B&P-GESPRÄCH AGA-Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch zum Thema Mobilität – Warum nicht aus 40-Tonnern 44-Tonner machen?
Eine kurze Rückblende auf den März 2021: Deutschland im Lockdown – die Autobahnen leergefegt. Das hatte es zuletzt an den autofreien Sonntagen in den 70er-Jahren gegeben. Wer sich heute auf A1, A7 und Co. umschaut, bekommt den Eindruck, dass es wieder rappelvoll ist und immer mehr Lkw unterwegs sind. Und das wird offenbar auch so bleiben, wie Volker Tschirch, Hauptgeschäftsführer des AGA Unternehmensverbandes, mit Blick auf die Prognosen sagt. Im Gespräch mit B&P fordert er nicht nur den 44-Tonner, sondern äußert sich auch zu zwei anderen Mobilitätsthemen: Deutschlandticket und Parkraumsituation in Hamburg.
Tunnel für den Köhlbrand!
Wenn von Modal Split gesprochen wird, geht es um die Aufteilung des Verkehrs auf verschiedene Transportsysteme – in der Regel Straße, Schiene, Schiff, manchmal auch Flugzeug. Aktuell geht das Bundesministerium für Digitales und Verkehr davon an, dass sich die Anteile der Verkehrsmittel so verteilen werden: Lkw 77,5 Prozent, Schiene 17,3 Prozent, Schiff 5,2 Prozent. Und zwar prognostiziert für das Jahr 2051! Volker Tschirch: „Das zeigt uns: Ohne Lkw-Verkehr wird es auf absehbare Zeit nicht gehen. Für uns als Verband ist das ein Schwerpunktthema, denn jeden zweiten Lastwagen bewegen oder beauftragen wir im Groß- und Außenhandel. Deshalb setzt sich der AGA dafür ein, die entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Konkret vor der eigenen Haustür: die A26 Ost und den Ersatzbau für die Köhlbrandbrücke, deren Lebensdauer 2036 endet. Das klingt zwar noch sehr weit weg, aber aus planungsrechtlicher Sicht ist das morgen.“ Die Entscheidung über einen Brückenneubau oder einen Tunnel müsse jetzt fallen. Der AGA präferiert klar die Tunnellösung.
Zum Thema Klimaschutz positioniert sich der AGA dennoch sehr deutlich. Und spricht sich für die Anhebung des zulässigen Gesamtgewichts für Lkw von 40 auf 44 Tonnen sowie den Einsatz von Lang-Lkw aus. Tschirch: „Die Zulassung von 44-Tonnern würde dazu führen, dass mittelfristig jeder siebte Transport entfällt. Das entlastet die Straßen und spart CO2 ein. Beim Lang-Lkw ist es ähnlich: Zwei Fahrzeuge können drei konventionelle Lkw-Einheiten ersetzen.“ Der Vorschlag würde gleich mehreren Problemfeldern entgegenwirken: Fahrermangel, Feinstaubausstoß, Auslastung der Autobahnen, Verkehrsbelastung in den Ballungsräumen. Der AGA kritisiert, dass der Vorschlag seit Jahren vom Bundesumweltministerium blockiert wird.
Auch die A26 Ost als Querverbindung zwischen A1 und A7 dient laut Tschirch der Entlastung, weil dort der Hafenverkehr gebündelt werden könnte. Er sagt: „Das spricht nicht gegen die Mobilitätswende. Die Entlastungseffekte für die Köhlbrandbrücke, die B73 und den Harburger Binnenhafen sind bedeutend. Es geht nicht an, die A26 Ost infrage zu stellen, nur weil man ideologisch etwas dagegen hat.“ Die Wirtschaft brauche pragmatische Lösungen, da die Transportwege die Lebensadern der Gesellschaft seien.
Die Schiene im Aufwind
Nachdem das Neun-Euro-Ticket im vorigen Jahr dafür sorgte, das auch Sylt endlich mal auf Tuchfühlung mit echten Punks gehen konnte, hat die Politik nun mit dem Deutschlandticket (49 Euro) nachgelegt und damit einen Run auf den Öffentlichen Personennahverkehr (überwiegend Busse und Züge) ausgelöst. Seit 15 Jahren ist die AGA Service GmbH Partner des hvv und vertrieb bislang das ProfiTicket, das Unternehmen ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen konnten. Aus dem ProfiTicket ist nun das JobTicket geworden – auch hier steht der Preis von 49 Euro am Anfang der Berechnung. Das JobTicket gibt es, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern 25 Prozent der Kosten (12,25 Euro) als Zuschuss beisteuern – ein besonderer Anreiz, der zudem noch mit einem weiteren Rabatt vom Staat in Höhe von 2,45 Euro belohnt wird. Volker Tschirch: „Für 34,30 Euro können Beschäftigte dann deutschlandweit den Regional- und Nahverkehr nutzen. Das ist unschlagbar günstig.“
Nach einer Vorverkaufsphase startete der Ticketverkauf offiziell am 1. Mai. Schon jetzt sind die Zahlen sprunghaft angestiegen. Laut Tschirch kommen täglich zehn neue Unternehmen über den AGA hinzu, die das JobTicket für ihre Mitarbeiter beantragen: „Die Akzeptanz dieses Angebots ist sensationell nach oben geschnellt.“ Das sich die verschiedenen Verkehrsverbünde in den Ländern nicht auf ein einheitliches Leistungsspektrum geeinigt haben, hält der AGA-Hauptgeschäftsführer zwar für suboptimal, aber er sieht noch einen anderen Aspekt: „Das Hamburger JobTicket, das wir in Kooperation mit dem hvv anbieten, kann jeder in Deutschland kaufen und bundesweit nutzen – so hat er dann ein Stück Hamburg im Wallet.“ Also sozusagen in der digitalen Geldbörse auf dem Smartphone.
Parken nur für Anwohner?
Das JobTicket ist aus Sicht des AGA ein geradezu euphorisches Thema – allerdings nur für die Metropolregionen und größeren Städte. Volker Tschirch spricht sich deutlich gegen das Auto-Bashing aus, das im Zuge der Mobilitätswende-Debatten immer wieder aufblitzt. Er sagt: „Gerade im ländlichen Raum ist das Auto unerlässlich, da der ÖPNV hier häufig nur schwach entwickelt ist. Mancherorts beschränkt er sich auf Mitfahren im Schulbus. Wer dort lebt, ist auf das Auto angewiesen und muss dann auch mit dem Auto seinen Arbeitsplatz beispielsweise in Hamburg erreichen können.“ Doch wo soll das Auto parken? Tschirch: „Seit 2020 hat Hamburg 40 neue Anwohner-Parkzonen ausgewiesen – die Zahl stieg damit auf insgesamt 62. Das ist nicht nur ein Thema für Pendler, die nun sehen können, wo ihr Auto bleibt, sondern auch für das Handwerk, das keinen Platz findet, um Aufträge in Wohngebieten zu erledigen. Wir sind gegen jede Form der Übertreibung. Unsere Devise: Lasst uns die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen.“ Immerhin habe nun mit Senatsbeteiligung erstmals ein Runder Tisch zum Anwohnerparken stattgefunden – man sei im Gespräch. b
>> Web: www.aga.de