Janina Rieke, Vorständin
der Sparkasse Lüneburg, über Schutzraum-
Projekte, neue Produkte und „abgefahrene
Ideen“ zur Belebung der Filialen.
Seit dem 1. Juli 2021 steht Janina Rieke als neue Vertriebsvorständin der Sparkasse Lüneburg an der Seite des Vorstandsvorsitzenden Torsten Schrell. Gemeinsam führen beide die Sparkasse durch die Pandemie und die Null-Zins-Phase – in eine hoffentlich blühende Zukunft. Wie die aussehen könnte, erläutert die zweifache Mutter im Interview mit B&P-Redakteur Wolfgang Becker. Ein Gespräch mit Überraschungseffekt.
Corona und Lüneburg – wie wirkt sich die Pandemie auf die Stadt aus?
Lüneburg schlägt sich insgesamt gut – weil die Stadt einen gesunden Mittelstand hat. Wir haben zwar auch mit Leerständen zu tun, aber man sieht, wie quirlig die Lüneburger sind. Unternehmer tun sich zusammen, Kaufleute eröffnen gemeinsam Pop-up-Stores . . .
. . . die Gelbe Leiter sorgt für Aufmerksamkeit.
Genau – ein Zeichen der Solidarität mit den inhabergeführten Geschäften. Eine total gute Idee. Das gilt auch für die Pop-up-Stores. Man kann sagen: Hier ist echt was los. Auch die Tagestouristen sind zurückgekehrt – sogar die Hotels waren zeitweise schon wieder ausgebucht. Nun müssen wir mal sehen, wie sich die aktuelle Corona-Entwicklung auswirkt.
Wie ist die Stimmung im Mittelstand?
Bis vor wenigen Wochen war sie sehr positiv. Jetzt kommt wieder so eine gewisse Unsicherheit auf. Was wir merken: Die Menschen sehnen sich wieder nach Kontakten. Wir hatten das Herren-Essen des Vereins der Lüneburger Kaufleute mit 200 Menschen, die Lünale mit 300 Gästen. Und die Stimmung war durchweg gut.
Corona ist ja bei Weitem nicht die einzige Krise – da wäre ja auch noch die andauernde Null-Zins-Phase und das demolierte Geschäftsmodell von Banken und Sparkassen . . .
Die Null-Zins-Phase ist für Sparkassen und Volksbanken schlicht eine Katastrophe. Das alte Modell funktioniert nicht mehr. Wir nehmen das Geld von den Sparern für Null, lagern es ein und zahlen auch noch dafür. Unsere vergebenen Kredite berechnen wir dagegen ausgehend vom Marktzins. Das passt nicht.
Die meisten Banken und Sparkassen sind deshalb auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern, zumindest aber Ertragsquellen. Wie sieht es da bei der Sparkasse Lüneburg aus?
Wir waren schon immer stark im Immobiliengeschäft. Das Geschäftsfeld hatten wir schon aktiv ausgefahren. Wir gucken gerade für uns, was neue Geschäftsfelder sein können. Wir probieren auch mal Themen aus.
Nehmen Sie auch Immobilien in den eigenen Bestand?
Wenn es passt, können wir uns gut vorstellen, Wohnimmobilien mit dem Schwerpunkt „bezahlbares Wohnen“ in den eigenen Bestand zu nehmen. Das ist ein Thema für 2022.
Was planen Sie noch?
Wir haben einen neuen Bereich mit dem Schwerpunkt digitaler Vertrieb gegründet. Eine ausschließlich digitale Filiale, in der unsere Kundinnen und Kunden zu allen Finanzthemen beraten werden. Bislang hatten wir das nur auf der Privatkundenseite angeboten, aber das Thema hat durch Corona eine ungeheure Dynamik bekommen, sodass wir es nun insgesamt ausrollen. Ebenfalls 2022 öffnen wir uns für die Vermittlung privater Baufinanzierungen. Unsere Kundinnen und Kunden müssen also nicht mehr zu den typischen Vermittlern gehen, sie bekommen auch über uns maßgeschneiderte Kreditangebote – im Zweifel eben auch von 400 anderen Banken oder Sparkassen. Die persönliche Ansprechperson in unserem Hause bleibt jedoch erhalten. Ich denke, wir werden das ab Frühjahr 2022 scharfschalten.
Gibt es eine Devise für das kommende Jahr?
Wir wollen mutiger sein. Das heißt konkret: Wir wollen sogenannte Schutzraumprojekte machen.
Was heißt denn das?
Wir lassen uns verrückte Ideen einfallen und probieren sie in einem kleinen Schutzraum aus. So können wir testen, wie diese Ideen ankommen. Dazu sind wir gerade ganz aktuell in der Ideen-Sammelphase. Dann diskutieren wir darüber und stimmen ab, was wir ausprobieren wollen. Anschließend wird das testweise in einem Team umgesetzt – trial and error.
Das Prinzip Versuch und Irrtum? Das klingt sehr spannend. Haben Sie da ein konkretes Beispiel?
Eine Filiale wird jetzt mal ausprobieren, ein noch stärkerer Teil der Region zu sein, sich für die Kommune zu öffnen. Vielleicht kann sie Veranstaltungsort sein. Oder etwas anderes.
Es soll also das regionale Leben in die Filiale einziehen?
Ja, Themen die über Finanzen hinausgehen. Vielleicht lässt sich ein Schulprojekt umsetzen. Oder ein Ausstellungsraum für regionale Künstler einrichten.
Das ist ja nicht unbedingt eine Neuerfindung, denn andere Sparkassen bieten Ähnliches an.
Wir haben uns das bei verschiedenen anderen Sparkassen angeschaut. Dabei zeigt sich Gutes und weniger Gutes. Und zu allem gibt es verschiedene Meinungen. Aber wir wollen experimentieren. So prüfen wir, ob wir nicht künftig auch Strom und Gas anbieten können. Unsere Grundfrage lautet: Wie können wir den Menschen vor Ort das Leben einfacher machen?
Das bedeutet: Sie wollen den Servicegedanken über das Thema Finanzen hinaus ausweiten, denn die Strukturen sind ja da. Und die Kontakte ebenfalls. Wäre es eigentlich auch eine Überlegung, die Renaissance des Dorfladens zu unterstützen? Nahversorgung ist ein durchaus akutes Problem gerade in der Fläche, aber vermutlich wird die Sparkasse nicht anfangen, Lebensmittel zu verkaufen . . .
. . . da ist schon was dran. Ich bringe intern immer gern das Beispiel der Tankstelle. Dort gab es früher nur Benzin und Öl. Heute ist das der kleine Supermarkt, die Toto-Lotto-Annahmestelle, der Paketshop, ein Back-Shop und neuerdings auch ein Café, weil Verweilstellen eingerichtet werden. Deshalb ist es nötig, dass wir uns als Sparkasse gedanklich von unseren täglichen Themen rund ums Finanzgeschäft lösen und einfach mal die Frage beantworten, wie wir den Menschen das Leben einfacher machen können. Und das kann in Bardowick anders aussehen als in Amelinghausen – weil sich die Bedürfnisse vor Ort vielleicht völlig unterscheiden.
Junge Familien ziehen raus aufs Land. Der Sprit wird immer teurer. Homeoffice wird zur Dauereinrichtung. Ist jetzt die Zeit für die Wiederbelebung dörflicher Strukturen gekommen? Und kann die Sparkasse da ein Treiber sein?
Ich glaube ja. Jetzt ist die Zeit, in der wir uns aus dem traditionellen Denkmuster lösen müssen. Dazu haben wir mehrere Kreativ-Teams gegründet.
Frau Rieke, wann haben wir die erste Kühltheke in der Sparkassen-Filiale?
Wer weiß . . . als wir darüber diskutiert haben, meinte jemand, es gebe im Dorf auch keine Schlachter mehr, wohl aber diese Automaten für Frischfleisch. Warum sollte der nicht bei uns stehen? Okay, habe ich gesagt, abgefahrene Idee, aber warum eigentlich nicht? Und wissen Sie was: Eine Tankstelle in Lüneburg hat genau so einen Automaten aufgestellt. Also, es gibt viele Idee, und wir schauen mal, in welche Richtung sich das entwickelt.
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