Andreas Sommer: „Wir ringen alle um den richtigen Weg“

Andreas SommerAndreas Sommer

INTERVIEW Andreas Sommer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Harburg-Buxtehude, über den Spagat zwischen Filialsystem und Internet

Über mangelnde Herausforderungen kann er sich nicht beklagen: Nach der Verabschiedung von Heinz Lüers steht mit Andreas Sommer ein neuer Vorstandsvorsitzender an der Spitze der Sparkasse Harburg-Buxtehude. Er übernimmt die Verantwortung in bewegten Zeiten, denn die über Jahrzehnte bewährten Systeme stehen in Zeiten der Digitalisierung auf dem Prüfstand. Mit Andreas Sommer sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker.

175 Jahre Sparkasse Harburg-Buxtehude, ein neuer Vorstandsvorsitzender, die Eröffnung der „Filiale der Zukunft“ – wenn Sie nach vorne blicken: Wie lautet der Leitgedanke für die Ausrichtung der Sparkasse?
Für uns steht eine Kernfrage im Mittelpunkt: Wie hat sich das Kundenverhalten in den vergangenen Jahren verändert – und wie wird es sich künftig verändern. Uns wird ja manchmal nachgesagt, wir würden das Kundenverhalten prägen – weil wir Filialen schließen, drängen wir die Menschen ins Internet. Aber das ist ja nicht die Realität. Realität ist einfach, dass sich die Welt verändert hat. Und mit dem Smartphone, das es ja erst seit wenigen Jahren gibt, hat sich auch das Kundenverhalten verändert.

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Ist das eher ein junges Thema?
Wir haben die gesamte Bandbreite – die ältere Generation, die tendenziell noch eher an das Thema Filiale glaubt, und die nachwachsenden Generationen, die mit dem Smartphone aufwachsen. Das ist unsere Anforderung: Wir stellen wir uns darauf ein – nur Internet geht nicht, und nur Filiale geht auch nicht. Wir versuchen, beides zusammenzuführen, stellen uns auch in den neuen Medien modern auf und ermöglichen dem Kunden, ganz bequem von zu Hause mit uns zu kommunizieren. Aber dort, wo der persönliche Kontakt gewünscht ist, da sind wir da. Das ist der Gedanke der Beratungscenter. Hier verbinden wir die Filiale mit der digitalen Welt.

Die Sparkasse Harburg-Buxtehude hat ein respektables Filialnetz – gerade auch in der Fläche. Mitbewerber gehen dazu über, aus Filialen Nachbarschaftstreffs zu machen. Ist das ein Weg?
Natürlich ist das ein Ansatz. Fairerweise muss man ja sagen: Wir ringen ja alle um den richtigen Weg. Keiner kann Ihnen heute sagen, wie die Welt in 20 Jahren aussieht. Jeder hat so sein Bild, aber trotzdem müssen wir fragen, ob Filiale dauerhaft einen Wert hat. Den hat sie, aber nur wenn es dauerhaft gelingt, Menschen zu mobilisieren und an diesen Ort zu kommen. Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen zu uns kommen, weil sie von uns erwarten, dass wir ihnen ehrlich weiterhelfen. Dass sie einen echten Rat bei den Anliegen bekommen, die sie nicht im Internet äußern wollen. Das ist eher unser Weg. Eng am Thema Finanzdienstleistungen und eng am Kunden. Wir haben in allen unseren Beratungscentern Vermögensberater, Baufinanzierungsexperten und Firmenkundenbetreuer für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu zehn Millionen Euro.

Ist jemals darüber nachgedacht worden, die in der Regel Eins-A-Standorte so zu nutzen, dass andere Dienstleister oder Shops mit hineingenommen werden, um Frequenz zu schaffen?
Das ist sogar versucht worden – zum Beispiel in Buchholz. Die Filiale ist so konzipiert worden, dass links und rechts des Eingangs Gewerbeflächen vorgesehen waren. Aber schauen wir uns mal das Beispiel Stackmann in Buxtehude an. Das ist der Standort überhaupt, wenn es um Frequenz geht. Dort hatten wir bis vor fünf Jahren eine Filiale integriert, die sogar samstags erreichbar war. Aber die Menschen, die samstags zu Stackmann gehen, die wollen Bekleidung kaufen. Vielleicht noch mal Geld abheben oder einen Kontoauszug ziehen. Aber auf keinen Fall wollen sie dabei über ihre Altersvorsorge sprechen. Heute haben wir dort einen SB-Standort. Kurz: Ich glaube, wer zur Sparkasse kommt, hat im weitesten Sinne Bedarf an einer Finanzdienstleistung.

Das spricht also weiterhin für die Filiale.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Filiale ihre Berechtigung hat. Ein Beispiel aus einer anderen Branche: Es hat über Jahre eine starke Reduktion bei den Reisebüros gegeben. Seit drei Jahren ist der Punkt überschritten – seitdem steigt die Zahl wieder an. Was machen die anders? Ich kann jede Reise im Internet buchen, aber trotzdem hat es einen Wert, dass ich an bestimmten Stellen einen direkten Berater habe.

Das Internet basiert auf der Annahme, dass jedermann jederzeit bereit ist, sich mit allen Angeboten auseinanderzusetzen und den Überblick zu behalten. Doch die Masse ist schier unerschöpflich. Am Ende kommt es dann zum Schwur‘ vertraue ich dem Internetanbieter oder nicht. Und komme ich mit der Masse überhaupt zurecht.
Es gibt ja zu verschiedenen Themen durchaus unterschiedliche Meinungen – und in Wikipedia kann jeder etwas reinschreiben. Check24 ist auch kein neutrales Vergleichsportal, da geht es um Vermittlungsprovisionen. Es gibt dennoch genügend Leute, die dem Internet vertrauen. Aber wenn es komplexer wird und ich beispielweise einmal im Leben eine Baufinanzierung brauche, dann will ich das nicht im Internet erledigen. Das sind Lebensentscheidungen. Trotzdem wird es andere Themen geben, auf die wir uns einstellen müssen – zum Beispiel die Einrichtung eines Tagesgeldkontos per Internet. Dazu kann ich doch niemanden mehr zwingen, in die Filiale zu kommen.

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Das ganze Suchen nach Konzepten hat das Ziel, am Ende Geschäfte mit dem Kunden zu machen. Beratung ist gut, aber führt nicht zwangsläufig zu Geschäften. Gibt es zu den klassischen Finanzdienstleistungen weitere Geschäftsfelder? Stichwort Versicherungen.
Viele Kunden wissen gar nicht, wie wir als Allfinanzdienstleister aufgestellt sind. Dass wir im Verbund mehr als das klassische Geschäft mit Krediten und Anlagen bieten, müsste sicherlich noch viel stärker kommuniziert werden. Wir vertreiben auch Versicherungen – im Bereich Altersvorsorge und im Bereich der kompletten Sachversicherungen sowohl für Privat- als auch Firmenkunden. Und auch über die Angebote unserer traditionellen Partner hinaus.

Wo wollen sie denn konkret ansetzen?
Generell gilt: Wir haben eine blendende Ausgangslage – 200 000 Kunden, darunter 130 000 Giro-Kunden. Wenn wir uns mal anschauen, mit wem wir in den vergangenen zwölf oder 18 Monaten direkt in Kontakt waren, dann eröffnet sich da ein riesiges Potenzial. Das werden wir nutzen. Unsere Kunden sollen zuerst an die Sparkasse Harburg-Buxtehude denken, wenn Fragen rund um Finanzdienstleistungen auftauchen. Wir sind da, wenn sie uns brauchen.