Die Neuerfindung des Katenschinkens

Foto: BasedahlHenning Basedahl in der Räucherkammer: So groß sind die üblichen Katenschinken, doch die Zeiten der Sauenschinken sind vorüber. Der Hollenstedter musste seinen Premium-Schinken neu erfinden. || Foto: Basedahl

Der Hollenstedter „Schinkenmacher“ Henning Basedahl über seine langjährige Neuentwicklung.

Der Tag, an dem Henning Basedahl in der Küche seines Betriebes in Hollenstedt saß und aus dem Fenster starrte, ist noch gar nicht so lange her. Eine radikale Veränderung auf dem Markt für Sauenschinken hatte dafür gesorgt, dass nichts mehr so war wie gewohnt. Beim Besuch von B&P spricht der Inhaber und Geschäftsführer der Basedahl Schinkenmanufaktur offen über diese Zeit: „Ich habe hier gesessen und geheult. Und gedacht: Nun ist es Aus – nach 45 Jahren.“ Doch Henning Basedahl ist Unternehmer durch und durch. Wenn der übliche Sauenschinken nicht mehr in der geforderten Qualität zu haben war, musste absehbar etwas Neues her. Nach mehreren Jahren des Herumexperimentierens hatte Basedahl die Lösung gefunden und einen neuen Schinken entwickelt. Er stammt von jüngeren Schweinen, ist folglich kleiner, heller und zergeht auf der Zunge. Der „Schinkenmacher“ Henning Basedahl, so beschrieb ihn der „Feinschmecker“ im Mai, hat die Lösung gefunden. Und noch weitere Überraschungen parat.

„Dann brach der Markt zusammen“

Wir sitzen in der kleinen, behaglichen Küche. Mitarbeiter aus der Salzerei und den anderen Abteilungen kommen herein und machen sich einen Kaffee. Hier lebt die Hollenstedter Schinkenmacher-Community. Kirsten, die Schwester von Henning, sitzt mit am Tisch. Sie ist für das Marketing und den Laden verantwortlich. Auch Betriebsleiter Felix Engel hört zu, als der Chef erzählt, was damals geschehen war: „45 Jahre lang haben wir Katenschinken von der Sau produziert. 20 000 Stück pro Jahr. Unsere Rohware kamen aus Dänemark und Deutschland. Wir konnten uns die besten Schinken aussuchen, um den typischen Basedahl-Geschmack sicherzustellen. Doch dann brach der Markt zusammen.“

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Der Grund: Eine Sau hat nur die Aufgabe, Ferkel zu produzieren. Das macht sie zweieinhalb bis drei Jahre lang. So hart es klingt: Danach sinkt die Zahl der Ferkel und die Sau ist nicht mehr wirtschaftlich. Früher wurden die Sauen mehrere Wochen aufgepäppelt und nachgemästet. Sie kamen zur Ruhe und legten wieder an Gewicht zu – von jeher die beste Grundlage für einen guten Katenschinken. Der Verfall der Fleischpreise sorgte jedoch dafür, dass sich das Mästen nicht mehr lohnte. Basedahl: „Eine schleichende Entwicklung, die es uns immer schwerer machte, die gewünschte Qualität zu bekommen.“

Ende Oktober 2020 zog er die Reißleine: „Wir dachten, es geht mit unserer Produktion zu Ende.“ Allerdings hatte der Hollenstedter schon seit 2015 an einem Schinken von kleineren Schweinen „gebastelt“, wie er sagt. Fündig wurde er in Lohne, Kreis Oldenburg. Dort betreibt Nico Brand in vierter Generation einen mittelständischen Schlachthof. Zwei bis drei Dutzend Landwirte hat er unter Vertrag – sie liefern ihm Mastschweine, die nach Tierwohlgesichtspunkten gehalten werden. Zum Vergleich: Das Lebendgewicht liegt bei 125 Kilo. Die traditionelle Sau brachte 300 Kilo auf die Waage. Folge: Der Katenschinken vom Brand-Schwein wiegt im Schnitt nur noch 13 anstelle der gewohnten 20 Kilo.

Vorsichtiger geräuchert

Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Basedahl im Rückblick: „Die produzierten Schinken waren kleiner, trockener, salziger und fester – ich habe mich lange damit beschäftigt und hatte nicht mehr daran geglaubt, dass wir unseren Qualitätsanspruch in dieses Produkt bekommen. Unser Ziel ist: zart, mild, butterweich auf der Zunge.“ Doch er blieb dran und veränderte immer wieder den Produktionsablauf. Am Ende war klar: Die kleineren Schinken brauchten genauso viel Zeit zum Salzen wie die großen, mussten allerdings vorsichtiger geräuchert werden.

Heute entfallen 85 Prozent der Basedahl-Schinken auf das Schwein von Brand, das höchsten Qualitätsansprüchen genügt, wie Henning Basedahl betont: „Für mich steht die Fleischqualität an erster Stelle.“ Doch er testet weiter. Jeweils fünf Prozent der Schinkenproduktion entfallen auf das Rheinische Strohschwein, das kleine robuste Susländer Schwein aus Schleswig-Holstein und das in Dithmarschen produzierte Ringelswin (Duroc), das exklusiv von „Schönecke seit 1914“ vertrieben wird. Die Ergebnisse sind wie gewünscht: Zart. Mild. Zergeht auf der Zunge.

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Qualität setzt sich durch

Henning Basedahl räumt ein, die Produktionsumstellung auf kleinere Schinken am Anfang unterschätzt zu haben. „Allein in der Zerlegung ist der Arbeitsaufwand um ein Drittel gestiegen. Plötzlich hatten wir einen personellen Engpass – mitten in der Spargelzeit.“ Folge: Der Chef musste sich zeitweise selbst den Kettenhandschuh anziehen und zum Messer greifen. „Ist doch klar – ist schließlich mein Laden. Da muss ich doch anpacken, wenn es eng wird.“

Dennoch entwickelte sich das Jahr 2021 nicht ohne Einbußen. Die Gründe nennt der Hollenstedter: „Zum einen haben wir ein verändertes Ernährungsbewusstsein. Die vegane und vegetarische Szene wird stärker. Auf der anderen Seite leiden wir indirekt unter dem Fachkräftemangel an der Bedientheke, denn unser Produkt muss ja auch verkauft werden. Ich wage mal die Prognose: Die hohe Zeit des Katenschinkens haben wir mengenmäßig hinter uns. Aber damit komme ich klar, denn Qualität setzt sich durch.“

Sind noch die Kunden zu beachten: Bislang war der typische Katenschinken ein echtes Schwergewicht von durchweg dunkler Farbe. Die Schinken der kleineren Schweine, die nun verwendet werden, sind deutlich heller – weil die Tiere beim Schlachten jünger sind. Henning Basedahl: „Das typisch Dunkle ist weg. Aber das Wesentliche passiert zwischen Zunge und Gaumen. Die Qualität ist einfach gigantisch gut.“

Genetisch einheitliche Linie

Dazu meldet sich Betriebsleiter Felix Engel zu Wort und erläutert: „Früher tauchte nach dem Räuchern auch mal ein Schinken zweiter Wahl auf – da kann man ja vorher nicht reinschauen. Heute verarbeiten wir Schinken aus einer genetisch einheitlichen Linie mit durchgängig sehr guter Qualität. Wir arbeiten ohne Zusatzstoffe und verwenden auch keine Farben, um die dunklere Färbung künstlich herzustellen. Schinken von Basedahl ist ein ehrliches Produkt.“

Trotzdem fiel die hellere Färbung auf. Henning Basedahl: „Die Norddeutschen mussten sich daran erst gewöhnen. Die Süddeutschen fanden es klasse – vor allem das niedrigere Gewicht. Eine Pape von drei bis vier Kilo lässt sich ja am Tresen auch viel schneller und im buchstäblichen Sinn leichter verkaufen als ein Sieben- bis Acht-Kilo-Stück . . .“