Für Mieter kann es kälter werden

Foto: prEinige Wohnungsunternehmen planen, ab Oktober nachts die Temperatur abzusenken, um Energie einzusparen. Die Gewoba kann sich auch tagsüber eine Regulierung vorstellen. Foto: pr

Um Gas zu sparen, will Immobilienkonzern Vonovia nachts die Heizung drosseln – Gewoba und WoGe arbeiten an Maßnahmen.

Von Josip Pejic

„Jedes Grad zählt“: Angesichts der Gasknappheit und steigender Energiekosten appellieren Wohnungsunternehmen in Bremerhaven an ihre Mieter, im kommenden Winter sparsam zu heizen. Der Bochumer Immobilienkonzern Vonovia belässt es nicht bei Appellen. Um den Gasverbrauch zu reduzieren, will das Unternehmen, das auch in Bremerhaven einige Wohnungen unterhält, nachts künftig die Heiztemperatur für seine Mieter begrenzen. In der Seestadt geht man derweil sogar einen Schritt weiter.

Das Bochumer Immobilienunternehmen Vonovia hat angekündigt, künftig die Heiztemperatur in Wohnungen zwischen 23 und 6 Uhr auf 17 Grad zu begrenzen. Vonovia ist der größte Immobilienkonzern in Deutschland und besitzt mehr als 550  000 Wohnungen in der Bundesrepublik, davon gut 11 000 in Bremen, in Bremerhaven sind es nur 50. „Die Nachtabsenkung wird rechtzeitig vor Beginn der Heizperiode im Oktober erfolgen“, sagt Vonovia-Sprecher Olaf Frei auf Nachfrage. Die Nachtabsenkung sei ein übliches und ganz normales Verfahren, um Energie zu sparen, betont er. Tagsüber könnten die Mieter wie gewohnt heizen, auch die Warmwasserversorgung sei nicht betroffen.

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Die Gewoba, mit 8500 Wohnungen der größte Wohnungsgeber in der Stadt, möchte noch drastischer vorgehen. Es wird bereits an einer Lösung gearbeitet, um die Heiztemperatur in den Wohnungen auch tagsüber zu drosseln: „Wir prüfen im Moment mit unseren Energielieferanten, wie wir die Vorlauftemperatur generell so runter regulieren können, dass ein Überheizen der Wohnungen nicht mehr möglich ist, aber dennoch eine Wohlfühltemperatur erreicht wird“, sagt Gewoba-Sprecherin Christine Dose. Im Moment seien laut Gesetzgeber tagsüber Temperaturen von 20 bis 22 Grad im Wohnraum vorgeschrieben. „Es kann sein, dass sich das aber ändert, sollte die Bundesregierung demnächst die dritte Eskalationsstufe im Notfallplan Gas ausrufen. Um vorbereitet zu sein, prüfen wir jetzt schon Wege, damit man seine Wohnung nicht mehr auf 26 Grad heizen kann“, sagt Christine Dose.

Auch bei der WoGe Wohnungsgenossenschaft möchte man eine Absenkung der Temperaturen nicht ausschließen, allerdings wie die Vonovia nur nachts, nicht tagsüber: „Wir prüfen derzeit, wie wir unsere Heizungsanlagen noch optimieren können“, sagt WoGe-Geschäftsführer Uwe Stramm. „Tagsüber ist die Raumtemperatur Sache des Mieters. Wenn er unbedingt seine 23 Grad braucht, dann ist das eben so“, so Stramm. Eine allzu große Drosselung der Temperatur sei ohnehin nicht zu empfehlen, „weil sonst die Wohnungen zu sehr auskühlen und wir ein Problem mit Schimmelbildung bekommen.“

Wenn überhaupt käme eine Temperaturbegrenzung deshalb nur nachts infrage. Die WoGe zählt in Bremerhaven insgesamt 2800 Wohnungen zu ihrem Bestand – davon 1000 mit Einzelthermen, der Rest mit Zentralheizungsanlagen.

Blick auf dritte Stufe

Bei der WoGe bereitet man sich auf die dritte Notfallstufe vor: „Unsere Gasverträge mit den Energielieferanten sind zwar noch bis 2024 gültig. Aber wird demnächst irgendwann die dritte Stufe gezündet, werden die vertraglich vereinbarten Gasbezugspreise hinfällig“, sagt Geschäftsführer Stramm. Er rechnet mit einer Verdoppelung der aktuellen Gaspreise.

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Höhere monatliche Abschläge für die Mieter seien vor diesem Hintergrund nicht zu vermeiden. Zwar können Vermieter nicht eigenmächtig höhere Abschläge beschließen, wenn sich nicht aus einer konkreten Abrechnung ein höherer Abschlag ergibt. Sollte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Ende aber die dritte Stufe des Gas-Notfallplans einleiten, könnte das Vermieter mit neuen Befugnissen ausstatten. „Natürlich wäre es uns lieber, wenn unsere Mieter ihre monatlichen Abschläge freiwillig erhöhen würden. Wir haben dazu auch schon den Kontakt mit den Mietern gesucht“, betont Uwe Stramm. „Die Reaktion ist bislang aber überschaubar, weshalb wir das am Ende wohl per Beschluss regeln werden.“

Die Städtische Wohnungsgesellschaft (Stäwog) erklärt, man sei zwar in Sorge angesichts der Mehrbelastungen, die in Zukunft auf die Mieter zukommen könnten. Eine nächtliche Drosselung der Heiztemperatur sei bislang aber nicht geplant. Die Stäwog unterhält rund 5050 Wohnungen im eigenen Bestand. Die StäwogService, das Energieunternehmen der Gesellschaft, beliefert mit ihren Anlagen rund 2550 Mieter. Davon werden 1200 Mieteinheiten über Fernwärme versorgt und 1300 Mieteinheiten über Gasthermen.

Rechtlich sieht sich Vonovia mit der Nachtabsenkung auf der sicheren Seite. Zustimmung erhält der Konzern unter anderem von Mietervereinen und der Arbeitnehmerkammer. So seien Vermieter nicht verpflichtet, durchgehend eine Temperatur von 20 bis 22 Grad vorzuhalten, erläutert Rechtsanwältin Sybille Kassebaum-Liermann dazu. Eine Nachtabsenkung auf 17 oder 18 Grad Raumtemperatur sei grundsätzlich zulässig, solange im Mietvertrag nichts anderes festgelegt wurde, so die Anwältin für Mietrecht und geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Mieterverein Bremerhaven. „Dies kann für Mieter, die zum Beispiel im Schichtdienst arbeiten und früher aufstehen müssen, sehr unangenehm werden. Gerade im Winter müssen die dann eine relativ kalte Wohnung hinnehmen“, sagt Kassebaum-Liermann.

Darüber hinaus seien Objekte unterschiedlich gelegen. Auch in Wohnungen mit Lagenachteil, die etwa an der Außenwand des Gebäudes liegen, müsse eine Mindestraumtemperatur von 17 beziehungsweise 18 Grad gewährleistet sein. Für die Vermieter könne das problematisch werden, wenn sie für jede einzelne Wohnung eine Anpassung vornehmen müssen. „Dafür werden die Vermieter eine Lösung finden müssen“, so Kassebaum-Liermann.

Wenn in diesen Tagen Mieter zu ihr in die Rechtsberatung kommen, geht es immer häufiger um die Gasrechnung, sagt die Anwältin. Die Nachfrage nach rechtlicher Beratung sei zuletzt sichtbar gestiegen: „Wir hören häufiger, dass Vermieter Vorauszahlungen erhöht haben oder das planen“, sagt Kassebaum-Liermann. „Die Mieter sind unsicher und wollen wissen, ob das rechtlich zulässig ist. Und manche sagen auch, dass sie die höheren Kosten nicht bezahlen können.“ In solchen Fällen rate sie Mietern, frühzeitig das Gespräch mit ihrem Vermieter zu suchen und die Möglichkeit eines niedrigeren Abschlags zu erörtern. „Zu bedenken ist allerdings, dass die finanzielle Mehrbelastung dann mit der Abrechnung eintritt, wenn eine entsprechend hohe Nachzahlung geleistet werden muss“, sagt Sybille Kassebaum-Liermann.

Die Leiterin der Arbeitnehmerkammer in Bremerhaven, Tomke Claußen, rät Mietern, die die höheren Abschläge nicht zahlen können, sich mit ihrem Vermieter beziehungsweise dem Versorgungsunternehmen in Verbindung zu setzen und eine Ratenzahlung zu vereinbaren. „Derzeit ist auch ein Moratorium im Gespräch, damit Menschen, die die Abschläge nicht zahlen können, nicht sofort das Gas abgedreht werden kann. Dies ist aber nach meinem Kenntnisstand politisch noch nicht abschließend beschlossen“, sagt Tomke Claußen.