Harburger Start-up Konvoi entwickelt ein intelligentes Sicherheitssystem –„beyourpilot“ hilft mit
Nicht ohne Stolz verweist Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann darauf, dass sich im Corona-Jahr 2020 218 Start-ups in der Hansestadt Hamburg gegründet haben. Eines trägt den Namen Konvoi und sitzt im Start-up Port an der Harburger Schloßstraße. Die Wirtschaftsingenieure Alexander Jagielo (26) und Heinz Luckhardt (27) haben sich im Oktober gemeinsam mit der IT-Spezialistin Divya Settimali (30) auf den Weg in die Selbstständigkeit gemacht. Sie entwickeln im Harburger Binnenhafen ein intelligentes System zur Ladungssicherheit beispielsweise von Lastwagen, unterstützt von den Gründungsberatern bei „beyourpilot“ im Start-up Port, einem von der Hamburg Innovation GmbH betriebenen Gemeinschaftsprojekt von vier Hamburger Hochschulen und dem Desy.
Alexander Jagielo: „Ich bin nicht nur familiär vorbelastet, sondern war schon während des Studiums frühzeitig mit einem Forschungsprojekt zum Thema Ladungsdiebstahl befasst. Dabei ging es um die Frage, wie Diebstähle aus abgestellten Trailern verhindert werden können. Der klassische Fall: Die Lkw-Plane wird aufgeschlitzt oder die Tür wird aufgebrochen – dann ist die Ware weg.“ Diesen Vorgang quasi vorherzuahnen und entsprechend gegenzusteuern, das soll die Elektronik lösen, die er mit seinen beiden Mitstreitern derzeit entwickelt.
Die Grundidee stellte Alexander Jagielo bereits 2016 im Start-up-Dock der TUHH und dann drei Jahre später gemeinsam mit Heinz Luckhardt den versammelten Gründungsberatern vor. Sie ermutigten die beiden, sich für das Exist-Gründerstipendium zu bewerben. Das Förderprogramm versetzt Gründer finanziell in die Lage, sich zwölf Monate auf die Entwicklung ihrer Idee zu konzentrieren.
Passant oder Einbrecher?
Mittlerweile ist das Konvoi-Trio emsig bei der Arbeit. Im Start-up Port haben sie eine kleine Werkstatt eingerichtet und testen hier Sensoren, Platinen und Programme. Heinz Luckhardt erläutert, wie Einbrecher daran gehindert werden sollen, einen Anhänger auszuräumen: „Der Lkw wird rundum mit Sensoren bestückt, die jede Bewegung im Umfeld detektieren. Die Software lernt anhand der Bewegungsprofile sich nähernder Personen zu unterscheiden, ob es sich um einen Passanten oder aber jemanden handelt, der sich mit bösen Absichten nähert.“ Alexander Jagielo: „Schlägt das System an, können im ersten Schritt beispielsweise Leuchten eingeschaltet werden, denn Licht schreckt ab. Die Abwehrreaktionen des Systems lassen sich dann steigern – zum Beispiel durch einen anschwellenden Ton sowie durch die Alarmierung des Fahrers und eines Sicherheitsdienstes. Zugleich werden Kameras zugeschaltet, die erfassen, was sich rund um den Lkw tut.“ Einfach gesagt: Jetzt beobachtet der Lkw den mutmaßlichen Einbrecher und wehrt sich. Kurz: Die Abschreckungsmaßnahmen eskalieren schrittweise und erhöhen den Druck auf mutmaßliche Einbrecher.
Das nächste Ziel im Start-up-Zeitplan ist der Bau eines Prototyps. Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz, also eine selbstlernende Software, steht auf der Agenda – ein langfristiges Thema, wie Alexander Jagielo sagt. Parallel zur technischen Entwicklung sind die Harburger Gründer dabei, Partner zu suchen – beispielsweise Fuhrunternehmen, die das Sicherheitssystem testweise einsetzen. Oder auch Investoren, die dieser neuen Idee zur Marktreife verhelfen wollen. Zwar gibt es verschiedene Produkte wie beispielsweise schnittfeste Lkw-Planen, die Dieben und Einbrechern den Zugriff erschweren sollen, aber die beiden TUHH-Absolventen wollen mit ihrer Entwicklung etwas völlig Neues auf den Markt bringen.
„Intelligenter Bewegungsmelder“
Neu dürfte dabei auch die Vermarktungsidee sein, denn eigentlich versteht sich Konvoi nicht als technischer Produktentwickler, sondern vielmehr als Dienstleister. Das Sicherheitssystem soll von den Logistik-Unternehmen gemietet werden – das garantiert permanente Betreuung, technische Funktionalität und Updates für die Software, die mit jedem Einsatz verbessert wird. Heinz Luckhardt: „Im Grunde entwickeln wir einen intelligenten Bewegungsmelder. Dazu setzen wir Ultraschall und Radar ein. Wir können sogar Materialien orten – beispielsweise einen Metallgegenstand in der Hand einer sich nähernden Person. So ein System lässt sich vielfältig einsetzen, beispielsweise auch für die Überwachung von Yachten, teuren Fahrzeugen und natürlich Immobilien. Unser Ansatz für die Transportunternehmen: Wir wollen das Problem lösen, bevor es zur konkreten Störung in der Lieferkette kommt.“
Vorerst entsteht im Startup Port jedoch die erste minimalisierte Basisstufe des Systems. Dann soll die Technik in Kooperation mit den potenziellen Kunden Schritt für Schritt erweitert und marktgerecht optimiert werden. Die Programmierung des ersten Algorithmus‘ ist in Arbeit – eine Aufgabe für Divya Settimali.
Die Konvoi-Gründer sind froh, dass sie jetzt im Start-up Port eine gute Basis und Unterstützung gefunden haben. Den Weg bis zu diesem Punkt der Gründergeschichte kommentiert Heinz Luckhardt dennoch so und spricht damit zugleich ein generelles Problem an: „Im Vergleich zu anderen Ländern hinkt Deutschland bei der Start-up-Kultur weit hinterher. Wir sollten endlich mal Gas geben und nicht alles so kompliziert machen. Die Bürokratie ist enorm. Wagniskapital sollte effizienter freigegeben werden. Dabei mangelt es nämlich wirklich nicht an guten Ideen . . .“ wb
218 neue Start-ups seit September 2020 gegründet
Trotz des schwierigen Corona-Jahrs entwickeln sich der Innovationsstandort und die Startup-Metropole Hamburg positiv. 2020 gab es 218 neue Start-up-Gründungen. Besonders in den Bereichen Software, eCommerce, Lebensmittel und Medizin entstanden neue Unternehmen. Somit gibt es mittlerweile 1271 aktive Start-ups in Hamburg. Und auch das Jahr 2021 beginnt vielversprechend: Bis Ende Januar gründeten sich bereits fünf neue Start-ups.
Michael Westhagemann, Senator für Wirtschaft und Innovation: „Dass es selbst im Corona-Krisenjahr 2020 218 Start-up-Neugründungen in Hamburg gab, zeigt, dass die seit Jahren verfolgte Innovations-Strategie und Start-up-Förderung des Senats Früchte trägt. Zusätzlich haben wir gezielte Hilfen für Start-ups und wachstumsorientierte kleine und mittelgroße Unternehmen auf den Weg gebracht, die ihnen gut durch die schwere Zeit helfen sollen. Dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird, hat der Senat mit der Ausweitung des Corona Schutzschirms und der Verlängerung und Aufstockung des Corona Recovery Fonds sichergestellt. “
Die Zahlen an Neugründungen im Jahr 2020 stimmen positiv: Seit der letzten Erhebung im September 2020 gründeten sich 18 Start-ups neu und 29 zogen in die Hansestadt. Dass jedoch das Corona-Jahr 2020 auch nicht spurlos an den bereits bestehenden Hamburger Start-ups vorbeiging, zeigt die Zahl an Liquidierungen, Umzügen und inaktiven Unternehmen: Insgesamt 79 Start-ups betraf einer dieser Umstände seit dem September 2020. Wegen der ausgesetzten Insolvenzanmeldungspflicht bleibt abzuwarten, wie sich insbesondere kleine Firmen entwickeln, die sich ohne größere Investoren weitgehend über Eigenmittel finanzieren. Seit dem Jahr 2013 gibt es jedoch beständiges Wachstum im Bereich der Start-up-Gründungen, im Vergleich zu 2019 wurden 2020 zehn Start-ups mehr gegründet.