Rainer Kalbe, Inhaber von Hartmann Haustechnik, über die
Personalsituation im Handwerk und die Chancen für potenzielle Mitarbeiter.
Nicht nur IT, Pflege, Logistik und Gastronomie leiden unter dem Personalmangel, auch das Handwerk sucht Fachkräfte und gerät zunehmend unter Druck. Das berichtet Rainer Kalbe, Inhaber von Hartmann Haustechnik (Heizung, Sanitär) in Wilhelmsburg, aus eigener Anschauung. Und nicht nur das: „Es kommt vor, dass hier Mappen mit Initiativbewerbungen in der Post landen. Dann ist man erstmal überrascht und schaut sich das an, um irgendwo auf den hinteren Seiten festzustellen, dass es sich um Werbung von Personalvermittlern handelt“, sagt der stellvertretende Harburger Bezirkshandwerksmeister und schüttelt den Kopf.
Hartmann Haustechnik zählt mit 33 Mitarbeitern zu einem halben Dutzend mittelgroßen Betrieben im Hamburger Süden, die sich im Bereich Heizungsbau, Lüftung und Sanitär (Bäderbau) tummeln. Die Entscheidungswege sind kurz. Der Chef ist immer ansprechbar und kennt seine Leute mit Namen. Arbeit ist genug vorhanden – wäre da nicht das latente Personalproblem. Rainer Kalbe: „Ich würde sofort drei bis vier Gesellen einstellen, wenn es die denn gäbe.“ Das Fachkräftedefizit sorgt nicht nur für längere „Lieferzeiten“, sondern auch für steigende Kosten. Hinzu kommt der Materialmangel. Es scheint, als sei das ganze Räderwerk durcheinander geraten.
Unproduktive Stunden . . .
Kalbe: „Die steigenden Preise für Material, für Energie, für Treibstoff und natürlich auch für Personal schlagen sich beim Kunden direkt nieder. So entsteht der Eindruck, als stoße sich das Handwerk in diesen Zeiten gesund. Aber das stimmt nicht. Die Zahl der unproduktiven Stunden beispielsweise durch Verkehrsprobleme durch Staus, Tests, Quarantänezeiten und so weiter nehmen drastisch zu. Das sind alles unkalkulierbare Kostenfaktoren. In diesen Zeiten verdienen wir kein Geld. Auf lange Sicht heißt das: Wenn wir keinen Umsatz machen können, wird das ein existenzielles Problem für viele Handwerksbetriebe.“ Die Gemeinkosten seien um zwölf bis 20 Prozent gestiegen.
Das Hamburger Baustellen- und Stauthema macht speziell dem Handwerk im Hamburger Süden zu schaffen. Rainer Kalbe: „Wenn ich weiß, dass der Tunnel zu ist, weil wieder eine Röhre saniert oder ein Deckel gebaut wird, nehme ich keine Aufträge aus dem Norden Hamburgs an. Ich musste mehrfach ablehnen.“
Mitten in diese Situation hinein sorgt jetzt der Fachkräftemangel für weiteren Stress. Kalbe: „Früher hatte ich lieber mal einen Gesellen mehr, aber heute segeln wir personell an der Kante. Ein Ausfall und die ganze Baustellenplanung gerät durcheinander.“
Speziell im Bereich Heizung sei Planung ohnehin eine labile Angelegenheit, wie Rainer Kalbe sagt: „Im Schnitt haben wir ein bis drei Noteinsätze pro Tag – Heizungsausfälle. Dann muss sofort jemand von der Baustelle abgezogen werden, um die Anlage wieder zum Laufen zu bringen.“
„Das Handwerk stirbt nicht aus!“
Trotz aller Hemmnisse in diesen unruhigen Zeiten hat Rainer Kalbe eine Botschaft an potenzielle Mitarbeiter: „Das Handwerk stirbt nicht aus! Wir bieten anspruchsvolle und abwechslungsreiche Arbeitsplätze. Ob Klima/Lüftung, Wärmepumpentechnik, Solarthermie – alles spielt zusammen und das bedeutet: Wir haben es mit einer umfassenden Steuerungs- und Regelungstechnik zu tun. Jede Heizungsanlage ist individuell zu betrachten, da es so viele Einflussfaktoren gibt. Hier ein optimales Ergebnis zu erzielen, ist kein Routinejob.“ Und er sagt: „Klar, man muss für sein Geld arbeiten, aber man kann sich auch grenzenlos weiterentwickeln. Das Handwerk bietet dazu Riesenchancen.“
Bei so viel Vielfalt ergeben sich automatisch bevorzugte Spielfelder. Kalbe: „Wir versuchen, für jeden Mitarbeiter die passende Arbeit zu finden. Wer beispielsweise mit Vorliebe Bäder baut, soll das auch machen dürfen. Und wir setzen auf Flexibilität. Ich habe Arbeitszeitkonten angelegt. Auch die Gesellen haben ja gern einmal ein langes Wochenende und freitags frei. Im Bürobereich bieten wie die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Oder auch in Teilzeit.“
Als Bezirkshandwerksmeister ist das Thema Ausbildung für Rainer Kalbe Ehrensache und auch dringend geboten. Sechs Azubis sind im Unternehmen, allerdings: „Die wenigsten bleiben.“ Mittlerweile liege die Quote der Bewerber mit Migrationshintergrund bei 100 Prozent, so seine Beobachtung. „Immerhin ist der aktuelle Jahrgang wirklich gut und interessiert – das Heranziehen von neuen Gesellen ist für mich das wichtigste Thema. Wir haben hier eine familiäre Struktur. Ich erwarte von meinen Mitarbeitern einen respektvollen, freundlichen und hilfsbereiten Umgang. Das Wohlergehen aller steht für mich im Mittelpunkt.“ wb
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