Frank Westphal, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven, zum Fachkräftemangel.
Der Mangel an Fachkräften stellt Unternehmen vor wachsende Herausforderungen. Im Interview gibt Frank Westphal, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven, Arbeitgebern Tipps für eine erfolgreiche Suche – zum Beispiel im Ausland.
Was sind die drängendsten Probleme auf dem aktuellen Fachkräftemarkt? Wie ist der Trend?
Zwei Entwicklungen treffen derzeit ungünstig am Arbeitsmarkt zusammen: Zum einen gibt es mit sinkenden Schülerzahlen nun auch weniger Ausbildungsbewerbende, und zum anderen scheiden die geburtenstarken Jahrgänge nach und nach aus dem Arbeitsleben aus. Das Ergebnis ist ein geringeres Potenzial an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Arbeitgebern fällt es schwerer, ihre offenen Stellen zu besetzen. Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird.
Welche Empfehlungen gibt die Arbeitsagentur Unternehmen?
Die Herausforderungen und die Lösungen sind stets individuell. Sie müssen zum Unternehmen passen. Den Veränderungen des Marktes ist daher auch in der Unternehmensstrategie zur Personalgewinnung mit Veränderungen zu begegnen. Diese können vielfältig sein. Wichtig ist, sich auf den Weg zu begeben, offen für verschiedene Ansätze zu sein und den Veränderungsprozess tatsächlich einzuleiten und nicht auf morgen zu verschieben.
Nehmen Sie den Ausbildungsmarkt: Während es für den einen Betrieb beispielsweise ausreichen kann, das Angebot beim Arbeitgeber-Service zu melden und sich einen Wettbewerbsvorteil durch übertarifliche Leistungen zu verschaffen, muss sich ein anderer Betrieb zusätzlich womöglich als Arbeitgeber oder den Beruf über Messeformate bekannt und attraktiv machen. Es reicht auch nicht, Schülerpraktika nur anzubieten und durchzuführen. Sondern hier ist es wichtig, motivierend zu betreuen und Zeit in die nachgehende Kontaktpflege zu investieren. Die Klassenzimmer sind erstklassige Marktplätze für positive, aber vor allem auch negative Betriebserfahrungen. Es gibt vielfältige Unterstützung beim Thema Ausbildung, sowohl finanzieller Art wie auch ganz praktisch. Vermeintlich schwächere Jugendliche sollten eine Chance bekommen, bevor Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Hilfe kann dann fachliche Nachhilfe sein oder sozialpädagogisches Know-how. Die Berufsberatung bietet das in der kostenlosen Maßnahme ASA (Assistierte Ausbildung) an.
Offenheit schließt auch mit ein, Menschen, die auf den ersten Blick Schwächen haben, eine Chance zu geben. Sei es Bewerbenden in Teilzeit oder Kandidaten, die noch Lücken in ihren Qualifikationen haben. Der zweite Blick kann dann schon zu anderen Einschätzungen führen. Wir unterstützen das mit Eingliederungshilfen.
Gute Erfahrungen machen Arbeitgeber zunehmend mit der Qualifizierung Beschäftigter. Hier wird sozusagen „on the job“ weitergelernt. Schulungsmaßnahmen können über uns gefördert werden. Das verkürzt zum einen die Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers. Zum anderen versorgt es den Betrieb mit einem neuen Kollegen oder Kollegin, die zumindest bei vielen Aufgaben schon tatkräftig mithelfen kann. Unser Arbeitgeber-Service kennt die Herausforderungen sowie die Palette der Angebote und berät gerne.
Stellt das Anwerben ausländischer Fachkräfte eine Lösung dar? Wie funktioniert das Verfahren?
Es gibt einige erfolgreiche internationale Vermittlungsprojekte. Die Bundesagentur für Arbeit hat Vermittlungsabsprachen mit Ländern, die in hiesigen Mangelberufen einen Personalüberschuss haben. So arbeiten wir zum Beispiel seit Mai mit Jordanien eng zusammen und werben über das Programm Triple Win gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Pflegekräfte für Krankenhäuser, Kliniken und Pflegeeinrichtungen an. Auch in Bremerhaven profitiert bereits eine Klinik davon. Die neuen Kollegen kommen sprachlich und fachlich gut vorbereitet nach Deutschland. Im Rahmen von Triple Win arbeitet die Bundesagentur mit den Ländern Bosnien-Herzegowina, den Philippinen, Tunesien, Indonesien sowie Indien zusammen. Im Rahmen des Programms nahmen bislang insgesamt 3561 Fachkräfte und 198 Azubis eine Beschäftigung beziehungsweise Ausbildung in Deutschland auf. Unser lokaler Arbeitgeber-Service weiß Näheres zu diesen Programmen und hilft bei einem konkreten Bedarf gerne weiter.
Was sollten Unternehmen bedenken, wenn sie – ganz aktuell – ukrainische Kriegsflüchtlinge einstellen wollen?
Die juristischen Hürden sind geregelt. Aus der Ukraine darf arbeiten, wer eine Aufenthaltserlaubnis mit Gestattung zur Erwerbstätigkeit hat. Unsere Erfahrungen bisher zeigen, dass wie bei anderen geflüchteten Menschen die Beherrschung der deutschen Sprache eine wichtige Voraussetzung, aber auch große Hemmschwelle ist. Englisch kann in manchen Fällen eine Alternative darstellen. Aber nicht alle Firmen und Geflüchteten sind auf eine Arbeitsbeziehung auf Englisch vorbereitet. Aktuell kommen aus der Ukraine viele Mütter mit betreuungsbedürftigen Kindern. Angesichts der Personalengpässe in den Kitas müssen die Arbeitgeber hier mit Wartezeiten rechnen, bis ein Platz zur Verfügung steht. Bei der Anerkennung der ausländischen Bildungsabschlüsse helfen wir auch weiter und vermitteln an die passenden Stellen im IQ Netzwerk.