Unentgeltliche Wohnungsüberlassung – Schenkungsteuer ohne Schenkung?

Eine Kolumne von Lars Starke, Dierkes Partner

Der Eigentümer einer Wohnimmobilie überlässt einer ihm (regelmäßig) nahestehenden Person unentgeltlich Wohnraum zur Nutzung über einen längeren Zeitraum. Gemeinhin wird hierbei in Praxi nicht an steuerliche Themen gedacht. Übersehen wird aber häufig, dass der Charakter der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nach dem Tatbestand des § 7 I Nr. 1 ErbStG über den alltäglichen und auch den zivilrechtlichen Schenkungsbegriff des § 516 BGB hinausgeht.

Zivilrechtlich handelt es sich bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung von Wohnraum nach richtiger Ansicht um einen (ggf. konkludent zustande gekommenen) Leihvertrag gemäß §§ 598 ff. BGB. Der Entleiher erhält die Möglichkeit zur unentgeltlichen Nutzung und ist verpflichtet, nach Ablauf der vereinbarten Leihfrist die Sache dem Verleiher zurückzugeben, § 604 I BGB. Der Verleiher hat dementsprechend nach § 604 BGB je nach Ausgestaltung der Leihe einen Herausgabeanspruch. Eigentum wird zivilrechtlich mangels Auflassung aber gerade nicht verschafft, § 925 BGB. Eine Schenkung nach §§ 516 ff. BGB liegt demgemäß gerade nicht vor.[1]

Steuerrechtlich unterliegt gleichwohl jede freigebige Zuwendung unter Lebenden der Schenkungsteuer, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 I Nr. 1 ErbStG). In subjektiver Hinsicht muss der Wille des Zuwendenden zur Freigebigkeit hinzutreten. Der Wille zur Freigebigkeit soll dabei schon dann gegeben sein, wenn der Zuwendende mindestens erkennt, keine Gegenleistung zu erhalten, was bei unentgeltlichen Überlassungen häufig auf der Hand liegt.

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Hält man sich den Fall vor Augen, dass der Eigentümer zum Beispiel sein (erwachsenes) ihm gegenüber nicht mehr zum Unterhalt berechtigtes Kind oder den Lebenspartner unentgeltlich bei sich aufnimmt und ohne Miete wohnen lässt, gelangt man gedanklich zur Bereicherung des Nutzenden; er muss keine Miete zahlen und spart so eigene Aufwendungen.

Ob aber die unentgeltliche Wohnungsnutzungsüberlassung auch zu einer Entreicherung des Eigentümers führen kann, ist umstritten. Denn diese setzt beim Eigentümer eine Vermögenssubstanzminderung voraus. Der BFH hatte seinerzeit zur unentgeltlichen Darlehensgewährung geurteilt, dass aufgrund der Inflation und der fehlenden Verzinsung eine Substanzminderung durch Wertverlust beim Darlehensgeber eingetreten sei, und hatte den Zinsvorteil für schenkungsteuerbar erklärt. Hiergegen spricht im Falle der Wohnungsüberlassung aber schon, dass nach der zivilrechtlichen Grundkonstellation der Leihe kein Entgelt zu zahlen ist, auf das verzichtet werden könnte. Im Weiteren kann nach folgenden Fallgruppen unterschieden werden: Aufnahme einer weiteren Person in die selbst genutzte Wohnung (Mitbenutzungsfall) oder Gewährung der Nutzung einer sonst leerstehenden Wohnung (Alleinnutzungsfall).

Mitbenutzung

Der Mitbenutzungsfall ist steuerlich m. E. unproblematisch. Dem Eigentümer entgeht aufgrund der zeitgleichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken keine Alternativmiete. Eine (wenn überhaupt) durch Abnutzung eintretende Wertminderung wäre also sowieso entstanden. Ferner besteht in Fällen der Mitbenutzung der privaten Wohnräume des Eigentümers regelmäßig kein Anhaltspunkt für eine Vermietungsabsicht. Es fehlt letztlich an einer Entreicherung und damit am Tatbestand von § 7 I Nr. 1 ErbStG.

Alleinnutzung

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Der Alleinnutzungsfall ist dagegen für die hiesige Diskussion interessanter, könnte der Eigentümer doch die Wohnung auch entgeltlich im Wege der Miete (§§ 535 ff. BGB) überlassen und so eine Vermögensminderung ausgleichen bzw. bei sich eine Vermögensmehrung generieren. Entsprechend ist dieser Fall in der Literatur umstritten. Das FG Rheinland-Pfalz stellt in seinem Urteil vom 02.04.2002[2] auf die (subjektive) Verwendungsplanung des überlassenden Eigentümers ab. Sah die Verwendungsplanung vor, dass der Eigentümer ohne die unentgeltliche Nutzungsüberlassung anderenfalls entgeltlich vermietet hätte, läge eine Entreicherung des Eigentümers in Höhe der entgangenen Miete vor. Nach Auffassung des erkennenden Senats spreche bei leicht vermietbarem Wohnraum eine Vermutung für eine solche Verwendungsplanung des Eigentümers. Folgt man dem FG Rheinland-Pfalz, ist bei leicht vermietbaren Räumlichkeiten regelmäßig davon auszugehen, dass eine Verwendungsplanung bezgl. einer Vermietung vorläge. Damit läge ein grundsätzlich der Schenkungsteuer unterliegender Vorgang vor. Gegenteiliges müsste der Steuerpflichtige darlegen, was bei subjektiven Merkmalen – also inneren Absichten – naturgemäß schwierig ist. Hat der Eigentümer gleichwohl unmittelbar vor Überlassung des Wohnraums zu eigenen Wohnzwecken in der Immobilie gewohnt dürfte es regelmäßig an der vom FG Rheinland-Pfalz geforderten Verwendungsplanung fehlen.

Mit anderen Worten ist die unentgeltliche Überlassung einer für Vermietungszwecke eingerichteten und vorgesehenen Immobilie schenkungsteuerlich nach der erstinstanzlichen Rechtsprechung relevant. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt hierzu – soweit ersichtlich – aber noch nicht vor. Das dürfte vor allem an der geringen Zahl der entdeckten Fälle liegen. Für die Frage, ob tatsächlich Schenkungsteuer entsteht und festgesetzt wird, kommt es dann wesentlich auf die Einzelheiten des Falls an. So ist die unentgeltliche Überlassung an einen Unterhaltsberechtigten regelmäßig Leistung auf den bestehenden Unterhaltsanspruch und damit nicht steuerbar oder es stehen noch ausreichende Freibeträge zur Verfügung.

Verkürzt wird in der Praxis oftmals angenommen, dass keinerlei Schenkungsteuerrelevanz in den Wohnleihe-Fällen vorliege. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass dies nicht immer richtig sein muss. Wichtig sind vor allem die Fälle, in denen für die Fremd-Vermietung vorgesehener Wohnraum an entfernt Verwandte, den Lebensgefährten oder nicht verwandte Personen überlassen wird. Dies gilt auch im Hinblick auf die Nachfolgeplanung, soweit durch eine vorangegangene Wohnleihe Freibeträge im Vorwege verbraucht wurden. Der weit gefasste Anwendungsbereich der freigebigen Zuwendung sollte also nicht unterschätzt werden: Schenkungsteuer kann auch ohne (zivilrechtliche) Schenkung entstehen.


[1]    Vgl. BGH, Urteil vom 20.06.1984 – Iva ZR 34/83.

[2]    Vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.04.2002 – 4 K 1869/01, in: DStRE 2002, 1078