PORTRÄT Marc Siebert lehrt an der PFH in Stade und Göttingen – Mit „Spin individual frames“ baut er maßgeschneiderte Fahrradrahmen
Fahrradfahrer sind durchtrainiert, zielorientiert und immer auf der Suche nach neuen Wegen. Prof. Dr.-Ing. Marc Siebert von der PFH ist Fahrradfahrer und zugleich Experte für Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde – so das übergeordnete Thema seiner Promotion. Wöchentlich kommt er nach Stade, um die Studenten im Hansecampus in die Welt der Faserverbundwerkstoffe einzuführen. Das klingt alles sehr theoretisch und für Laien eher trocken, aber wer den 47-Jährigen trifft, der lernt einen vielseitigen und inspirierenden Praktiker kennen: Marc Siebert hat zwar eine volle Professorenstelle, ist aber zugleich selbstständig und baut mit seiner Firma „Spin individual frames“ maßgeschneiderte Fahrradrahmen – natürlich aus Carbon.
Zwischenspurt in Kassel
„Ich komme aus dem Leistungssport“, erzählt er im Gespräch mit B&P. „Als Fahrradsportler habe ich mich immer geärgert, wenn etwas nicht so richtig passte. Deshalb fing ich in den 90er-Jahren während des Studiums an, eigene Federsysteme und Rahmen für Sportfahrräder zu entwickeln.“ Für den Hersteller Cube entwickelte er zunächst Rahmen aus Alu, später auch aus CFK. Die Kohlefaserverbundwerkstoffe sind zwar schwieriger zu verarbeiten, aber deutlich leichter und sehr stabil. 2001 startete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kassel in die Promotionsphase und setzte zu einem sportlichen Zwischenspurt an: „Ich vereinbarte mit meinem Doktorvater, dass ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter nur eine halbe Stelle besetze, aber volle Leistung bringe. Die andere Hälfte meiner Arbeitszeit wollte ich für meine Firma nutzen. Wir vereinbarten eine Testphase, danach war er einverstanden.“ 2002 wurde „Spin“ gegründet.
Mittlerweile hat Marc Siebert auch Rollstühle und ein Hand-Bike-Konzept entwickelt. Hintergrund: An der PFH Göttingen ist er auch als Werkstofffachmann im Studiengang Orthobionik eingesetzt – hier trifft Orthopädie-Technik auf Medizin. Ein spannendes Feld gerade auch im Bereich der Prothetik, denn hier kommt wiederum CFK als Werkstoff voll zum Tragen. Siebert: „Wir haben es in dem Studiengang mit einer Verschmelzung von Akademisierung und Handwerk zu tun.“ Sein Part dreht sich in der Lehre speziell um Werkstoffe und die dazugehörigen Fertigungstechniken, mit denen aus dem CFK-Rohstoff Produkte gebaut werden. Und die sind vielfältig. Siebert: „Der Klassiker ist die Carbon-Schale für den Außenspiegel eines Autos. Sieht zwar cool aus, ist aber wirtschaftlich und technisch völlig sinnlos. In Autotüren verbaute CFK-Seitenlamellen sind dagegen unsichtbar und unspektakulär, unter Sicherheitsaspekten jedoch hocheffektiv.“ In diesem Spannungsfeld bewegt sich manches Produkt auf CFK-Basis.
Ein Plädoyer fürstudentische Projektarbeit
In Stade deckt Marc Siebert die Fächer Konstruktionslehre sowie Vorlesungen Fertigungsverfahren für Verbundstrukturen I und II ab – Themen, die im fünften Semester anstehen. Er berichtet: „Wir sind eine praxisorientierte Hochschule und arbeiten viel an Objekten. Parallel dazu bieten wir Projekte an, in denen die Studenten zumeist in Gruppen selbstständig Ziele bestimmen und umsetzen. Dabei lernen sie nicht nur die technische Seite, sondern auch Ressourcen- und Zeitmanagement, Konstruktion, und Budgetplanung, Meilenstein-Planung, Programmierung von Maschinen und das Bauen mit CFK. Wichtige Punkte für das spätere Berufsleben.“ In Kooperation mit der Airbus-Ausbildung nutzen die PFH-Professoren mit ihren Studenten die Werkstätten und Labore. Die beabsichtigten Projekte werden in Sieben-Minuten-Präsentationen vorgestellt. Sind sie „genehmigt“, machen sich die Studenten auf die Sponsorensuche. Siebert: „So ein Projekt hat im Schnitt einen Finanzierungsbedarf von 5 000 bis 10 000 Euro. Und das schaffen die Studenten. Die Projekte sind hochmotivierend.“
Tatsächlich sind die Projekte Mittel zum Zweck, wie der Professor sagt: „Die Art der Produkte ist eigentlich egal, aber die Studenten zeigen damit, dass die Verfahren beherrscht werden. Darauf kommt es an. Durch Projekte kann man den Sinn des Studiums erst richtig verstehen.“ Die PFH hat längst erkannt, dass es viel mehr gibt, als junge Menschen mit Detailwissen vollzustopfen. Im nächsten Schritt soll nun das Thema Unternehmenskultur stärker in den Fokus rücken.
Marc Siebert hat in seinen Anfangsjahren selbst die Erfahrung gemacht, wie erkenntnisreich es sein kann, Projekte real umzusetzen. Er selbst forcierte an der PFH die Einführung von Projektarbeiten. Und bis heute stellt er sich mit seinem Unternehmen immer wieder selbst der Herausforderung, technische Fragen zu lösen und Produkte weiterzuentwickeln. Er sagt: „Wir nennen uns die Unternehmerhochschule. Das ist durchaus ernst gemeint.“ Er betreibt nebenbei noch ein Ingenieurbüro und begleitet Unternehmen über die Entwicklung von Prototypen aus Verbundwerkstoffen bis hin zur späteren Serienlösung. Auch die Studenten sollen unternehmerisches Denken lernen. Ziel ist es, die nächste Generation dabei zu unterstützen, Produkte nicht nur zu entwickeln, sondern auch auf den Markt zu bringen. wb
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