Von Benjamin von Allwörden, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Die Beauftragung von freien Mitarbeitern ist beliebt. Insbesondere in der IT- und Medienbranche sowie bei Versicherungen und Beratern wird häufig die freie Beschäftigung gegenüber der Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses bevorzugt. Die Vorteile für Unternehmen lassen sich kurz zusammenfassen: keine arbeitsvertragliche Bindung, kein Kündigungsschutz, keine Investition in Aus- und Fortbildung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Lohnnebenkosten, keine Einrichtung eines Arbeitsplatzes und projektbezogene Beauftragungsmöglichkeiten.
In Deutschland gehen etwa 1,5 Millionen Erwerbstätige einer freiberuflichen Tätigkeit nach. Aus juristischer Sicht können dabei allerdings Gefahren bestehen, die von vielen Unternehmen unterschätzt werden.
Wer ist Freiberufler?
Der Gesetzgeber hat die freiberuflichen Tätigkeiten als „selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten“ definiert und namentlich unter anderem Ärzte, Ingenieure und Steuerberater als Freiberufler angeführt. Wer Kaufmann oder Gewerbetreibender im Sinne des Handelsgesetzbuches ist, kann hingegen keinen freien Beruf ausüben. Ebenfalls von der Ausübung eines freien Berufes ausgenommen sind Arbeitnehmer. Wer sich vertraglich zu einer weisungsgebundenen und fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet, gilt nach der gesetzgeberischen Definition als Arbeitnehmer. Sowohl freie Mitarbeiter als auch Arbeitnehmer verrichten ihre Tätigkeiten in aller Regel im Rahmen von Dienstverträgen. Sie verpflichten sich also gleichermaßen gegenüber ihren Vertragspartnern zur Leistung der versprochenen Dienste, ohne dabei einen konkreten Erfolg zu schulden.
Bei der Einordnung von Dienstverhältnissen entweder als freiberufliche Tätigkeiten oder aber als abhängige und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse handelt es sich um einen juristischen „Dauerbrenner“. Denn der Gesetzgeber hat nur die oben dargestellten Vorgaben gemacht. Gerichte verschiedener Gerichtsbarkeiten (Straf-, Arbeits- und Sozialgerichte) beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit zahlreichen Verfahren. In der Rechtsprechung wird das „Gesamtbild“ der vertraglichen Beziehung betrachtet. Dabei haben sich – gerichtsübergreifend – die im Folgenden grob skizzierten Abgrenzungskriterien herausgebildet: Wenn ein (vermeintlicher) Freiberufler nur einen einzigen Auftraggeber hat, kann darin ein starkes Indiz für eine „Abhängigkeit“ und damit für eine Arbeitnehmereigenschaft liegen. Konkrete und direkte Weisungen des Auftraggebers, feste Arbeitszeiten, ein Arbeitsplatz im Unternehmen, die Zahlung fester und gleichbleibender Honorare sowie die Einbindung in betriebliche Abläufe sprechen für einen Arbeitnehmerstatus. So ist es im Einzelfall für die Gerichte durchaus schon von Relevanz gewesen, ob ein freiberuflich Beschäftigter bei einer Sportveranstaltung – wie auch die Arbeitnehmer des Unternehmens – ein T-Shirt mit Firmenaufdruck trug, da dies auf eine Scheinselbstständigkeit hindeuten kann. Gleiches gilt für eine eigene E-Mail-Adresse des freien Mitarbeiters mit Bezug zum Unternehmen des Auftraggebers.
Eine Abgrenzung nach den genannten Kriterien in der Praxis enthält – selbstredend – erhebliche Wertungsspielräume, weshalb für den Auftraggeber von Freiberuflern Rechtsunsicherheiten entstehen können. Auf die Bezeichnung eines Vertrages und den Willen der Vertragsparteien kommt es dabei im Übrigen nicht an. Für die Gerichte ist allein von Bedeutung, wie das Vertragsverhältnis tatsächlich ausgeführt wird.
Rechtsfolgen einer Scheinselbstständigkeit
Wenn ein Freiberufler nachträglich gerichtlich als Arbeitnehmer qualifiziert wird, hat dies weitreichende Konsequenzen. Sozialabgaben sind rückwirkend zu entrichten und Honorarzahlungen können unter Umständen teilweise zurückgefordert werden, da freie Mitarbeiter in der Regel höhere Honorare erzielen als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Zudem kann der vermeintliche Freiberufler eine Weiterbeschäftigung als Arbeitnehmer fordern und genießt möglicherweise sogar Kündigungsschutz.
Der Bundesgerichtshof hat erst mit einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2023 bestätigt, dass ein Arbeitgeber durch die Beschäftigung von Scheinselbstständigen den Straftatbestand des „Vorenthaltens von Arbeitsentgelt“ aus § 266a StGB verwirklichen kann.
Vermeidungsstrategien
Bei der tatsächlichen Durchführung der Vertragsverhältnisse mit freien Mitarbeitern sollte vermieden werden, dass durch eine Einbindung in die betrieblichen Abläufe und konkrete Vorgaben zur Tätigkeit Indizien für eine Arbeitnehmereigenschaft geschaffen werden. Auf vertraglicher Ebene können Unternehmer, die Freiberufler beschäftigen, Schutzmechanismen implementieren – etwa durch die Vereinbarung bestimmter Verpflichtungen des freien Mitarbeiters.
Sofern freie Mitarbeiter ihre Tätigkeiten über eine zu diesem Zwecke gegründete Ein-Personen-Kapitalgesellschaft erbringen, ist dadurch nach jüngster Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Sozialversicherungspflicht für Auftraggeber nicht ausgeschlossen. Die Gründung einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft ist daher zur Vermeidung einer Scheinselbstständigkeit ungeeignet.
In Zweifelsfällen können sogenannte
Clearingstellen der Rentenversicherung angefragt werden – eine gerichtliche Feststellung ist damit aber noch nicht vorweggenommen.
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