Mein Huhn, das unbekannte Wesen . . .

Schutz im Freiland: Unter den Pappeln können die Hennen in Deckung gehen – vor Greifvögeln und vor direkter Sonneneinstrahlung. Sie mögen kein Licht. Foto: B&P

B&P VOR ORT „Eggsperten“-Wissen rund ums Ei: Tom Metzger, Betriebsleiter bei „Schönecke seit 1914“, ist für das Wohl von 53 000 Legehennen verantwortlich

So einen Mitarbeiter muss man erstmal finden: Tom Metzger, 26 Jahre jung, aber schon 20 Jahre Berufserfahrung. Er sagt: „Ich hatte meine ersten Hühner mit fünf Jahren – fünf Stück. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema.“ Kurz: Tom Metzger ist von Haus aus „Eggsperte“ und arbeitet als Betriebsleiter Legehennen bei Schönecke in Elstorf. Damit ist er verantwortlich für das Wohl von 53 000 Legehennen, die – aufgeteilt in vier Herden – indoor im Fliegenmoor sowie outdoor in Ardestorf täglich für den Nachschub im Lebensmittelhandel und auf ausgesuchten Wochenmärkten sorgen. Im B&P-Gespräch erläutert er, worauf es bei der professionellen Hühnerhaltung ankommt und was es mit braunen und weißen Eiern auf sich hat. Unter welcher Schale steckt das bessere Ei? Tom Metzger kennt die Antwort.

Wer heute besonders tierlieb einkauft, der setzt ganz selbstverständlich auf Eier aus Freilandhaltung. Das Unternehmen Schönecke war 1998 der Pionier der Freilandhaltung im Elbe-Weser-Bereich und sagte „Wir lassen die Hühner laufen“. Frage an den Eggsperten: Wollen die das überhaupt? Dazu sagt Tom Metzger: „Das ist sehr unterschiedlich zu bewerten. Zum einen sind Hühner sehr lichtempfindlich. Helligkeit mögen sie nicht, Sonne ist unangenehm für das Auge. Wenn sie sich nicht wohlfühlen, wirkt sich das negativ auf das Legeverhalten aus. Tatsächlich zieht es manche Legehenne vor, auf den Ausflug ins Freiland zu verzichten, und bleibt lieber im Stall. Das ist ja auch ein Sicherheitsthema. Andere gehen dagegen raus und rennen sofort in die schützende Deckung. Dafür haben wir schnellwachsende Pappelstecklinge gesetzt, die eine Art Gebüsch bilden. Dort im Schatten fühlen sich die Tiere sicherer.“

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Dieses Verhalten ist instinktiv und hat seinen Ursprung im Bankivahuhn, wie Tom Metzger erzählt.

Schlag nach bei Wikipedia: Das Bankivahuhn (Gallus gallus) ist eine Hühnervogelart aus der Familie der Fasanenartigen (Phasianidae). Es ist die wildlebende Stammform des Haushuhns. Das Bankivahuhn ist in Süd- und Südostasien beheimatet. Die Verbreitung reicht über große Teile Indiens nach Südchina und bis über den Malaiischen Archipel.

Braun oder Weiß?

Wer nun erschrocken feststellt, dass selbst die Hühner aus China kommen, dem sei gesagt: Die deutschen Legehennen haben dort zwar ihren Ursprung, sind aber durch ständige Züchtungen weiterentwickelt und auf ihren Job vorbereitet worden. Geblieben ist der Hang, sich im Halbdunkel des Unterholzes zu verstecken. Oder gleich in Sicherheit zu bleiben. Tom Metzger: „Manche Henne entfernt sich nicht weiter als fünf Meter vom Stall oder vom schützenden Gebüsch.“

In der Natur legen Hühner pro Jahr etwa 20 Eier. Legehennen, die ja nie ein Gelege zusammenbekommen, kommen dagegen auf 300 (Braunleger) bis etwa 320 (Weißleger). Das bedeutet: Hennen, die weiße Eier legen, sind produktiver, sprich wirtschaftlicher, als diejenigen, die braune Eier legen. Doch welche Eier sind die besseren?

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Tom Metzger hat die Antwort parat: „Um diese Fragen ranken sich allerlei Mythen. Tatsächlich ist der Inhalt absolut identisch. Weiß oder braun – das macht keinen Unterschied. Und auch die braune Schale ist nicht etwa brüchiger als die weiße, wie mancher Kunde festzustellen meint.“ Das braune Ei transportiert trotzdem irgendwie die versteckte Botschaft einer naturnahen Haltungsform, was möglicherweise daran liegt, dass Discount-Eier in der Regel weiß sind. Also gilt auch: Je brauner desto besser? Eggsperte Tom Metzger überrascht ein weiteres Mal: „Über Lichtempfindlichkeit haben wir ja schon gesprochen. Tatsächlich kommt das dunkelbraune Ei von der Henne, die den Freilaufstall nicht verlässt und lieber im Halbdunkel bleibt, während unsere Outdoor-Hennen hellbraune Eier legen. Möglicherweise wirkt sich das Tageslicht auf die Pigmentierung der Schale aus.“ Alle Eier made by Schönecke werden übrigens durchleuchtet und auf Qualität untersucht (Voraus
setzung für Handelsklasse A). Der Ausschuss beträgt etwa drei Prozent und geht zur Weiterverarbeitung an die Industrie. Weiße Eier lassen sich besser durchleuchten.

Tom Metzger hatte bereits Hühner, bevor er zur Schule kam. Erst ein kleiner Trupp von fünf Tieren, später 50, wie er erzählt. Doch was macht man mit täglich 40 bis 50 Eiern? Verkaufen! Er packte die zerbrechliche Ware aufs Fahrrad und gründete einen rollenden Eier-Shop in Dammhausen/Landkreis Stade. Dort haben seine Eltern im Nebenerwerb einen Bauernhof. Tom Metzger machte später folgerichtig eine landwirtschaftliche Ausbildung, sein Fach-Abitur und schloss sein Landwirtschaftsstudium mit dem Bachelor of Science ab. Als dann bei Schönecke ein „Hühnerflüsterer“ als Elternzeitvertreter gesucht wurde, schlug seine Stunde.

Seit Juni 2021 hat der 26-Jährige die komplette Betreuung der Herden übernommen. Er weiß, wie es den Hennen gesundheitlich geht. Er kennt ihre Legeleistung. Er dokumentiert, kontrolliert und „flüstert“ den Hennen ins Ohr, wenn sich beispielsweise mal ein renitenter Club häuslich im Wintergarten eingerichtet hat – und niemand weiß warum. Ruth Staudenmayer, Geschäftsführerin bei Schönecke, ist jedes Mal fasziniert: „Wenn Tom den Stall betritt, weiß er sofort, was los ist. Er macht den Soundcheck und stellt am Geruch fest, wenn sich etwas in der Herde tut.“ Tom Metzger: „Zum Beispiel, wenn die Luft staubiger als sonst ist.“ Seine Chefin weiter: „Für Tierhaltung verantwortlich zu sein, heißt: 24/7.“

Zum Glück ist nicht ständig Alarm. Regulär beginnt der Job des Betriebsleiters und seines Teams um 6 Uhr in der Früh. Tom Metzger: „Dann ist Legezeit – so etwa bis 10 Uhr. Danach haben die Hennen ihren Job erledigt und dürfen raus.“ Zu fressen gibt es eine Futtermischung (Weizen, Sojaextraktionsschrot, Sonnenblumenschrot, Mais und Muschelkalk) in Mehlform. Das muss der Eggsperte erklären: „Ein Huhn macht am Tag etwa 12 000 bis 15 000 Pickschläge. Also muss man ihm durch eine aufwändige Futteraufnahme dazu Gelegenheit geben. Sonst nimmt das Huhn seine Nachbarhenne ins Visier und womöglich auseinander.“

15 000 Pickschläge pro Tag

Während die Hühner unterwegs sind, sammeln die drei Mitarbeiter von Tom Metzger die Eier ein, die nicht über die schrägen Nester aufs „Eierband“ gerollt sind. Etwa ein bis zwei Prozent liegen irgendwo im Stall, manchmal sogar im Futtertrog. Noch ein Wort zum Thema Größe: Junghennen legen die Größe S (bis 53 Gramm), später folgen die Größen M (53 bis 63 Gramm) und L (63 bis 73 Gramm). Wichtig: Die Dotter sind immer nahezu gleichgroß. Und die Masse des Kalziums für die Schale ist immer dieselbe. Deshalb sind große Eier dünnhäutiger als kleine. Die Größe XL ist eher selten – und: Große Eier mit zwei Dottern kommen insbesondere bei Junghennen vor. Tom Metzger: „Was bei der Größe eigentlich unglaublich ist . . .“ Und noch ein interessantes Detail. Hennen, die kleine Eier legen, haben eine höhere Lebensleistung (Stückzahl). Tom Metzger: „Eine Legehenne kann nur eine begrenzte Ei-Masse in ihrem Leben produzieren. Die liegt bei 22 bis 25 Kilogramm.“

Die Zukunft, da ist sich der Betriebsleiter sicher, liegt tendenziell beim weißen Ei. Die Weißleger sind nachhaltiger, legefreudiger, robuster und brauchen weniger Futter. 2000 Tonnen einer speziellen Legehennen-Futtermischung verfüttert das Unternehmen Schönecke pro Jahr. Und bei diesem Thema räumt Tom Metzger noch mit einem weiteren Mythos auf: „Wenn Eier früher einen Fischgeschmack hatten, dann lag das nicht daran, dass die Hennen mit Fischmehl gefüttert wurden, sondern an einem Gendefekt. Das ist allerdings lange her. Der Gendefekt wurde längst herausgezüchtet.“ wb

>> Web: www.schoenecke.de