„Auch alle zugekauften Rohwaren müssen strenge Anforderungen erfüllen“

Foto: Frosta AGFelix Ahlers war maßgeblich an der Einführung des Frosta-Reinheitsgebotes im Jahr 2003 beteiligt. Hier zeigt sich der Vorstandsvorsitzende der Frosta AG mit einer neuen Papierverpackung in Übergröße. Foto: Frosta AG

Frosta-Vorstandsvorsitzender Felix Ahlers über Nachhaltigkeit in der Tiefkühlkost-Produktion.

Von Christian Heske

Stichwort „Reinheitsgebot“: Was waren die größten Herausforderungen beim Verzicht auf Zusatzstoffe?

Die größte Herausforderung war es zunächst einmal, wirklich alle Zusatzstoffe zu finden, die bisher in unseren Gerichten und vor allem in den Zutaten versteckt waren. Wir wollten ja wirklich konsequent sein und auf alle Zusätze verzichten, auch auf diejenigen, die wir gar nicht deklarieren müssten, so wie zum Beispiel Enzyme, die zum Schälen von Mangos verwendet werden. Oder Konservierungsstoffe im Käse und Carrageen in der Sahne. Oder Farbstoffe im Hühnerfutter. Wir haben dann mit unseren Lieferanten gesprochen, damit sie uns die Zutaten ohne diese ganzen versteckten Zusätze verkaufen. Das war tatsächlich sehr zeitaufwendig und schwierig – und für einige Zutaten haben wir auch keine Lösung gefunden. Zum Bespiel haben wir keine schwarzen Oliven gefunden, die nicht gefärbt sind. Wir mussten uns dann leider auch von einigen Gerichten verabschieden. Die nächste Herausforderung war, Zutaten zu finden, die richtig gut schmecken. Denn vor dem Reinheitsgebot konnten wir beim Geschmack mit Aromen und Geschmacksverstärkern nachhelfen. Ein schönes Beispiel sind unsere Tomaten. Früher mussten die gewürfelten Tomaten vor allem schön aussehen und eine gute Konsistenz haben. Der Geschmack war ziemlich unwichtig, denn dazu haben wir ein Aroma genommen. Mit der Umstellung auf das Reinheitsgebot hat sich das geändert, und wir brauchten Tomaten, die von Natur aus sehr gut schmecken. Wir kaufen seitdem statt der schönen, aber geschmacklosen Gewächshaustomaten nur noch Freilandtomaten. Eine weitere große Herausforderung war es, in der Produktion auf Zusatzstoffe zu verzichten, denn eine der Hauptaufgaben der Zusatzstoffe ist es ja, die Produktion von Lebensmitteln einfacher und dadurch billiger zu machen. Naturprodukte wie frische Milch oder frische Sahne lassen sich zum Beispiel nicht so gut verarbeiten wie Milchpulver. Ein Verzicht auf modifizierte Stärken führt dazu, dass Soßen nicht so stabil sind. Das mussten wir alles berücksichtigen.

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Ließen sich die Rezepturen der meisten Tiefkühlprodukte anpassen? Oder musste Frosta viele Tiefkühlgerichte aus dem Programm nehmen und ersetzen?

Einige Rezepturen ließen sich nicht umstellen, weil wir die Zutaten nicht frei von Zusätzen einkaufen konnten. Insgesamt hat sich unser Sortiment durch die Umstellung fast halbiert. Das lag aber auch daran, dass wir uns fast von unserem gesamten Fischsortiment verabschiedet haben, denn es gab damals nur sehr wenige Fischsorten mit dem MSC-Siegel für nachhaltige Fischerei. Das war uns aber sehr wichtig, und auch da wollten wir keine Kompromisse machen.

Frosta-Produkte gehen inzwischen auch in Papierverpackungen in den Handel. Hat Plastik bei Ihnen komplett ausgedient?

Nein, es gibt erst fünf Produkte in der Papierverpackung. Wir arbeiten weiter an der Umstellung, wollen aber keine Scheinlösungen, sondern Verpackungen, die einen echten Umweltvorteil bringen. Für Produkte mit Soße oder färbenden Zutaten haben wir noch keine gute Lösung aus Papier gefunden.

Wie sieht es mit dem Anbau und dem Einkauf der Rohmaterialien aus? Wie kommt das Nachhaltigkeitsprinzip hier zum Tragen?

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Ein großer Teil unseres Gemüses kommt aus unseren beiden Gemüsewerken in Deutschland. Dort wird alles im Freiland angebaut und sofort nach der Ernte tiefgefroren. An beiden Standorten haben wir im letzten Jahr Biodiversitätsprojekte ins Leben gerufen und sind auch Praxispartner in dem mehrjährigen Projekt des Bundesforschungsministeriums zur Messung von Biodiversität – Bioval. Auch alle zugekauften Rohwaren müssen natürlich strenge Anforderungen erfüllen. Fisch und Meeresfrüchte dürfen nur aus zertifizierten, nachhaltigen Fischereien stammen, und grundsätzlich kaufen wir nur bei Lieferanten, die wir zuvor auditieren und dann auch regelmäßig besuchen.

Welche Rolle spielt die Klimafreundlichkeit der Produkte?

Wir haben schon sehr früh, im Jahr 2008, an einem Pilotprojekt zur Berechnung der CO2-Fußabdrücke teilgenommen. Seitdem kennen wir die produktbezogenen CO2-Fußabdrücke aller unserer Produkte und veröffentlichen diese auch auf unserer Internetseite. Wer will, kann sich also darüber informieren, welche Frosta-Produkte besonders viel und welche besonders wenig CO2 ausstoßen. Tatsächlich ist vor allem die Erzeugung der Zutaten für die CO2-Emissionen verantwortlich. Den größten Einfluss haben tierische Bestandteile wie Butter, Käse und Rindfleisch. Der Energieaufwand der Tiefkühlung spielt dagegen kaum eine Rolle – das hat uns damals auch überrascht. Um die CO2-Bilanz unserer Produkte insgesamt zu verbessern, möchten wir deshalb den Anteil von Gerichten ohne Fleisch weiter erhöhen. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel unsere absoluten Frosta-Klassiker wie Paella, Bami Goreng und Hühnerfrikassee in veganen Varianten auf den Markt gebracht. Natürlich auch ohne Zusatzstoffe und Aromen – das war eine ziemliche Herausforderung!

Wie steht es um die Sozialverträglichkeit?

Das ist ein wichtiges Thema, das zum Glück seit einigen Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommt. Wir verlangen seit einigen Jahren, dass alle unsere Lieferanten aus sogenannten „Risikoländern“ ein unabhängiges Sozialaudit durchlaufen, bei dem vor allem die Arbeitsbedingungen untersucht werden. Und bei unseren Besuchen vor Ort lassen wir uns auch die Unterkünfte der Arbeiter zeigen und sprechen mit ihnen. Das war früher noch nicht so verbreitet. Und seit einigen Jahren engagieren wir uns mit unserem Partner Plan International in einem großen Ausbildungsprojekt für über 200 Jugendliche in Ecuador. Daraus sind bereits viele kleine Unternehmen und Arbeitsplätze vor Ort entstanden.

Der hohe Anspruch der Marke Frosta ging auch mit höheren Produktpreisen einher. Wie haben die Verbraucher reagiert?

Viele haben unsere Produkte nicht mehr gekauft, die durch die Umstellung viel besser, aber auch ungefähr 30 Cent teurer geworden sind. Aber die Menschen haben zuerst nur den höheren Preis gesehen und nicht verstanden, dass es sich um ein komplett anderes Produkt handelt. Es hat fast eineinhalb Jahre gedauert, bis wir den Umsatzrückgang damals stoppen und umkehren konnten. Zum Glück waren die allermeisten nämlich begeistert, wenn sie die Produkte dann doch probiert haben. Es hat nur sehr viel länger gedauert, als wir dachten.

Auch in puncto Transparenz versucht Frosta durch ehrliche Zutatenlisten neue Standards zu setzen. Wie ist die Resonanz?

Sehr gut! Wir bekommen viele Rückmeldungen, die uns bestätigen, dass sich die Menschen mehr Informationen über ihre Lebensmittel wünschen. Deshalb drucken wir die Herkunftsländer aller Zutaten direkt auf die Verpackung – das macht sonst niemand.

Seit ein paar Jahren ist der Begriff Nachhaltigkeit in aller Munde. Der Markenkern liegt also im Trend. Zahlt sich das durch eine stärkere Marktposition der Frosta-Tiefkühlgerichte aus?

Frosta wächst seit vielen Jahren und gewinnt Marktanteile – das liegt natürlich vor allem daran, dass wir den Geschmack der Menschen treffen, aber bestimmt auch daran, dass wir es mit den wichtigen Nachhaltigkeitsthemen sehr ernst meinen und in vielen Bereichen mit gutem Beispiel vorangehen.

Hat Frosta das Thema Nachhaltigkeit in allen denkbaren Bereichen ausgereizt? Oder sehen Sie noch weitere Handlungsfelder?

Wir sind natürlich noch lange nicht perfekt. Wir verbrauchen Energie, Wasser und viele andere Ressourcen, unsere Fabriken verursachen Emissionen, es entsteht Abfall, wir verpacken und transportieren unsere Produkte – da gibt es noch sehr viele Möglichkeiten, uns stetig zu verbessern!

Zur Person

Felix Ahlers absolvierte eine Kochlehre in Frankreich und Italien und studierte Volkswirtschaftslehre. Nach Stationen beim Pastahersteller Delverde in Italien und bei Sheraton begann er im Jahr 1999 bei Frosta. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Frosta-Vorstandes. Er war maßgeblich an der Einführung des Frosta-Reinheitsgebotes im Jahr 2003 beteiligt. Seitdem verzichtet der Bremerhavener Tiefkühlkosthersteller auf alle Zusatzstoffe und reduzierte das Sortiment um 50 Prozent.