Der Siegeszug der Schinkenwürfel

Foto: Bell DeutschlandDer Siegeszug der Schinkenwürfel... || Foto: Bell Deutschland

Interview mit Stephan Holst über die Geschäfts­entwicklung in einem Ausnahmejahr

Zu den Profiteuren der Corona-Krise zählt zweifellos der Lebensmittelhandel – vor allem zur Zeit des Lockdowns ab Mitte März, aber auch danach besannen sich die Deutschen auf ihre Kochkünste und kauften die Zutaten dafür ein. Es wurde viel häufiger zu Hause gegessen – auch dies dürfte sich positiv im Handel niedergeschlagen haben. Doch der „Zurück an den heimischen Herd“-Trend schlägt nicht zwangsläufig bis auf die Ebene der Hersteller zurück. Die Lebensmittelindustrie blickt demnach zwiespältig auf den Corona-Effekt – vor allem weil ein großer Marktbereich zeitweise komplett ausfiel: die Gastronomie. B&P-Redakteur Wolfgang Becker sprach mit Stephan Holst, Marketingleiter bei Bell Deutschland (ehemals Abraham Schinken) mit Sitz in Seevetal-Meckelfeld, über das zurückliegende Geschäftsjahr.

Wenn man auf dem Markt für Wurst- und Fleischwaren nach einem Trend im Corona-Jahr 2020 fragen würde, könnten Sie einen benennen?

Zu Hause kochen liegt im Trend, und das hat Corona erheblich verstärkt. Als eine vielfältig einsetzbare Zutat für verschiedene Gerichte ist der Schinkenwürfel deshalb in diesem Jahr stark nachgefragt worden. Dieser Absatzschub betrifft sicherlich viele klassische Zutaten. Daneben verzeichnen wir eine hohe Nachfrage nach spanischem Serrano Schinken. Das ist aber letztlich wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Spanien Reiseziel Nummer eins der Deutschen ist. Wer aus dem Urlaub zurückkehrt oder in diesem Jahr auf die Spanien-Reise verzichten musste, möchte spanisches Lebensgefühl zu Hause erleben.

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Der Siegeszug der Schinkenwürfel – deutet das auf einen positiven Corona-Effekt für den Schinken-Markt hin?

Aufgrund der Gesamtsituation haben es die Hotellerie und Gastronomie sehr schwer, und die Spargel- und Schinkenzeit von April bis Juni 2020 ist in der Gastronomie in großen Teilen ausgefallen. Insofern ist die Situation sehr unterschiedlich. In Summe aber kein Marktrückgang und das ist in unruhigen Zeiten schon positiv zu bewerten.

Es gibt also zwei Seiten der Medaille – einerseits Zuwächse, andererseits weniger Geschäft. Welche Bilanz ziehen Sie für das zurückliegende Ausnahmejahr?

Angesichts der vielen Unsicherheiten ist man gut beraten, erst am 31. Dezember ein Resümee zu ziehen. Ich selbst erhoffe mir, dass die Wertschätzung für die Lebensmittelindustrie und ihre Mitarbeiter beibehalten wird. In einer der schwersten Krisen der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde und wird Außergewöhnliches geleistet, und die Menschen werden täglich mit einer Vielfalt an hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt. Und das gilt übrigens auch für die vielgescholtene Fleisch- und Wurstwarenindustrie.

Bell Deutschland hat sich mittlerweile vom Wurstwarengeschäft getrennt und konzentriert sich in diesem Segment nun auf den Schinken. Wie in B&P unter dem Titel „Klimawandel an der Schinkentheke“ schon einmal ausführlich berichtet, ist der mediterrane Serrano auf dem Vormarsch. Hat sich diese Entwicklung verfestigt?

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Serrano ist die beliebteste Sorte unter den internationalen Rohschinken in Deutschland. Insofern war es eine kluge Entscheidung, bereits 2005 mit einer eigenen Produktionsstätte in der Nähe von Toledo, die Produktion für den deutschen Markt selbst in die Hand zu nehmen. Mittlerweile sind es drei Fabriken in Spanien für Schinken und spanische Wurstwaren, die organisatorisch zu Bell Deutschland gehören und quasi aus Meckelfeld gesteuert werden.

Was tut Bell, um das Produkt präsent zu halten. Und welche Rolle spielen dabei die digitalen Plattformen, die zunehmend an Marketing-Gewicht gewinnen?

Mit einer breit angelegten Verbraucher-Kampagne haben wir den Fokus auf unsere mediterrane Schinken-Spezialität gelegt. Über Plakatwerbung, Rezeptservice, Gewinnspiele und Social Media geben wir zahlreiche Verzehranregungen und Rezepte rund um die kulinarische Themenwelt der spanischen Tapas. Tapas sind in Spanien ein beliebter Imbiss, der auch außerhalb der regulären Mahlzeiten genossen wird. Besonders als Appetithappen in geselliger Runde sind Tapas mit Serrano Schinken einfach nur lecker.

Könnte man sagen „Serrano ist der neue Katenschinken“? Die Frage kommt natürlich nicht zufällig, denn speziell im Stammwerk Seevetal wird der Katenschinken produziert – Serrano ist markentechnisch geschützt und braucht zudem die Mittelmeerluft, die haben wir hier nicht. Gibt es Veränderungen, die den Standort im Landkreis Harburg betreffen?

Veränderungen bei Abraham Katenschinken? Wer will denn sowas? Das machen wir sicher nicht, unser Qualitätsanspruch bleibt unverändert. Seit 1981 – also seit fast 40 Jahren – wird in Meckelfeld Abraham Katenschinken hergestellt, und das soll auch so bleiben.