Von der Leyen beschwört die Kraft der demokratischen Gemeinschaft

Überzeugt vom europäischen Geist ist EU-Ratspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen auf dem Neujahrsempfang der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum / Foto: Picselweb_fotografie

EU-Kommissionspräsidentin spricht auf Neujahrsempfang der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum und hält flammendes Plädoyer für Europa.

Wohl kaum eine Politikerin steht mit so viel Verve und Überzeugung für den europäischen Geist wie die EU-Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen. Beim Neujahrsempfang der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum am 9. Januar im Stadeum sprang ihr Begeisterungsfunke schnell auf die rund 900 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Kultur und Medien über. „Europa ist auch nach über 70 Jahren die Verheißung von Frieden, Freiheit und Wohlstand“, betonte von der Leyen. „Geschäfte machen kann man überall. Aber wo wollen sich Familien niederlassen? Wo sie sich sicher fühlen, wo das Recht gewinnt und nicht die staatliche Willkür, wo das bewahrt bleibt, was man sich aufgebaut hat.“ Europa, das wurde ganz klar, gewinnt seine Kraft aus der demokratischen Wertegemeinschaft. „Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen in der Digitalisierung, vor rasanten Umstellungen hin zu einer sauberen Kreislaufwirtschaft. Wir erleben Krieg, Terror und Klimawandel. Allein kann das keiner bewältigen, aber gemeinsam können wir Berge versetzen.“

Nicht immer laufe alles rund, wenn viele Partner sich einigen müssten, aber das dürfe nicht den Blick darauf verstellen, was Europa schon alles geleistet habe und leiste, sagte von der Leyen. Stolz zeigte sie sich auf das aktuell beschlossene Migrations- und Asylpaket, das schnelle und einheitliche Verfahren an allen EU-Außengrenzen erlaubt. „Wir werden auch in Zukunft unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen, aber wir entscheiden auch darüber, wer zu uns kommt, nicht Schleuser und Schlepper.“ Zugleich wolle es Europa allen Fachkräften von außerhalb der EU leichter machen, sich beruflich in Europa verwirklichen zu können.

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Dies unterstrich auch IHK-Präsident Matthias Kohlmann: „Beim Thema Arbeits- und Fachkräfte müssen wir international denken. Die Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes führt zu vielen Vereinfachungen und ist ein gutes Signal zur Fachkräftegewinnung zusätzlich aus dem Ausland.“ Gleichzeitig gelte es, die duale Ausbildung zu stärken. „In unserer Region bilden über 1.600 Betriebe in IHK-Berufen aus. Eine beachtliche Zahl. Eine Ausbildungsgarantie setzt da die falschen Anreize. Denn eine außerbetriebliche Ausbildung berücksichtigt unserer Meinung nach nicht die Bedarfe des Arbeitsmarktes.“

Großes Potenzial sieht die EU-Kommissionspräsidentin in der Nutzung Künstlicher Intelligenz, von der medizinischen Diagnostik bis zur polizeilichen Ermittlungsarbeit. „Drei der fünf weltweit stärksten Rechner stehen in Europa und ermöglichen unseren Start-Ups ihre innovative Arbeit“, sagte sie. Zugleich warnte von der Leyen vor Missbrauch. „Klar ist: Die Zukunft der KI ist untrennbar mit der Entwicklung der Demokratie verbunden. Wir müssen sie regulieren. Markt reicht nicht aus.“ Hier habe die EU mit dem kürzlich beschlossenen KI-Gesetz eine Vorreiterrolle in der Welt.

Ebenfalls führend sei Europa in der Entwicklung sauberer Technologien. „Und ich will, dass das so bleibt“, betonte von der Leyen. Der Elbe-Weser-Raum sei in diesem Zusammenhang auf dem besten Weg ein „Powerhouse“ für Deutschland zu werden mit seinem Windkraft-Know-how, dem LNG-Terminal sowie der Entwicklung emissionsfreier Fahrzeuge, Züge und Flugzeuge. „Sie sind eine Modellregion für die Wasserstoffnutzung der Zukunft“, so von der Leyen, darauf können Sie stolz sein.“ Dies betonte auch IHK-Präsident Matthias Kohlmann: „Wir können die Drehscheibe für erneuerbare Energien in ganz Deutschland werden.“

Kohlmann hob in seiner Rede hervor, dass die Wirtschaft hinter einer starken europäischen Zusammenarbeit stehe. „Die im Green Deal formulierten Ziele werden nur gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht. Gemeinsam können wir innovative Technologien ausbauen, für notwendige Qualifikation sorgen. Gemeinsam können wir ein Miteinander von Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen.“ Dafür brauche die Wirtschaft allerdings schnell Klarheit über die Förderung von Investitionsvorhaben neuer Technologien und verlässliche Rahmenbedingungen.

Großes Lob sprach er der EU-Kommission dafür aus, bestehende Bürokratie- und Berichtspflichten um 25 Prozent reduzieren zu wollen. „Wenn nach Erreichen dieses Ziels dann noch unsere geforderte One-in-one-out-Regelung angewendet, haben wir eine echte Entbürokratisierung.“

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An die Region appellierte Kohlmann: „Lassen Sie uns gemeinsam in diesem Jahr die Herausforderungen annehmen und mit Mut und Ideenreichtum Lösungen finden.“

Auch Ursula von der Leyen schloss mit einem Appell: „Mit 2024 steht ein Jahr großer Entscheidungen an: Nicht nur in der EU wird gewählt, sondern auch in den USA und in Indien. Die Demokratie muss sich behaupten!“