„Hamburgs Verkehrswende ist ideologiegetrieben“

Franziska Wedemann ist Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburg Süden. Wenn es um die Verkehrssituation im Großraum Hamburg geht, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Foto: Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden/Christian Bittcher

FRANZISKA WEDEMANN Die Vorsitzende des Wirtschaftsvereins bearbeitet das Thema Mobilität.

Beim Thema Mobilität hört der Spaß auf. Das gilt nicht nur für zig Tausende Pendler aus dem Süden, die sich werktags über die Elbe nach Hamburg quälen, das gilt auch für die Wirtschaft im Allgemeinen und die Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden im Besonderen: Franziska Wedemann kümmert sich zwar intensiv um den ganzen Verein, hat aber ein besonderes Auge auf Mobilität. Und eine klare Meinung: „Mobilität darf kein ideologisches Thema sein. Statt weitgehend ungenutzte Fahrradautobahnen zu bauen, sollten vielleicht erstmal die Nadelöhre aus dem Weg geräumt und die Infrastruktur ausgebaut werden.“

Es klingt fast ein wenig fatalistisch, wenn Franziska Wedemann sagt: „Letztlich ist Mobilität ein Dauerthema – seit es den Fluss gibt.“ Gemeint ist die Elbe, die Hamburg und Harburg trennt. „Hamburg liegt nur deshalb an dieser Stelle, weil es dort damals eine Furt gab.“ Also vor gut 1200 Jahren. „Und damit fingen die Mobilitätsprobleme an. Man stelle sich vor, Hamburg und der Süden würden heute noch über Fähren verbunden sein. Aber im Ernst: Da mussten damals erst die Franzosen kommen und uns zeigen, wie man eine Brücke baut.“

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Das Nadelöhr Elbquerung

So viel zum Grund-Frust all jener, die nicht verstehen, warum es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen ist, die Elbquerung auf sichere Füße zu stellen. Franziska Wedemann: „Das Thema kann man keinem heutigen Senator vorhalten, denn es ist mindestens 30 Jahre alt. Dabei leben wir als Deutsche im Zentrum Europas und sehen die ganze Zeit zu, wie sich der Verkehr von Süden nach Norden durch den Tunnel und über die Elbbrücken quält – und nichts ist passiert. Das ist ein Thema auf Landes-, aber ebenso auf Bundesebene. Und ein Thema, das den Wirtschaftsverkehr eklatant betrifft. Deshalb kümmern wir uns als Wirtschaftsverein darum und werden nicht müde, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen.“

Die Nadelöhr-Situation sei umso bedenklicher als sich das Verhalten der Menschen einschneidend verändert habe: „Die Zahl der Pendler ist in dem Zeitraum rasant gestiegen. Das Freizeitverhalten der Menschen hat sich verändert. Und das Arbeitsverhalten ebenfalls. Wir sind viel mobiler geworden“, erläutert Franziska Wedemann. Es sei zugestandenermaßen schwieriger geworden, Mobilität in der Metropolregion zu organisieren.

Die Vereinsvorsitzende weiter: „Ich habe mich deshalb gefragt, auf welcher Basis in Hamburg Verkehrsplanung betrieben wird. Welche Prognosen gibt es? Wie viele Fahrradfahrer haben wir wirklich? Wer ist als Pendler realistisch gewillt, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren? Und wie viele Menschen leben eigentlich innerhalb der magischen Elf-Kilometer-Grenze, vor der immer gesprochen wird, weil das die maximale Distanz zwischen Arbeits- und Wohnort sein soll, innerhalb derer jemand schweißfrei zum Ziel gelangen könne? Ergebnis: Es gibt keine Studie, keine Daten, keine belastbare Prognose. Und auf der Basis machen wir in Hamburg aus Straßen Fahrradwege, weil dies eine politische Idee der Grünen ist?“

Die Datenlage? Gleich Null

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Franziska Wedemann war bis vor Kurzem als Unternehmerin in Harburg aktiv, sie selbst wohnt in Seevetal. Sie kennt also die Pendlersituation und die Umlandthematik: „Hamburg treibt die Autos aus der Stadt, baut Fahrrad-Highways im großen Stil und verzichtet auf eine Zusammenarbeit mit den direkten Nachbarn. Es wird alles versucht, den Menschen den Individualverkehr zu verleiden – extreme Parkgebühren, immer weniger Parkplätze, Fahrrad vor Auto. Das Auto wird somit zum Luxusgut für Menschen, die sich das noch leisten können. Ist das gerecht?“

An der Zielgruppe vorbei

Franziska Wedemann weiter: „Hamburg arbeitet konsequent an seiner Kern-Zielgruppe vorbei – das sind die jungen Familien. Die ziehen nämlich verstärkt ins Umland.“ Und werden dann, Ironie des Schicksals, gegebenenfalls ebenfalls zu Pendlern. Auch für den Wirtschaftsverkehr vermisst sie praktische Lösungen. Wer als Handwerker mangels Stellplatz in der zweiten Reihe parke, riskiere ein hohes Bußgeld. Alternativen gebe es kaum. „Deshalb fordern wir als Wirtschaftsverein Lösungen – immer und immer wieder!“

Fazit aus Sicht der Vereinsvorsitzenden: „Die Hamburger Verkehrswende ist ideologiegetrieben und nicht mit Daten unterfüttert. Statt die Infrastruktur zu ertüchtigen, auch im öffentlichen Nahverkehr, wird das Fahrradwegenetz ausgebaut. Ich frage mich langsam, als was der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks eigentlich in die Geschichte eingehen möchte – als Fahrrad-Ideologe, der zulasten der Wirtschaft und der Pendler seine Ideen verwirklicht?“ Und: „Dieses Thema zeigt den Markenkern des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden. Harburg findet in den Medien nördlich der Elbe kaum statt; wer also, wenn nicht wir, soll etwas bewirken?“