Der Schock sitzt noch immer tief. Wie war es möglich, dass manipulierende Software bei VW, einem der größten Automobilkonzerne der Welt, zum Einsatz kam? Das Unternehmen versucht zu retten, was zu retten ist. Eines ist klar. Nach dem „Dieselgate“ ist das Vertrauen von Kunden, Medien, Stakeholdern und den 600 000 Mitarbeiter nachhaltig erschüttert.
Erstaunlich ist die Annahme, nicht erwischt zu werden. Und das im Zeitalter der Digitalisierung, in der jedes System geknackt werden kann. Spätestens seit WikiLeaks kennt man die Macht der Whistleblower. Dass sich Vorstandsvorsitzende nicht dafür verantwortlich fühlen, welche Unternehmenskultur in ihrer Organisation herrscht, ist aber das eigentliche Übel und der VW-Skandal nur ein Symptom. Wo das Klima von Leistungsdruck und Ellbogenmentalität geprägt ist, folgt auf kleine Schwindeleien häufig der Betrug. Den Wert „Vertrauen“ für Umsatzzahlen zu opfern, war und ist immer eine fatale Fehlentscheidung.
Der Schwenk in Richtung Wiederherstellung von Vertrauen lässt sich aber nicht allein über die Handlungsebene, durch Maßnahmen und veränderte Prozesse erlangen, sondern einzig über die Frage nach dem Sinn eines Unternehmens. Wofür steht VW? Was ist dem Unternehmen wichtig? Warum sollen Mitarbeiter leidenschaftlich für das Unternehmen arbeiten? Der Kulturwandel muss von innen beginnen, nur dann wird er nach außen wirken. Wenn die Belegschaft einen gemeinsamen Spirit zeigt, werden das die Produkte widerspiegeln und die Kunden in weiterer Folge merken. Dass Volkswagen derzeit zu den forschungsintensivsten Unternehmen der Welt gehört, wird allein nicht helfen.
Der neue VW-Chef Matthias Müller hat die große Aufgabe, den Wert der Marke wiederherzustellen. Wenn es ihm gelingt, sich als glaubwürdige Leitfigur, als Leuchtturm, zu positionieren, wird das Unternehmen nach der Krise besser aufgestellt sein als zuvor. Er würde damit nicht nur Volkswagen einen großen Dienst erweisen.
Auch in der Region Lüneburg gibt es Unternehmen, die mit VW Geschäfte machen. Sie werden die Auswirkungen des angekündigten Sparprogramms zu spüren bekommen. Der Schaden wird sich dennoch in Grenzen halten, denn die Abhängigkeit der Zulieferer von VW ist hier nicht so groß wie andernorts. Vom angesprochenen Kulturwandel könnten sie allerdings ebenso profitieren wie die VW-Kunden. Diese Chance sollte genutzt werden.
Fragen an den Autor:
enkelmann@wirtschaft.lueneburg.de