Der Herr der Flächen

Foto: Wolfgang BeckerStefan Wieschebrock (34) hat zum 1. September 2020 die Bereichsleitung des Immobilienservice bei der Hamburg Invest Wirtschaftsförderung übernommen || Foto: Wolfgang Becker

Stefan Wieschebrock leitet bei Hamburg Invest die Bereiche Immobilienservice und Gewerbeflächenentwicklung

Wenn sich ein Unternehmen in Hamburg ansiedeln oder vergrößern möchte, ist der Immobilienservice von Hamburg Invest die erste Adresse. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft entwickelt und vergibt städtische Grundstücke und vermittelt darüber hinaus zu privaten Immobilienangeboten sowie zu Standorten in der Metropolregion, um Kunden trotz des knappen Flächenangebotes in der Hansestadt ein passendes Angebot zu unterbreiten. Mit dem neuen „Herrn der Flächen“, Stefan Wie–schebrock, sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker.

Sie sind der neue Bereichsleiter Immobilienservice der Hansestadt Hamburg. Und damit erster Ansprechpartner für Unternehmen, die eine städtische Gewerbefläche oder ein Büro in Hamburg haben möchten. Also man könnte sagen: der Herr der Flächen. Was heißt das konkret?

Das bin natürlich nicht nur ich, da steckt ein ganzes Team dahinter. Kurz zusammengefasst: Wir helfen Unternehmen, die sich in Hamburg neu ansiedeln oder hier erweitern möchten, bei der Suche nach einem neuen Standort. Um Wachstumsmöglichkeiten zu bieten, sondieren wir das städtische wie private Immobilienangebot, bieten dem Kunden so den ganzen Blumenstrauß der Optionen und kooperieren darüber hinaus mit der Metropolregion. Die Anfragen decken dabei die ganze Bandbreite der Hamburger Wirtschaft ab: Vom kleinen Mietgesuch mit wenigen 100 Quadratmetern zum Beispiel für ein Start-Up über Gesuche von Unternehmenszentralen bis hin zu Anfragen von Handwerksunternehmen sowie forschenden und produzierenden Unternehmen und Gesuchen der Logistikbranche, die in der Regel Flächen mit mehreren Hektar nachfragen.

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Wie viele Anfragen gehen bei Hamburg Invest ein?

Wir begleiten im Jahr erfolgreich mehr als 120 Flächen-Projekte. Auf unserer Immobiliendatenbank HDB gehen natürlich viele Anfragen ein, oft helfen sich die Firmen dort auch direkt.

Große Flächen und Hamburg – das passt zumindest in der Außenwahrnehmung nicht wirklich zusammen. Wie steht es um das Flächenangebot?

Bei Anfragen nach zwei bis drei Hektar großen Grundstücken wird es schon sportlich, ein passendes Angebot zu finden. Gerade in der Corona-Krise haben wir registriert, dass der Logistiksektor steigende Bedarfe hat. Wobei wir differenzieren müssen zwischen den klassischen Zentrallagern und zum Beispiel Standorten für die letzte Meile – sogenannten MicroHubs.

MicroHubs sind ein Zukunftsthema. Gibt es da bereits Nachfragen der Logistiker à la DHL & Co., ein Netz von kleinen Verteilstationen über die Stadt zu legen? Wie ist da der aktuelle Stand?

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Vergangenes Jahr haben wir im Auftrag der Wirtschaftsbehörde eine Studie erstellen lassen, wie die Lieferverkehre entzerrt werden können. Sie zeigt bereits Standortvorschläge, die auf unserer Online-Immobiliendatenbank HDB eingesehen werden können. Wir zeigen den Marktakteuren, welche Möglichkeiten sich bieten und begleiten sie bei der Umsetzung.

Stichwort private Flächen – Ihr Service beschränkt sich also nicht nur auf städtischen Grund und Boden?

Tatsächlich vermitteln wir deutlich mehr private als städtische Flächen. Hier stellen wir den Kontakt zu den privaten Eigentümern her. Unser Ziel ist es, unsere Kunden glücklich zu machen und den Unternehmen in Hamburg Entwicklungschancen zu geben. Da das städtische Angebot allein nicht alle Anfragen decken kann, schaffen wir auch private Kontakte. Am Ende steht immer eine unternehmerische Entscheidung des Kunden.

Wenn große Unternehmen direkt außerhalb der Stadtgrenze bauen, sehen Sie das mit einem weinenden Auge? Oder hat sich das Denken in Regionen mittlerweile durchgesetzt . . .

Wir sind ja eine Metropolregion und bieten dem Kunden auch die Optionen, die dort verfügbar sind. Dazu kooperieren wir mit den Nachbarkommunen und Landkreisen. Für uns ist es im Zweifel auch erfreulich, wenn der Kunde im Wirtschaftsraum Hamburg bleibt und nicht vollständig abwandert. Im Übrigen ist es ein Geben und Nehmen – es kommen ja immer mal wieder Unternehmen aus den Nachbarkreisen zurück nach Hamburg. Die Wanderungsbewegung von Firmen in der Metropolregion ist keine Einbahnstraße.

Hat sich Corona irgendwie bemerkbar gemacht?

Bei den Kunden, mit denen wir schon länger verhandelt haben, nicht wirklich. Da gab es keine großen Absagen. Bei Unternehmen, die noch in der Sondierungsphase waren, gab es Verzögerungen, weil Corona-bedingt natürlich andere Themen zu klären waren, wir merken aber, dass die Standortsuche langsam wieder anzieht.

Ein heikles Thema in Hamburg: das Erbbaurecht. Politischer Wille ist es, keine städtischen Flächen mehr zu verkaufen. Für manchen Investor ist das ein Makel. Wie sehen Sie das?

Politischer Wille ist es, Flächen im Erbbaurecht zu vergeben. Das Instrument und die damit einhergehenden Bedingungen sind im Vergleich zu einem Verkauf für viele Kunden natürlich erst einmal ungewohnt und müssen erklärt werden. Es kommt aber auch darauf an, was ich bauen möchte. Logistikhallen haben ja durchaus begrenzte Lebenszyklen, da ist es für die meisten Investoren akzeptabel, wenn sie die Fläche nach zum Beispiel 60 Jahren an die Stadt zurückgegeben müssen. Bei komplexen hochwertigen Immobilien, wie beispielsweise besonders nachhaltigen Bürogebäuden, muss aber auch eine nachhaltige marktgerechte und investmentfähige Lösung gefunden werden.

Wo sehen Sie das größte noch verbliebene Flächenpotenzial in Hamburg?

In der Revitalisierung bestehender Gewerbegebiete. Hier gibt es noch größere Nachverdichtungspotenziale, die im Dialog zwischen der Stadt und den Eigentümern gehoben werden können. Relativ gut sieht es zudem in Harburg beispielsweise entlang der Innovationsachse zwischen Schlachthofstraße und hit-Technopark aus. In Harburg gibt es darüber hinaus mehrere direkt verfügbare Grundstücke.

Immer wieder wurde zumindest aus Harburger Sicht ein Auge auf untergenutzte Hafenflächen geworfen – für die jedoch die Hamburg Port Authority zuständig ist. Sind das für Sie Areale außerhalb des Zugriffs?

Es sind Areale der HPA. Aber wenn wir passende Kunden haben, reden wir natürlich mit den
Kollegen.

Gibt es eine kumulierte Zahl, wie viel Fläche Hamburg derzeit für Gewerbe bereitstellen kann?

Die Vorgabe lautet: 100 Hektar, die ist auch im Masterplan Industrie festgehalten. Die sind sicherlich nicht sofort in vollem Umfang verfügbar, mit entsprechendem Entwicklungsvorlauf aber schon. Da kommen wir dann wieder ins Spiel: Die marktgerechte Entwicklung, Vermarktung und Vergabe von Flächen gehört zu unserem Auftrag.

Zur Person

Stefan Wieschebrock (34) hat zum
1. September 2020 die Bereichsleitung des Immobilienservice bei der Hamburg Invest Wirtschaftsförderung übernommen und damit die Nachfolge von Uta Stammer angetreten, die Ende August in den Ruhestand gegangen ist. Zudem übernahm er bereits per 1. Juli die Bereichsleitung für das Geschäftsfeld Gewerbeflächen in der Hamburg Invest Entwicklungsgesellschaft. Beide Bereiche werden von ihm jetzt in Personalunion geleitet. Als Wirtschaftsförderer mit langjähriger Erfahrung begann Stefan Wieschebrock, von Haus aus Geograph, vor drei Jahren bei der Hamburg Invest (HI) und begleitete seitdem Unternehmen bei Ansiedlungs- und Erweiterungsvorhaben sowie bei der Vergabe und Vermarktung städtischer Büro-, Gewerbe- und Industrieflächen.


www.hamburg-invest.com