B&P VOR ORT Aufrüttelndes Plädoyer für die viel gescholtene Generation Z beim 3. Tag der Bauwirtschaft in Buxtehude.
Verwöhnt, anspruchsvoll – und auch ein bisschen faul. Dieses Bild der Generation Z ist weit verbreitet. Auch auf dem 3. Tag der Bauwirtschaft in Buxtehude kam die Unzufriedenheit mit dem beruflichen Nachwuchs bei den verschiedenen Wortbeiträgen immer wieder zur Sprache. Doch zu einer großen Blase der Selbstbestätigung wurde die von der hochschule 21 und der Süderelbe AG organisierte Veranstaltung trotzdem nicht. Und das war der mutigen Einladungspolitik zu verdanken, die dafür sorgte, dass die Zuhörer ihre Komfortzone verlassen mussten. Denn als letzte Rednerin nach einer Reihe fachlich renommierter Referentinnen und Referenten (siehe Kasten) trat die 25-jährige Isabelle Vivianne vors Mikrofon, ihres Zeichens gelernte Tischlerin und aktuell als Handwerks-Influencerin auf Social-Media-Kanälen wie Instagram, TikTok und Facebook unterwegs.
Wer dachte, dass es nun seicht werden würde, der hatte sich getäuscht. Die gebürtige Buxtehuderin hielt einen ebenso witzigen wie leidenschaftlichen und aufrüttelnden Vortrag, mit dem sie es ganz nebenbei schaffte, das Publikum zum Nachdenken zu bringen. Außerdem gab sie eine Reihe von Tipps, wie das Nachwuchsproblem angegangen werden kann. Denn die Situation ist dramatisch: „Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks wird in nächster Zukunft jeder fünfte der fünf Millionen deutschen Handwerker in Ruhestand gehen, aber es kommen im gleichen Zeitraum höchstens 190 000 neue nach. Da fragt man sich schon, ob man in Zukunft monatelang darauf warten muss, bis die verstopfte Toilette repariert wird.“
Doch woher kommt dieser Mangel? Zunächst rückte Isabelle Vivianne die Vorstellung der lustfixierten Faulpelze zurecht. „Diese Generation kennzeichnet, dass sie für ihr Handeln nach Sinn verlangt. Die hängen Freitagabend nicht nur in der Disco ab, sondern die gehen vorher noch für ihre Zukunft auf die Straße.“ Diese Fokussierung auf den Sinn biete glücklicherweise viele Möglichkeiten für Handwerksbetriebe. „Ich kenne das aus eigener Erfahrung“, so die 25-Jährige. „Ich saß nach dem Abi zwei Wochen lang in einem Studiengang und konnte den Sinn einfach nicht entdecken. Erst als ich mich dem Handwerk zuwendete, fand ich das, was ich immer gesucht hatte.“
Fokussierung auf den Sinn
Das Problem an der Sache: „Junge Menschen wissen häufig gar nicht, dass sie auch diesen Weg gehen können. Viele Schulen wollen diese Infos beispielsweise nicht teilen, vor allem nicht gegenüber Abiturienten.“ Und die Betriebe seien oft noch nicht gut genug aufgestellt, um dieses Wissens-Vakuum zu füllen. „Aber Sie haben Glück, dass Sie bis zum Ende geblieben sind. Denn ich verrate Ihnen jetzt, was sich im Bereich der Influencer gerade verändert und wie Sie das für Ihre Zwecke nutzen können“, so die 25-Jährige humorvoll-augenzwinkernd.
Influencer waren bislang vor allem Menschen, die den Zuschauern ihr Privatleben zeigten, um diese dazu zu motivieren, es ihnen gleichzutun. Allerdings oft mit starkem Fokus auf Konsum. „Aber mittlerweile geht es dort immer öfter nicht mehr um Lippenstift und Co., sondern um wirklich relevante Dinge. Einfache Menschen wie Kindergärtnerinnen oder Anlagentechniker erreichen mit kurzen Videos aus ihrem Berufsalltag Millionen von Menschen, und zwar zumeist in der Zielgruppe von zwölf bis 18 Jahren“, erklärte die Tischlerin. „Wenn da beispielsweise jemand ein cooles Möbelstück baut, dann entsteht im Zuschauer ganz subtil der Wunsch, diese Fähigkeiten zu erlangen.“
Dank Social Media sei es also so leicht wie noch nie, diese junge Zielgruppe zu erreichen. „Allerdings wird das ohne Beratung vermutlich nicht klappen. Denn die Trends wandeln sich rasch und die Zielgruppe muss immer auf die richtige Weise angesprochen werden“, so die Influencerin.
Wirklich relevante Dinge
Um zu überleben, sei es also die Aufgabe der Betriebe, sich auf die neue Generation einzustellen. „Die jungen Leute sind anders, sie sind emotionaler als die schon fertigen, älteren Menschen. Die haben Gefühle und Wünsche, und genau die bringen Ihr Unternehmen nach vorn“, brach sie eine Lanze für den Nachwuchs. „Wir gehen in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit, deswegen brauchen wir diese Leute und deren Energien. Diese kostbare Rose Handwerk muss am Blühen gehalten werden.“
Ein Appell, der auch beinhaltete, sich in Zukunft verstärkt für Bewerberinnen zu öffnen. „Ich bekomme immer wieder Nachrichten von Frauen, die abgelehnt wurden, und das oft mit fadenscheinigen Begründungen wie etwa den fehlenden sanitären Anlagen oder dem Argument, dass sie körperlich nicht so belastbar seien. Aber wenn ich hier in die Runde schaue, dann kann ich sicher schwerer heben als die meisten von Ihnen“, so Isabelle Vivianne, die für diese Aussage genauso wie für ihren gesamten Beitrag den einen oder anderen anerkennenden Lacher und lauten, langanhaltenden Applaus erntete.top