Das sagen die Energie-Optimierer von Envidatec – Sechs Fragen rund um Photovoltaik und Batteriespeicher.
Autarkie heißt das Zauberwort, das nicht nur private, sondern auch kommerzielle Immobilieneigentümer derzeit umtreibt. Der Wunsch nach Unabhängigkeit vom russischen Gas, vom Rohöl und damit den Benzin- und Dieselpreisen sowie vom Strom setzt immense Energie frei. Jedes Dach wird zur potenziellen Photovoltaik-Fläche. Private Hauseigentümer investieren in Solarpanels, in Speichermodule und Wärmepumpen. Mittlerweile werden sogar schon kleine Windkraftanlagen für die mittelständische Wirtschaft entwickelt. Keine Greta dieser Welt hätte jemals die Kraft entfaltet, eine derartige Initialzündung auf dem Markt der regenerativen Energien zu entwickeln wie die Preisexplosion, die tragischerweise ihren Ursprung in einem verabscheuungswürdigen Krieg hat. Bei allem Ringen um Unabhängigkeit, stellt sich allerdings die Frage nach dem richtigen Maß – ein Fall für die Experten des Harburger Unternehmens Envidatec. Geschäftsführer Peer Schuback und Projektmanager Nils Heinrich beantworten im B&P-Gespräch die sechs wichtigsten Fragen zur energetischen Umrüstung.
Envidatec wendet sich als Beratungsunternehmen neben der Unterstützung von Großkonzernen speziell auch an den Mittelstand, also die unter KMU zusammengefassten kleinen und mittleren Betriebe. Wer hier energieintensiv unterwegs ist, hat jetzt echte Sorgen. Und manchmal schnelle Antworten, die in die Irre führen. Dabei geht es nicht nur um die richtige Dimensionierung beispielsweise einer PV-Anlage, Speichermöglichkeiten, eventuell ein Energie-Audit mit dem Ziel, die Energieflüsse im Unternehmen zu analysieren, staatliche Förderung und vieles mehr. Peer Schuback: „Eine Möglichkeit ist ein Audit, das sogar staatlich gefördert wird. Es läuft nach klaren Vorgaben ab. Interessant sind jedoch nicht nur die Methode der Datenerfassung und -bewertung, sondern vor allem die Empfehlungen, die sich daraus ableiten lassen. Dazu drei Basisfragen: Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden? Wie ist das technisch zu lösen? Und wie rechnet sich das? Es geht also nicht nur um die Verbrauchskosten, sondern um die Lifecycle-Kosten – Investition plus Betriebskosten über die Lebensdauer.“
Der Klassiker: Ein Betrieb verfügt über große Hallenflächen und eine hohe Stromrechnung. Die Lösung: Photovoltaik. Und damit der nicht benötigte Strom nicht verlorengeht, muss noch ein Speicher aufgestellt werden. Genau dieses Szenario wird derzeit landesweit durchgespielt. Dazu die Fragen von Peer Schuback und Nils Heinrich:
Frage 1: Gibt die Statik des vorhandenen Gebäudes den Aufbau einer PV-Anlage her? Kurz: Ist das Dach tragfähig genug?
Heinrich: „Das ist die erste Hürde. Wird die Frage mit Nein beantwortet, ist eine Installation in den meisten Fällen unwirtschaftlich.“ Bevor vertieft eingestiegen wird, lohnt also ein Blick auf die angegebene Deckenlast in den Gebäudeplänen (Kilo pro Quadratmeter). Je nach Dachkonstruktion wiegt eine PV-Anlage inkl. Aufständerung ca. 7 bis 30 kg/m². Achtung: Im Winter kommt gegebenenfalls die Schneelast hinzu.
Frage 2: Wie steht es um den Netzanschluss vor Ort?
Peer Schuback: „Dahinter steckt die Frage, wie viel überschüssigen Strom ich notfalls einspeisen kann. Und ob die Anlage vor diesem Hintergrund überhaupt genehmigungsfähig ist.“ Hier geht es im Wesentlichen um die Infrastruktur vor Ort – also die Leitungskapazitäten im Umfeld.
Frage 3: Wie viel Solarstrom brauche ich eigentlich für meinen Betrieb?
Peer Schuback: „Dazu muss ich wissen, wie hoch meine Stromlast ist. Die sollte in der Rechnung ausgewiesen werden, doch dort finden sich im Privatbereich und bei den kleineren kommerziellen Abnehmern keine Daten über Verbrauchskurven. Die gibt es bei Verbrauchern mit mehr als
100 000 Kilowattstunden pro Jahr automatisch – und zwar gemessen im Viertelstundentakt. Das können beispielsweise auch schon Supermärkte mit vielen Kühlaggregaten, Handwerksbetriebe mit häufig laufenden Maschinen oder kleinere Maschinenbauer mit großem Maschinenpark sein.
Frage 4: Welche Leistung erfordert welche Genehmigung?
Nils Heinrich: „Bei PV-Anlagen ab 100 Kilowattstunden Leistung ist ein Einspeisemanagement erforderlich. Das heißt: Diese Anlagen müssen ‚netzdienlich abschaltbar“ sein.“ Konkret: Der Netzbetreiber kann aus der Ferne abschalten, wenn es die Netzstabilität verlangt. Ab 135 Kilowattsunden wird die PV-Anlage quasi als Kraftwerk betrachtet. Entsprechende Regelungen gelten übrigens auch für den Betrieb von Blockheizkraftwerken. Bei kleineren PV-Anlagen unterhalb der 100er-Grenze ist das Einspeisemanagement nicht erforderlich, eine Genehmigung braucht es dennoch. Als Grundregel gilt: Schon der Anschluss eines einzigen PV-Moduls muss genehmigt werden.
Frage 5: Wie groß muss meine PV-Anlage sein?
Eine spannende Frage, denn Autarkie hieße, auch die Spitzenlast abdecken zu können. Das aber erscheint nicht sinnvoll. Peer Schuback: „Das hieße ja, dass die Anlage zu allen anderen Zeiten außerhalb der Spitzenlast überdimensioniert wäre und folglich ständig zu viel Strom produzieren würde.“ Sein Rat lautet: „Der produzierte Strom sollte idealerweise komplett selbst verbraucht werden.“ Ein wichtiger Hinweis: Wenn die oben beschriebenen Verbraucher jenseits der
100 000 Kilowattstunden/Jahr ihre Lastanalyse im Viertelstundentakt bekommen, reicht schon eine Messeinheit, in der die vertraglich vereinbarte Stromabnahme überschritten wird, um die gesamte Jahreslieferung in einen höheren Tarif zu katapultieren. Nils Heinrich: „Das ist zwar von der individuellen Vertragsgestaltung abhängig, aber durchaus übliche Praxis. Und im Einzelfall richtig teuer.“
Frage 6: Brauche ich einen Batteriespeicher?
Nils Heinrich: „Am besten nicht, denn Batteriespeicher sind ab nennenswerter Größe sehr teuer. Zumindest macht es keinen Sinn, zu viel produzierten Strom für später aufzubewahren. Ein Speicher kann allerdings als Leistungsreserve für Spitzenlasten sinnvoll sein.“ Das wäre dann das „Prinzip Geesthacht“: Hier betreibt Hamburg ein Pumpspeicherwerk, das in Überschusszeiten Elbwasser in einen See auf dem Geestrand pumpt und damit den Strom verbraucht. Überfordert der generelle Verbrauch jedoch zu Spitzenzeiten das Netz, treibt das herabstürzende Wasser Turbinen an und erzeugt zusätzlichen Strom. Das heißt dann Spitzenlastabdeckung.
Fazit von Peer Schuback: „Die Tragweite all dieser Fragen lässt sich für den Kunden auf den ersten Blick gar nicht erahnen. Allein schon die Feinheiten bei den Verträgen mit den Versorgern. Für Unternehmen muss die jeweilige Situation sehr individuell betrachtet werden, um eine gute Lösung zu finden. Auch in Hinblick auf Zukunftspläne des Unternehmers. Das Streben nach Autarkie ist meines Erachtens grundsätzlich der falsche Ansatz – gesucht ist eine wirtschaftliche und tragfähige Lösung der Energiefrage. Und die gibt es nicht von der Stange.“ wb
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