung, aufregend, kreativ. Übersetzt heißt das: Die Bezirksämter trauen sich auch mal was. In Berlin sind Dinge möglich, die in Hamburg niemals genehmigt würden.“ Als Christoph Birkel ein ehemals besetztes Haus in Fried-richshain kaufte, stand er vor einem Gebäude mit hohlen Augen – keine Fenster, eine ganzflächig bemalte Fassade, zweifelhafte Bausubstanz. In Hamburg wäre das ein Fall für die Abrissbirne gewesen. Nicht so in Berlin. Birkel: „Ich wollte die bemalte Fassade erhalten. Leider war das ein technisches Problem – der Putz fiel von der Wand. Grundsätzlich wäre das aber möglich gewesen. Wir haben dann umdisponiert und wollten den Ort mit seinem schrillen Ambiente erhalten. So entstand die Idee, hier ein Haus im Stil des legendären New Yorker Nachtclubs Studio 54 zu entwerfen.“ Ein exzessiver Sündenpfuhl der 1970er-Jahre, wie Birkel einräumt, aber eben besonders. Die Tanzszenen jener Zeit ziehen heute bei der Nutzung des Aufzugs hinter den gläsernen Wänden entlang, und im Foyer werden die Bewohner von James Brown begrüßt – in Porträtform, versteht sich.
Hamburg könnte mal lockerer werden
Die Suche nach geeigneten Objekten verlagert sich derzeit aus dem Zentrum heraus in die Berliner Randgebiete. Was sich hier so einfach liest, ist in Wahrheit mit einem hohen Risiko verbunden. Birkel: „In der Anfangszeit war es wirklich schwierig. Wir gingen zehn Jahre lang durch ein Tal der Tränen, haben nichts verdient. Da hieß es dann für meinen Vater‚ die Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Mancher Investor blieb auf der Strecke. Die Fremdkapitalzinsen lagen damals bei sechs bis sieben Prozent – das ist heute gar nicht mehr so denkbar. Dann kamen die .com-Zeiten. Internetfirmen wuchsen wie Pilze aus dem Boden. Der Neue Markt sorgte für einen Riesen-Boom auch bei der Nachfrage nach Immobilien. Dann brach alles in sich zusammen, und das nächste Tal tat sich auf. 2005/2008 zog die Nachfrage wieder an. Seit der Wirtschaftskrise gehen die Preise für Immobilien hoch. Heute muss man sagen: Die Immobilienpreise steigen stärker als die Mieteinnahmen. Außerdem steigen die Einkommen nicht mehr in dem Maße. Wir werden deshalb über neue Konzepte nachdenken müssen, wollen aber weiterhin in Berlin investieren.“
Was kann Hamburg von Berlin lernen? Birkel: „Hamburg ist in der Hand weniger Investoren – ein sehr aufgeteilter, zudem alter Markt. Doch es gibt ja auch Quartiere wie die Schanze oder das Karolinenviertel. Ich finde, da könnte die Stadt mal locker sein und einfach mehr wagen. Zum Beispiel neue Vermietungskonzepte. Der Mix macht einen Standort attraktiv. Wir finden das im Harburger Binnenhafen. Das sind in gewisser Weise die Hackeschen Höfe Hamburgs.“
Web: www.hit-technopark.de