Die Pläne für einen Weltraumbahnhof auf hoher See werden konkreter – Die Seestadt spielt als Ausgangshafen eine zentrale Rolle.
Von Klaus Mündelein
Bremerhavens Griff ins All hat mit eher kleinem Gerät zu tun. 25 bis 30 Meter hoch sind diese Raketen. Ihre Nutzlast schwankt zwischen 300 und 1300 Kilogramm. Damit sind sie weit entfernt von den 15 bis 20 Tonnen, die eine Ariane-5-Rakete ins All heben kann. Aber die Menge macht hier den Unterschied. Geplant sind Serien, bei der alle zehn Tage eine Rakete abheben soll. An 250 Tagen im Jahr soll das auf hoher See möglich sein. Im Winter dürfte es wetterbedingt zu Einschränkungen kommen.
Wenn sich Bremerhaven als Basis etablieren sollte, könnte es sein, dass sich Raketenhersteller ansiedeln und Arbeitsplätze mitbringen. Bedeutsam sei für Bremerhaven nicht nur der zusätzliche Umschlag an der ABC-Halbinsel im Kaiserhafen. Entscheidend seien die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze, die das Projekt samt seinen nachgelagerten Systemen mit sich bringen wird, sagt Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der das Projekt bei der Bundesregierung vorangetrieben hat.
Das Geschäft mit Kleinsatelliten wächst seit Jahren. Sie werden gebraucht für Mobilfunk, Internet und Anwendungen wie autonom fahrende Autos, für die es die Signale aus dem All braucht. Aber auch in der Forschung sind sie gefragt, etwa für die Überwachung der Eisentwicklung in den Polarmeeren. Der BDI will den Markt nicht nur dem Ausland überlassen. Es gibt allein in Deutschland drei Hersteller von Kleinraketen. Ein nationaler Weltraumbahnhof erleichtert deren Arbeit und Entwicklungsmöglichkeiten.
Raketen sind schwierig zu exportieren
Natürlich könnten sie ihre Raketen auch in Indien oder den USA ins All schicken. Aber das würde viel Bürokratie bedeuten. Ausfuhrgenehmigungen sind für Raketen problematisch, da sie grundsätzlich auch militärisch nutzbar sind. „Da sind dann umfangreiche Genehmigungen nötig, was enorme Kosten verursacht“, sagt Wachter. Das fällt alles weg, wenn die Rakete in deutschen Gewässern starten kann.
Weil es im dicht besiedelten Deutschland wenig Platz gibt, war die Idee einer Startrampe auf hoher See, wo die Konfliktpotenziale mit der Nachbarschaft geringer sind, schnell geboren. Inzwischen gibt es ein Konsortium in Bremen, das das Projekt verwirklichen will. Die Satellitenschmiede OHB gehört dazu, die selbst an einem Kleinraketenhersteller beteiligt ist. Dazu gehören auch die Reedereigruppe Harren & Partner und das Industrieversicherungsunternehmen Schwarze und Lampe, das sich den wichtigen Versicherungsfragen widmet. Gosa nennt sich der Verbund, der nun eine Menge Grundlagenarbeit zu bewältigen hat.
Die BLG gehört zu den Partnerfirmen. Sie stellt die ABC-Halbinsel als Ausgangsbasis in Aussicht. An der Kaje könnten die Schiffe der Reederei Harren & Partner ihre Fracht an Bord nehmen. Sie verfügt über zwei Schwergutschiffe, die unter dem Namen „Combi Dock“ bei der Lloyd Werft fertiggestellt wurden. „Sie sind von den Raketenherstellern geprüft worden“, sagt Wachter: Sie eigneten sich sehr gut für ihre Zwecke.
„Die Raketen sind fragil“, erläutert er. Es wäre ungünstig, sie mit einem Kran an Bord heben zu müssen. Die Idee ist deshalb, die Rakete gleich in die Abschussvorrichtung, die man sich als Box vorstellen kann, zu stellen und das Gesamtpaket über die Heckrampe ins Schiff zu ziehen. „Die Box schützt auch die empfindliche Rakete“, sagt Wachter. Und so können unabhängig vom Schiff auf der ABC-Halbinsel gleich mehrere Starts vorbereitet werden, die je nach Bedarf verladen und zur Abschusszone gebracht werden können.
Die Abschusszone befindet sich im sogenannten „Entenschnabel“. Dabei handelt es sich um einen Bereich der Nordsee, der als deutsche ausschließliche Wirtschaftszone bezeichnet wird und in dem Deutschland in begrenztem Umfang souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse hat. Es ist bereits geklärt worden, dass in der Spitze des Entenschnabels keine Windparks entstehen sollen. Es gibt keine Nutzungskonkurrenz, der 460 Kilometer von der Küste entfernte Platz sei also frei für Raketenstarts, sagt Wachter.
Der Naturschutz ist aber auch hier ein Thema. Die Initiatoren sind im Gespräch mit dem Umweltministerium und den Naturschutzverbänden. „Die Belastungen sind sehr überschaubar“, sagt Wachter. Anders als bei Windkraftanlagen gibt es keine Belastung des Meeresbodens. Und die Lärmbelästigung beschränkt sich auf die Startphase. „Nach 30 bis 40 Sekunden hört man nichts mehr“, sagt Wachter. Die ausgebrannte erste Stufe fällt allerdings wieder vom Himmel und soll dann von Schiffen eingesammelt werden.
Bis zu den ersten Starts gibt es noch viel zu tun. „Es wird derzeit an einem detaillierten Konzept gearbeitet, um die Genehmigung zu bekommen“, sagt Bremerhavens Wirtschaftsförderer Nils Schnorrenberger. Die Genehmigung sei die größte Hürde. Er erwartet sich viel von dem Projekt. „Die Komponentenhersteller wollen nicht weit vom Hafen entfernt sein, von dem aus sie die Raketen losschicken“, sagt er.
Konsortium sammelt Geld
Schnorrenberger will das System an Bremerhaven anbinden. Denn letztlich könnten die Raketen auch in anderen Häfen auf ihre Reise geschickt werden. Deshalb ist es für ihn wichtig, dass es nun ein Projekt mit Bremer Unternehmen wurde. „Wenn das funktioniert, werden wir uns weitere Gedanken machen“, sagt Schnorrenberger. Zum Beispiel über das Thema Ausbildung und Hochschulangebote. Die Logistik sei für die Firmen wichtig, aber auch gut ausgebildete Mitarbeiter.
Neben den Genehmigungen der Behörden ist halt auch Geld notwendig. Das Bremer Konsortium sammelt nun Mittel bei den Gesellschaftern ein, aber auch beim Bund und bei den Ländern. 22 bis 30 Millionen Euro, so erste Schätzungen, würden für Investitionen und Betriebskosten anfallen. Die Fördermittel sind wichtig, weil das Projekt gerade in der Anfangsphase wohl nicht auskömmlich sein wird.