Norbert Reichentrog sowie Erik und Frank Grundmann über die neue Situation am Immobilienmarkt.
Sie kommen aus unterschiedlichen Richtungen, aber trotzdem zum selben Ergebnis: Der Immobilienmarkt ist in eine Konsolidierungsphase eingetreten – mit Auswirkungen in allen Bereichen. Norbert Reichentrog, Inhaber der Immobilienkanzlei Reichentrog & Kollegen, sowie Frank und Erik Grundmann von der auf Hausverwaltung spezialisierten Grundmann Immobilien GmbH registrieren starke Veränderungen auf einem Markt, der mehr als zehn Jahre lang nur eine Richtung kannte: nach oben. Nachdem die Zinsen zurückgekehrt, die Baupreise durch die Decke gegangen, die Energiepreise explodiert sind und sich für viele potenzielle Bauherren der Traum vom Eigenheim in Luft aufgelöst hat, werden die Karten neu gemischt. Was das bedeutet, darüber sprachen die Harburger Immobilien-Profis mit B&P.
Immobilienberater Norbert Reichentrog: „Dass sich die zurückliegende, sonnige Stimmung im Immobilienmarkt verändert, merkt man sogar daran, wie Schulungsangebote für angehende Immobilienmakler angenommen werden – die Nachfrage ist total eingebrochen.“ Ähnliches berichtet Erik Grundmann, der im Prüfungsausschuss der IHK Lüneburg/Wolfsburg sowie Stade die Zertifizierung zum „Immobilienverwalter“ begleitet: „Da saßen aus dem großen Einzugsgebiet beider Kammerbereiche gerademal drei Prüflinge. Genau genommen waren dort mehr Prüfer als Prüflinge.“
Der Nachwuchs fehlt
Diese Indizien weisen darauf hin, dass sich auch im Bereich der Immobilienverwaltungen, zu denen Grundmann zählt, einiges im Umbruch ist. Frank Grundmann: „Die Player werden immer größer, weil viele kleine Verwaltungen aufgeben. Ein Grund ist der fehlende Nachwuchs, denn in unserem Job heißt es eben auch, abends Eigentümerversammlungen durchzuführen. Aber wer will das heute noch?“ Zudem hätten es Immobilienverwaltungen immer schwerer, Partnerbetriebe aus dem Handwerk zu finden, die einen Notdienst anbieten. Der Senior: „Da heißt es dann ‚Notdienst ja, aber nur bis 20 Uhr‘ – sonst laufen den Handwerkern die Mitarbeiter weg. Das verstehe ich ja auch durchaus, aber es gibt eben auch die andere Seite: Viele Heizungsanlagen laufen seit vielen Jahren – das bedeutet: sie sind am Limit. Es kommt also verstärkt zu Ausfällen.“ Seine Lösung: „Im Grunde müssen wir dahin kommen, dass Heizungsanlagen generell nach 20 Jahren ausgetauscht werden müssen.“
Das ist leichter gesagt als getan, denn bereits heute gibt es im Zuge der politischen Überlegungen, ab 2024 nur noch Heizungsanlagen zuzulassen, die zu 65 Prozent mit regenerativer Energie gefahren werden können, ellenlange Wartezeiten – beispielsweise bei leistungsfähigen Wärmepumpen. Für Frank Grundmann ist das Thema zwiespältig: „Der Austausch von Gasheizungen gegen elektrisch betriebene Wärmepumpen ist vielfach gar nicht möglich, weil die Kapazitäten des Stromnetzes nicht ausreichen. Außerdem eignet sich die Wärmepumpe nicht dazu, alte Häuser mit alten Heizungssystemen zu versorgen. Das funktioniert nur, wenn eine Fußbodenheizung vorhanden ist.“
Norbert Reichentrog, Bank- und Immobilienkaufmann sowie Dekra-zertifizierter Immobilienbewerter, macht noch ein ganz anderes Fass auf: „Wir stellen uns mal Folgendes vor: Bei Tante Erna (75) verabschiedet sich in den nächsten Jahren, nach 2024/2025, ihre alte Ölheizung – Totalschaden. Eine neue Heizung muss her. Gas und Öl sind verboten, also eine Wärmepumpe. Die kostet nach heutigen Werten etwa 25 000 Euro, die Tante Erna aber nicht hat. Von der Bank wird Sie wahrscheinlich kein Darlehen bekommen, da Sie schon 75 Jahre alt ist. Was soll Tante Erna nun tun?“
Problemfall Alt-Immobilie
Seine Schlussfolgerung: „Bei alten Häusern wird die Situation jetzt immer schwieriger. Wer verkaufen will, muss bedenken, dass der Käufer früher oder später in das alte Haus viel Geld in die Heizung, Dämmung, Fenster, Türen und so weiter investieren muss. In der Folge sind die Verkaufspreise für Alt-Immobilien stark rückläufig. Schon jetzt verspürt der Markt einen deutlichen Rückgang. Sein Tipp an alle, die jetzt um ihre Altersvorsorge bangen: „Lassen Sie sich beraten, um nicht von hohen Investitionssummen überrascht zu werden.“
Richtig Drive bekam dieser Ansatz kurz vor Redaktionsschluss: Das EU-Parlament hat eine Sanierungspflicht für Altimmobilien beschlossen. EU-weit sind vermutlich rund 35 Millionen Gebäude betroffen. Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral aufzustellen. Nach ersten Schätzungen der KfW-Förderbank könnte das allein die deutschen Hauseigentümer 245 Milliarden Euro kosten, wie der „Spiegel“ berichtet. Allerdings sollen auch umfangreiche Förderpakete aufgelegt werden.
Während der Markt für ältere Ein- und Zweifamilienhäuser stottert, Norbert Reichentrog spricht von einer nachhaltigen Situation, sind ältere Mehrfamilienhäuser in guten Lagen mit eventuell staatlich geförderten Investitionsmöglichkeiten wieder im Trend, wie die drei Harburger Immobilienfachleute sagen. Die Leute müssten ja schließlich irgendwo wohnen. Und wer nun nicht mehr bauen könne, der halte Ausschau nach einer Mietwohnung. Frank Grundmann: „Mancher hat den Pfiff noch nicht gehört. Der Markt dreht sich völlig.“ Und Norbert Reichentrog: „Wenn die Preisvorstellungen der Eigentümer auf die Marktrealität treffen, dann prallen heute Welten aufeinander. Deshalb ist eine seriöse Bewertung wichtig. Insbesondere die Generation Ü60 sollte sich beraten lassen, denn es stellt sich ja auch die Frage, wo der Verkäufer denn wohnen soll, wenn er tatsächlich verkauft hat. Bei Kaltmieten von 16 Euro/Quadratmeter ist das nicht so einfach zu beantworten.“ Frank Grundmann sieht die Entwicklung mit Sorge: „Der Staat hätte viel früher umsteuern müssen. Jetzt ist nichts mehr wie es war.“ wb
o Mehr über die Harburger Immobilien-Profis unter diesem Link: https://www.business-people-magazin.de/immobilien-special/immobilienprofi-trifft-verwaltungsprofi-31976/