Wirtschaftsfaktor Kiekeberg

Foto: B&PDigitalisierung ist wichtig, aber in diesem Raum des Kiekeberg-Museums stehen vor allem Bücher, also ideal für ein Zeitungsinterview. Museums¬direktor Stefan Zimmermann: „Das historische Wissen der Landwirtschaft – ein besonderer Ort.“ Foto: B&P

Museumsdirektor Stefan Zimmermann über aktuelle Pläne und die ökonomische Komponente des Kulturbetriebs.

Das Freilichtmuseum am Kiekeberg gilt als der kulturelle Leuchtturm im Landkreis Harburg und ist – wenn nicht gerade eine Pandemie ausbricht – ein Hotspot für vielfältige Aktivitäten mit hoher Anziehungskraft. Das Museum, 1953 von der Harburger Museums-Ikone Prof. Willi Wegewitz gegründet und lange Zeit Dependance des Helms-Museums (heute Archäologisches Museum Hamburg), zieht regelmäßig viele Menschen an, die sich über Pflanzenmarkt & Co. hinaus mit der Agrar-Geschichte der Region und dem Leben der Altvorderen aus­einandersetzen wollen. Doch es geht nicht nur um das berühmte Déjà-vu beim Anblick alter Spielzeuge, Küchenutensilien oder Landmaschinen, sondern auch um Zahlen. Mit Museumsdirektor Stefan Zimmermann sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker über die wirtschaftliche Seite des Museumsbetriebs.

Wie viel Wirtschaft steckt im Kiekeberg-Museum?

Im Museum steckt auf unterschiedlichsten Ebenen ganz viel Wirtschaft. Zum einen sind wir natürlich Arbeitgeber für mehr als 70 Leute. Wir vergeben übers Jahr viele Aufträge an die regionale Wirtschaft, insbesondere das Handwerk. Wir achten durchaus darauf, dass wir uns mit unseren Aufträgen in der Region bewegen.

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Können Sie das näher beziffern?

Das ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich, aber wir sprechen da durchaus über mehrere 100 000 Euro für die unterschiedlichsten Zwecke. Einige Werkstätten, gerade im Bereich Holz und Metall, haben wir im Museum, aber eben viele auch nicht. Was richtig ins Geld geht, ist, wenn der Reetdachdecker kommt. Da ist bei einem Freilichtmuseum mit zahlreichen reetgedeckten Gebäuden eigentlich ständig etwas zu tun. Wenn wir einmal durch sind, geht es vorne wieder los. Auf so einem großen Gelände fallen permanent verschiedene Instandhaltungsarbeiten an, vor allem im Frühjahr, wenn wir das Museum wieder schick für die Freiluftsaison machen. Aber es gibt auch andere Auftragsvergaben – an Druckereien, unsere Gastronomen und zahlreiche andere Dienstleister.

Als Unternehmen kann das Museum per se ja keine schwarze Zahl schreiben. Das wäre im Kulturbetrieb äußerst ungewöhnlich . . .

Nein, das ist nicht möglich. Der jährliche Zuschuss des Landkreises Harburg und die Unterstützung unseres Fördervereins bleiben die zentralen Bausteine. Aber wir haben mit mehr als 30 Prozent eine Eigenerwirtschaftungsquote, die sich im Vergleich zu anderen Kultureinrichtungen echt sehen lassen kann. Da sind wir vorn mit dabei. Langfristiges Ziel ist es, unsere finanzielle Unabhängigkeit weiter auszubauen.

Ich hätte fast vermutet, dass die Quote noch höher sein könnte, da das Museum durchweg sehr gut besucht ist und – in normalen Zeiten – ein Feuerwerk an attraktiven Sonderveranstaltungen abbrennt. Müsste sich das nicht noch stärker auszahlen?

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Viele Häuser in öffentlicher Trägerschaft, sind bei der Eigenerwirtschaftung in einem sehr niedrigen Bereich. Der staatliche Zuschuss ist hier im Verhältnis zu anderen Einnahmequellen wesentlich größer, entsprechend ist der Eigenerlös nicht entscheidend. Als Stiftung privaten Rechts sind wir stark von Eintrittsgeldern und Erlösen aus unseren Kurs- und Bildungsangeboten abhängig. Ein defizitärer Haushalt wird entsprechend von staatlicher Seite nicht ausgeglichen. Wir agieren mit einer großen wirtschaftlichen Eigenverantwortung. Dadurch bedingt ist eine weitere Stärke das Einwerben von Drittmitteln, Zustiftungen und Spenden. Ohne dies wären Projekte wie die Königsberger Straße nicht realisierbar.

Sind die 70 Mitarbeiter, die Sie eingangs genannt haben, Köpfe oder Stellen?

Die Zahl der Stellen liegt höher, weil wir auch Teilzeit-Mitarbeiter und Minijobber beschäftigen. Die Zahl der Vollzeitstellen liegt bei etwa 50. Da kommt bei der Größe des Geländes, immerhin zwölf Hektar, einiges zusammen, denn die Gärten müssen gepflegt, die Tiere versorgt werden. Dazu die verschiedenen Handwerker, der Besucherservice, „klassische“ Verwaltung und die Wissenschaft. Wir haben während der Corona-Pandemie kaum Mitarbeiter verloren, merken aber jetzt durchaus, wie viele andere Unternehmen, dass es zunehmend schwierig wird, offene Stellen zu besetzen. Auch eine langfristig wettbewerbsfähige Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen spielt eine zentrale Rolle bei der strategischen Ausrichtung der Stiftung.

Können Sie als Mann der Wissenschaft auch Buchhalter? Immerhin sind Sie am Ende ja auch von den Zahlen abhängig.

Ich leite das Museum als Direktor gemeinsam mit
Carina Meyer, unserer kaufmännischen Geschäftsführerin, als Doppelspitze – dieses Konstrukt ist meiner Ansicht nach ein echtes Erfolgsmodell und hat sich gerade für größere Häuser sehr bewährt. Sehr vereinfacht formuliert: Ich habe richtiger- und notwendigerweise großes Interesse an den Zahlen und Carina Meyer umgekehrt auch an den Inhalten. Das lässt sich im Alltagsgeschäft oftmals nicht so strikt trennen.

Wenn Sie auf die Zahlen schauen, besteht da Anlass zu Sorge?

Nein, wirklich existenzielle Sorgen haben wir nicht, aber ich habe natürlich permanent eine lange Wunschliste an Projekten für die Weiterentwicklung des Museums in der Schublade. Da geht manches rascher, manches lässt sich erst mittelfristig realisieren, und für vieles müssen geeignete Förderer und Unterstützer gesucht und gefunden werden.

Ein gutes Stichwort. Gibt es regionale Unternehmen, die als Sponsoren auftreten? Gibt es eventuell Kooperationen mit der heimischen Wirtschaft?

Wir haben beispielweise eine sehr enge Partnerschaft mit der Sparkasse Harburg-Buxtehude, die uns regelmäßig unterstützt. Aber klassische Sponsoren-Partnerschaften, wo dann jedes Jahr die Summe X fließt, haben wir nicht. Es geht eher um projektbezogene Unterstützung. Wenn sich ein Projekt inhaltlich anbietet, gehen wir auch auf entsprechende Unternehmen zu – da haben wir überhaupt keine Berührungsängste mit der Wirtschaft. Häufig haben das Museum auch regionale Unternehmen mit Exponaten aus der Firmengeschichte für Ausstellungen oder Publikationen unterstützt.

Ihre Ausstellungswelt „Agrarium“ zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Landwirtschaft und Ernährung feiert dieses Jahr zehnjähriges Bestehen. Gilt die Unterstützung auch für Unternehmen aus der Ernährungswirtschaft?

Durchaus, das Agrarium und andere Projekte zu landwirtschaftlichen Themen wurden immer wieder von Firmen unterstützt. In diesen Themenbereichen sehen wir uns besonders stark einer Neutralität als Museum und wissenschaftliche Einrichtung verpflichtet. Gerade in diesem Bereich gerät man schnell in ideologische Debatten über biologische versus konventionelle Landwirtschaft. Wir sehen uns als offenes Forum für diese Diskussionen, zeigen die historischen Fakten auch im Kontext mit der Gegenwart und Zukunft, geben Impulse, aber überlassen die Bewertung dem Besucher ohne den sprichwörtlichen moralischen Zeigefinger.

Wir sehen mit der Königsberger Straße ein großes Museumsprojekt auf der Zielgeraden. Auch hier wird konkret Wirtschaft aus der weiteren Nachkriegszeit abgebildet, etwa mit der Ladenzeile oder der Tankstelle. Wenn so ein Vorhaben fast realisiert ist, steht doch bestimmt das nächste schon an – was planen Sie?

Da kommt wieder die Wunschliste ins Spiel. Das nächste Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen, ist ein neuer Eingangsbereich für das Museum – ein modernes Besucher- oder Empfangszentrum. Da sind wir aktuell nicht zeitgemäß aufgestellt. Hier haben sich die Erwartungen des Museumspublikums stark gewandelt, es geht um Service- und Aufenthaltsqualität, vielleicht auch eine multimediale Einstimmung auf den Besuch, auch eine gute Shop-Lösung. Ganz praktisch: Wenn mal ein Bus ankommt und plötzlich 50 Leute im Regen stehen, dann müssen die vernünftig empfangen werden.

Wie weit sind Sie mit dem Vorhaben?

Das muss noch reifen, denn wir sprechen von einer erheblichen Investition. Wir müssen auch baulich überlegen, wie sich so ein Vorhaben harmonisch in das Museum einfügt. Man könnte beispielsweise eine moderne Formensprache mit historischen Materialien kombinieren. Ganz zentral ist bei unseren Überlegungen aber das Thema Nachhaltigkeit, also klimaneutrales Bauen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir hier einen „Musterbau“ errichten. Dazu würden wir gern natürlich auch verschiedene Kooperationspartner gewinnen – auch aus dem Bereich Forschung. Damit könnten wir uns auch überregional platzieren. Nachhaltigkeit ist ja letztlich auch ein historisches Thema und nimmt im gesamten Kulturbereich als enorm wichtiges Thema für die Zukunft derzeit sehr rasch Fahrt auf. Bildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit – das sind unsere drei großen Zukunftsthemen hier im Freilichtmuseum am Kiekeberg.

>> Web: www.kiekeberg-museum.de