Vortrag und Podiumsdiskussion beim Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden – Thema „City Harburg, quo vadis?“
Wenn der Einzelhandel in der Harburger Innenstadt wieder auf die Beine kommen will, sollte er nach dem Vorbild der „Online-City Wuppertal“ auf den digitalen Handel setzen und sich darauf einstellen, dass Ladengeschäfte künftig nur eine Chance haben, wenn sie auch über das Internet erreichbar sind. Diese Auffassung vertritt Andreas Haderlein, Wirtschaftspublizist und Innovationsberater aus Frankfurt. Im Auftrag des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden hatte er eine Studie zur Entwicklung der Innenstadt erstellt. Sein Fazit: Harburg sollte sich den „digitalen Mantel“ anziehen. Und das möglichst schnell.
Jochen Winand, Vorsitzender des Wirtschaftsvereins, nannte die Kernpunkte: Harburg habe ein starkes ECE-Einkaufszentrum, in der Fußgängerzone herrsche seit 15 Jahren trading down, hinzu kämen Negativposten wie die Ruine des Harburg-Centers am Ring und die ebenfalls unseelige Entwicklung bei Karstadt, die der „Hütchenspieler“ und Ex-Investor Nicolas Berggruen zu verantworten habe. Dem lokalen Handel blase zudem die Online-Konkurrenz als steifer Wind ins Gesicht. Winand: „Ohne das Phoenix-Center wären hier schon die Lichter aus.“
Haderleins Lösung: Der lokale Handel muss sich zusammentun und seine Ware auch im Internet verfügbar machen. Zitat: „Der Online-Handel ist der Brandbeschleuniger für den Strukturwandel.“ Und der werde dazu führen, dass Ladengeschäfte nur noch eine Chance haben, wenn sich die Inhaber das Internet zu Nutze machen. Wie das gehen kann, erklärte er am Beispiel Wuppertal. Dort sind gut 40 lokale Händler beteiligt. Die Ware wird online bestellt und am selben Tag geliefert. An der Stadtgrenze endet der Service.
Studien belegen laut Haderland, dass in Deutschland bis 2025 rund 50 000 Einzelhandelsbetriebe „sterben“ werden. In der „Frankfurter Zeil“ gebe es bereits heute keinen Herrenausstatter mehr. Die Gegenstrategie für die Verbliebenen heiße Multichanneling – das Bespielen mehreren Verkaufskanäle. Sein Vorschlag: der „multichannel harburg“, unter dessen Dach sich der Handel organisieren sollte. Statt Blumenkübel aufzustellen und verkaufsoffene Sonntage zu organisieren sollten die Stadtmarketingexperten die digitale Karte spielen und lieber in die Suchmaschinenoptimierung und das Online-Marketing investieren. Doch dazu fehle in der Regel das Geld.
Haberlein sparte nicht mit Provoktionen: Harburg müsse sich entscheiden, ob der Standort zum „Basar de luxe“ oder zur Ramschmeile werden wolle. Das Comeback der „local heroes“ sei nicht ausgeschlossen. Mittelfristig müsse die City in einen Ort des Wohnens und der Freizeit transformiert werden– nur so lasse sich das Leben in der Stadt halten.
Reaktionen auf dem Podium: Heinrich Wilke, Immobilien-Chef der Süderelbe AG, zeigte sich „einigermaßen irritiert“. Wenn sich große Marken für Harburg interessierten, sei das bestimmt ein gutes Zeichen. Bezirksamtsleiter Thomas Völsch möchte das Potenzial der Studenten stärken. Und Norbert Radszat, Vermietungsmanager des Business Improvement Districts (BID) Lüneburger Straße, berichtete, dass sehr dicke Bretter gebohrt werden müssten, um die „Lü“ wieder mit interessanten Läden zu bestücken. Das werde Jahre dauern. Zurzeit stünden eher Buchholz, Buxtehude und Stade auf der Landkarte der Kunden. Citymanagerin Melanie-Gitte Lansmann bezeichnete die Situation in der Harburger City als schwierig, noch sei die nötige Aufbruchstimmung nicht vorhanden. Einzelne Beispiele, wie der Pop-up-Store zeigten aber, dass es sehr wohl gelinge, neue Kunden in die City zu holen. Multichannel sei aber durchaus ein Thema, das für Harburg interessant sein könne. wb