Lebenszeichen Nummer 5:
Weltumsegler Wolfram Birkel sendet Jagdbericht aus der Südsee.
Wolfram Birkel, langjähriger Geschäftsführer des hit-Technoparks in Harburg, erlebt zurzeit das Abenteuer seines Lebens. Seit etwa zwei Jahren ist er mit seiner RED CAT auf Weltumseglung und schickt ab und zu exklusiv für Business & People ein Lebenszeichen. Im Oktober erreichte die Redaktion ein ungewöhnlicher Jagdbericht aus der Südsee. Endlich hatte mal wieder einer angebissen: ein drei Meter langer Marlin. Mittlerweile ist Birkel auf Heimaturlaub in Deutschland eingetroffen. Hier überdauert er die Sturmsaison, um im Frühjahr seine Segeltour fortzusetzen – mit Kurs auf Neuseeland.
Nach wochenlanger Pause hörten wir am Sonntag, den 13. September, endlich mal wieder das Schnarren unserer Angel. Ein Fisch hatte angebissen. Wir, Marret, unser Bootsmann Alex und ich, waren mit unserer Segelyacht RED CAT gerade auf dem Törn von Bora Bora nach Maupiti, Französisch Polynesien. Wir hatten kurz nach dem Verlassen der Lagune unsere Angeln ausgeworfen. Inzwischen lag Bora Bora sieben nautische Meilen (nm) achteraus, das heißt etwa eine Stunde segeln. Und wir hatten noch 25 nm bis zu unserem Ziel.
Als die Angel schnurrte, stoppten wir unser Boot sofort und nahmen die Segel weg. Die Angelschnur rauschte von der Rolle, der Fisch versuchte zu entkommen. Alex nahm die Angel aus dem Köcher und versuchte, den Fisch näher ans Boot zu ziehen. Mit wenig Erfolg. Da kämpfte jemand mit viel Kraft am anderen Ende der Angelleine. Wir starteten den Motor und fuhren unserem Fang langsam hinterher. Er wechselte mehrmals die Richtung. Die Angelleine drohte sich unter dem Boot durchzuziehen, wir mussten mehrfach den Kurs ändern. Es kam uns vor, als versuchte der Fisch unsere 40 Tonnen schwere Segelyacht zu ziehen. Dann endlich sahen wir ihn zum ersten Mal: Er sprang 100 Meter vom Boot entfernt aus dem Wasser, ganz offensichtlich ein großer Marlin. Die Königsklasse der Angelbegeisterten.
Der Kampf dauerte eine Stunde, dann endlich kamen wir unserem Fang näher und konnten die Größe des Fisches im Wasser ausmachen. Nicht nur Alex, auch der Fisch hatte sich verausgabt, wirkte müde und hatte sich an der Angelsehne offensichtlich geschnitten und verletzt. Einen Augenblick spielten wir mit dem Gedanken, dem Fisch das Leben zu schenken, da wir viel Respekt vor ihm und seiner Kraft hatten. Außerdem waren wir uns nicht sicher, ob es gelingen könnte, einen so großen Marlin an Bord zu ziehen. Aber da er doch stärker verletzt schien und vermutlich eh gestorben wäre, entschlossen wir uns, weiter mit ihm zu kämpfen. Ein bildschöner Fisch, oben dunkelblau, die Unterseite kupferfarben mit dunklen Streifen. Wir versuchten eine Schlinge um die riesige Schwanzflosse zu legen, was uns aber nicht gelang.
Wie sollten wir diesen großen Fisch an Bord der Segelyacht ziehen? Ein Marlin hat am Kopf einen langen Speer – dieser war etwa 50 Zentimeter lang -, der uns alle hätte verletzen können, wenn der Fisch sich noch wehren und um sich schlagen würde. Mit vereinter Kraft gelang es uns, ihn ans Heck zu ziehen, wir schlugen ihm unseren festen Angelhaken in die Flanke, zogen ihn einen halben Meter aus dem Wasser und konnten hinter seinen Kiemen eine Schlinge legen. Mit einer Leine banden wir auch das Maul zu, sodass sein Speer bewegungseingeschränkt war. Dann zogen wir unseren Fang zu dritt an Deck. Dadurch, dass die Haut des Fisches glitschig war, ging es leichter als gedacht.
Was für ein kapitaler Bursche. Wir freuten uns ausgelassen über unsere gelungene Aktion, die besonders dem Einsatz von Alex zu verdanken war. Als er sich neben den Fisch legte, überragte dieser ihn um Längen. Das Zentimetermaß wurde rausgeholt: von der Schwanzspitze bis zum Speerende drei Meter – gewaltig. Heben konnten wir ihn so im Ganzen nicht mehr, geschätzt hatte er ein Gewicht von 80 bis 90 Kilo. Was sollten wir nun mit so einem riesigen Fang machen? Er würde auf keinen Fall in unseren Kühl- und Gefrierschrank passen.
Wir entschlossen uns, umzudrehen und die inzwischen acht Meilen nach Bora Bora zurückzusegeln. Wir kannten den Wirt des Mai Kai Marina Restaurants. Der hatte einen Kühlraum und genügend Gäste, die sich über so einen Leckerbissen freuen würden. So wurde vereinbart, den Fisch so schnell wie möglich an Land zu ziehen und in den Kühlraum zu bringen.
Für den nächsten Abend wurde uns ein Tisch reserviert. Es gab den leckeren Fisch, von Teva, dem Wirt, als ‚Striped Marlin‘ erkannt, in unterschiedlichen Zubereitungsarten serviert: als Cevici in Zitronensaft eingelegt mit Wurzel- und Salatstreifen, als Sashimi mit Soja und Wasabi und als Tartar kleingewürfelt, lecker gewürzt. Anschließend leicht angebraten auf Kartoffelstampf mit Gemüsedeko. Ein sehr, sehr leckeres Essen und ein fröhlicher Abend, bei dem wir zusammen mit Freunden unseren großartigen Fang gefeiert haben.
Wir haben auf unserer Reise einige Fische gefangen, aber oft hat auch der Fisch gewonnen und konnte sich losreißen. Einen Marlin zu fangen ist aber immer etwas Besonderes: Er ist schön, schmeckt hervorragend und er kämpft mit unbändiger Kraft. Ein ebenbürtiger Gegner. Dieser große Marlin hat auch uns an den Rand unserer Kräfte gebracht.
Autor: Wolfram Birkel