„Diese Brücken sind alle kaputt“

Franziska Wedemann (links) nutzte die Podiumsdiskussion, um im Sinne der Wirtschaft den dringend benötigten Bau der A26-Ost einzufordern. Der sei nötig für mehr Lebensqualität im Süden. Nur so sei ein Rückbau der Bundesstraße 73 möglich, was Verkehrssenator Anjes Tjarks (Mitte) sofort positiv kommentierte. Aus seiner Sicht sind aber die Bahnbrücken über die Elbe der wichtigste Punkt. Und: „Wenn wir klimaneutral werden wollen, müssen die Verbrennungsmotoren aus allen Autos raus.“ Auf dem Podium (von links): Wedemann, Studentin Anna Krüger, Tjarks, Antonia Marmon (Harburg Marketing) und Prof. Dr. Carsten Gertz (TUHH-Institut Verkehrsplanung und Logistik). Die Fragen stellte seine Kollegin Dr. Philine Gaffron. Foto: Wolfgang Becker

„Mobilitätswende“ in Hamburg: Verkehrssenator Anjes Tjarks referiert in Harburg über marode Bauwerke, die Sanierung der S3-Strecke und autonome HVV-Shuttle-Fahrzeuge.

Den Mann kann man ja direkt wählen . . .“ Dieser ungewöhnliche Kommentar eines Beobachers (eher dem konservativen Lager zuzuordnen), der Hamburgs Verkehrssenator im Audimax II der TUHH zugehört hatte, ist ziemlich deutlich: Der Grüne Anjes Tjarks hat es geschafft, die Ziele und Herausforderungen der „Mobilitätswende“ aus Hamburger Sicht verständlich zu machen. Zu diesem Thema hatten die Technische Universität, Harburg Marketing e.V. und der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden in den Hörsaal eingeladen. Letzterer wurde vertreten durch die Vorsitzende Franziska Wedemann, die Ende des vorigen Jahres auf dem Wirtschaftsabend kräftig gegen Tjarks ausgeteilt hatte. So betrachtet, kam jetzt die Antwort aus dem Norden Hamburgs. Und die hatte es in sich.

Seit 2020 ist Anjes Tjarks für das Thema Verkehr im Hamburger Senat verantwortlich. Mit dem Umbau der Hansestadt zur Fahrradmetropole hat er sich den Ruf des „Verkehrswende-Senators“ erarbeitet, allerdings schwingt bei den Velo-Routen und den teils unübersichtlichen und dadurch gefährlichen Verkehrsführungen insbesondere in der City nicht nur Beifall mit. Zitat von Franziska Wedemann (nachzulesen in der Dezember-Ausgabe von B&P): „Hamburg treibt die Autos aus der Stadt, baut Fahrrad-Highways im großen Stil und verzichtet auf eine Zusammenarbeit mit den Nachbarn. Es wird alles versucht, den Menschen den Individualverkehr zu verleiden . . .“

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Nun also die Antwort auf die vielen Fragen aus dem Hamburger Süden – wobei das Fahrrad­thema kaum eine große Rolle spielte. Tjarks machte deutlich, wo die eigentlichen Probleme liegen. Natürlich ist dabei auch das Ziel der Klimaneutralität ein Thema, aber mit Blick auf die Elbbrücken im Zuge der A1 und der A7 sowie die Eisenbahnbrücken stellte Tjarks klar: „Die haben etwas gemeinsam: Sie sind alle kaputt.“ Was, wie täglich zu beobachten, auch für die längste Autobahnbrücke Deutschlands gilt: die aufgestelzte A7 zwischen Abfahrt Heimfeld und Elbtunnel. Hier wird seit Jahren im laufenden Betrieb saniert. 2026/2027 sollen die Arbeiten laut Tjarks abgeschlossen sein.

Das aber ändert nichts daran, dass die klassischen Elbquerungen (den Tunnel mal ausgenommen) allesamt marode sind. Die alten Elbbrücken mit den geschwungenen Bögen, die manche Postkarte zierten, sind fast 100 Jahre alt. Wesentlich jünger, aber dennoch am Ende der Lebenszeit angekommen: die Köhlbrandbrücke, die nach gegenwärtigem Stand gegen einen Tunnel ausgetauscht werden soll. „Die ist für den Hafen wichtig, aber für den Transit- und Pendlerverkehr in Hamburg nicht von so großer Bedeutung“, so Tjarks. Er kündigte an, dass die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte im Zeichen einer umfassenden Brückensanierung stehen, wobei das nur bedingt ein Hamburger Thema ist – vielfach sind der Bund und die Bahn in der Pflicht, was die Sache nicht einfacher macht. Tjarks mit ernster Miene: „Wir haben in Deutschland ein richtiges Brückenbauthema.“

Wir haben zu wenig Gleise . . .

Allerdings birgt der Sanierungsstau auch Chancen. So verhandelt die Verkehrsbehörde mit der Bahn darüber, ein viertes Gleis über die Norderelbe zu legen. Diese Idee hatte Tjarks bereits 2021 vorgestellt (Link siehe unten). Er sagt: „Wir bräuchten doppelt soviele Metronom-Züge, haben aber zu wenig Gleise.“ Um das zu lösen, müssten zwei neue Gleise zwischen Harburg und Hamburg-Hauptbahnhof gebaut werden. Darüber nachgedacht wird, aber: „Wir sind da am Anfang“, so der Senator, der hier vor allem Versäumnisse bei der Bahn sieht: „Seit 25 Jahren gibt es keine positive Idee zur Entwicklung des Schienennetzes. Die Strecken sind überaltern, es gibt zu wenige und viele Gleise wurden zurückgebaut.“ Mit Blick auf die U4-Visionen und die überlastete S3-Strecke im Hamburger Süden kündigte Tjarks an, die Kapazitäten ausbauen zu wollen. Obwohl die Bahn zuständig ist (die S-Bahn gehört zur Infrastruktur des Bundes), habe Hamburg 92 Millionen Euro als Ko-Finanzierung bereitgestellt, um die S-Bahn-Strecke im Süden zu ertüchtigen. Ziel sei ein schnellerer Rhythmus, der sich mit einem dritten Zug realisieren lasse, der zusätzlich 9000 Passagiere pro Stunde befördern könne. Aber: „Drei Züge auf der Strecke funktioniert nicht, da die Energieversorgung darauf nicht ausgelegt ist – es sei denn, die sollen nur Tempo 30 fahren. Das heißt: Wir müssen die E-Versorgung nach Harburg und darüber hinaus erneuern, zum Teil neue Weichen einbauen und die Signale erneuern.“ Ein Vorhaben, das einige 100 Millionen Euro kosten werde. Tjarks: „Wir reden zu viel über Planungen und zu wenig über die Umsetzung.“

Neue S3-Züge schon bestellt

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Immerhin stehen die ersten Maßnahmen der Süd-Ertüchtigung jetzt vor der Ausschreibungsphase. Sogar die Züge seien bestellt, so der Senator. Er rechnet damit, dass die Strecke in der zweiten Hälfte der 20er-Jahre fertig wird: „Dieses Projekt hat höchste Priorität, denn die S3- ist die meistgenutzte S-Bahnlinie in Hamburg.“ In der weiteren Perspektive sieht er die Erweiterung der U4 über den Grasbrook bis nach Harburg. Auch eine Westquerung im Schienenverkehr sei im Gespräch, also ein zweiter Elbtunnel. Aber: „Wenn wir Probleme lösen wollen, steht immer die Verbesserung der vorhandenen Strecken an erster Stelle – jeder Neubau dauert viel länger.“ Sein Versprechen: Bis 2030 fahren 30 Prozent mehr Züge in Hamburg. Das allgemeine Ziel: Bis 2030 soll jeder Hamburger binnen fünf Minuten Zugriff auf eine Beförderungsmöglichkeit im ÖPNV haben. Dabei helfen sollen 10 000 autonome Fahrzeuge (HVV Hop). Das neue Angebot wird derzeit im Bezirk Harburg ausgerollt. Mit den ersten autonomen Shuttle-Fahrzeugen rechnet Tjarks noch in dieser Legislatuperiode.

>> Web: https://www.business-people-
magazin.de/2021/01-oktober-2021-
metropolregion-hamburg/so-koennte-
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ist-ideologiegetrieben-%ef%bf%bc-32443/