Wohin mit meinem Geld?

Zukunftssicherung von Unternehmen

Sechs Anlage-Experten diskutieren in Buxtehude,
welche Strategien jetzt sinnvoll sind und was zur
Zukunftssicherung von Unternehmen zu tun ist.
Von Martina Berliner

Die schmiedeeisernen Fenster sind geöffnet, ebenso die Tür zum Treppenhaus. Es zieht in der Aula der hochschule 21 in Buxtehude. Auch bei einer Diskussionsveranstaltung mit wenigen Teilnehmern gelten strenge Hygienemaßnahmen. Corona hat auch thematische Auswirkungen auf die Diskussion, zu der sich sechs Anlage-Spezialisten von Sparkassen und Volksbanken, ein Professor für Betriebswirtschaftslehre und Finanzmanagement sowie ein Unternehmensberater hier in Buxtehude zusammengefunden haben – exklusiv für B&P.

„Wohin mit meinem Geld?“, lautet die lapidare Frage. Zwar hat die aktuelle Pandemie weltweit massive Anstrengungen zur Rettung der Wirtschaft ausgelöst. Hilfspakete in Billionenhöhe wurden geschnürt. Trotzdem ist nicht absehbar, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt. Die Verunsicherung ist groß. Dazu haben die Nullzins-Politik der vergangenen Jahre und geringe Hoffnung auf die Zinswende das Geschäftsmodell der Banken und Sparkassen verändert. Und: Kunden, die früher noch mit dem Sparbuch zufrieden waren, stellen zunehmend die Frage nach einer guten Anlagestrategie.

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Individuelle Mixtur

„Die Vermögensstrukturierung ist derzeit die wichtigste Entscheidung bei der Geldanlage. Die Aufteilung des Vermögens in die verschiedenen Anlageklassen – Liquidität, Renten, Aktien, Immobilien und Rohstoffe – verbessert das Rendite-Risiko-Verhältnis“, sagt Sonja Köstlin, Regionalleiterin des Private Banking der Volksbank Lüneburger Heide. „Für die private Altersvorsorge gibt es keine festen Produkte. Dazu gehört eine individuelle Mixtur, gemeinsam erarbeitet mit Anlage- und Steuerberater, am besten in mehreren Szenarien“, sagt Ralf Peyke, Leiter Private Banking bei der Sparkasse Stade-Altes Land. „Instrumente staatlicher Förderung und steuerlicher Möglichkeiten sind in die ganzheitliche Anlageberatung einzubeziehen“, fasst Sonja Köstlin zusammen.

Trotz Unwucht zwischen Aktienkurs und Unternehmenswerten beobachtet sie, dass die Anlageklasse „Aktie“ stärker in den Fokus rückt. „Durchaus Aktien zugeneigt“, sind auch viele Kunden von Gerhard Hoffmann, Leiter des Private Banking bei der Volksbank Stade Cuxhaven. Zustimmendes Nicken von Ralf Peyke und Reinhard Lackner, seit Langem in selber Position bei der Haspa tätig.

85 Prozent der Deutschen besitzen keine Aktien

„Wir dürfen aber nicht vergessen, dass bis heute etwa 85 Prozent der deutschen Bevölkerung keine Aktien besitzen. Das ist in anderen Ländern ganz anders“, wirft Antonio do Carmo ein. Der gebürtige Portugiese gehört zum Urgestein der Sparkasse Harburg-Buxtehude. „Tatsächlich haben viele Menschen hierzulande eine tief sitzende Angst vor Aktienanlagen. Dabei ist das gar kein bedrohliches Thema. Börsen schwanken nun einmal“, sagt Marc Stebner von der Kreissparkasse Stade. „Bewegung ist sogar ein gutes Zeichen. Sie zeigt, dass Interesse am Markt ist. Dass gekauft und verkauft wird“, findet do Carmo.

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Dass der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle für die Rentabilitätsbetrachtung spielt, auch ist Konsens. „Aktien und Aktienfonds sind kein Sprint, sondern ein Marathon. Durchhaltevermögen ist wichtig. Wer nach Rückschlägen an der Börse nicht voreilig verkauft, kann einen vorübergehenden Verlust oft schon nach wenigen Monaten wieder in Gewinn umkehren“, stellt Sonja Köstlin fest. „Der deutsche Aktienmarkt ist nicht überbewertet“, sagt Reinhard Lackner. „Es gibt immer wieder neue Rekordstände. Momentan ist so viel Geld auf dem Markt, dass Risiken weggekauft werden. Kleinste Kurskorrekturen werden radikal für Käufe genutzt.“ „Aktien sollten einen festen Platz in der Vermögenswelt risikobereiter Anleger haben“, bekräftigt Marc Stebner.

Die Risiken sauber herausarbeiten

„Die Schwankungsbreite der Kurse wird künftig erheblich steigen. In der Beratung müssen wir die Risiken deshalb sauber heraus arbeiten und den Faktor Zeit im Verhältnis zum Risikogefühl deutlich machen“, sagt Antonio do Carmo. „Zudem ist auch innerhalb dieser Anlageklasse eine breite Streuung sehr wichtig“, sagt Gerhard Hoffmann und erntet Zustimmung seiner Kollegen. Auch darüber, wo Kunden gern investieren, sind sich alle einig: In Wertpapiere von Emittenten, die strengen Kriterien hinsichtlich Umweltmanagement, sozialer Verantwortung und Unternehmensführung genügen. Beliebte und lukrative Geschäftsfelder seien zudem Gesundheit und Digitalisierung.

In Gold sehen die Experten eine gute Beimischung zum Depot, immerhin ist der Goldpreis seit 2002 um 463 Prozent gestiegen. Dennoch sei auch Gold mit Risiken behaftet und deshalb kein Hauptinvestment. „Gold gehört in jedes Depot“, konstatiert Reinhard Lackner. „Es kostet auch keine Zinsen“, sagt Ralf Peyke, der darauf anspielt, dass ein Investment an anderer Stelle ja auch keine Zinsen brächte – es geht also nichts verloren. „Gold ist wie eine Ersatzwährung, die Ausgleich bringt“, meint Antonio do Carmo.

Der Mittdreißiger Falko Junge, der außer seinem Ehering erklärtermaßen kein Gold besitzt, schaut skeptisch. „Junge Leute sind weit weg vom typisch deutschen Sparer. Sie wollen maximale Unabhängigkeit. Sie sind es gewohnt, dass das Leben ständige Veränderung erfordert und Risiken birgt. Sie möchten ihr Geld vor allem mit hoher Flexibilität investieren.“

„Das Nutzen von Gelegenheiten, das Entwickeln von Routinen und das Abwägen von Risiken sind vollkommen normale Abläufe unseres täglichen Lebens. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie längst das perfekte Rüst­zeug für erfolgreiches Anlegen in sich tragen“, sagt Marc Stebner.