INTERVIEW Janina Rieke, Michael Pistohl und Thomas Kruse von der Sparkasse Lüneburg ziehen eine Zwischenbilanz aus den Corona-Folgen
Mit einer hervorragenden Öffentlichkeitsarbeit hat der Landkreis Lüneburg täglich darüber informiert, wie sich das Pandemie-Geschehen lokal entwickelt. Die Infektionszahlen waren durchweg niedrig und sanken irgendwann auf null. Am 20. Mai war der Landkreis schließlich „Corona-frei“. Vor allem in der Wirtschaft wirkt das Thema jedoch nach, wie die Experten der Sparkasse Lüneburg am selben Tag im Rahmen einer Telefonkonferenz mit B&P-Redakteur Wolfgang Becker bestätigten. Er sprach mit Janina Rieke, stellvertretendes Vorstandsmitglied und Leiterin des Geschäftsbereichs Business-Bank, Michael Pistohl, Leiter Firmenkunden, und Thomas Kruse, Leiter Gewerbekunden – inklusive Landwirtschaft und Freiberufler.
Der Landkreis Lüneburg hat in seiner täglichen Corona-Mail zuletzt nur noch sehr niedrige Infektionszahlen genannt – fast hat es den Eindruck, als sei die Pandemie an der Region glimpflich vorübergezogen. Spiegelt sich das in den Rückmeldungen aus den Unternehmen?
Rieke: Der Landkreis Lüneburg ist unter dem Gesichtspunkt Gesundheit bislang insgesamt glimpflich davongekommen. Im Bereich der Wirtschaft ist Lüneburg genauso wie andere Landkreise betroffen. In unseren international und global ausgerichteten Unternehmen gab es teilweise Produktionsstopps, weil zum Beispiel Lieferketten unterbrochen wurden. Sie bekamen Corona als Erste zu spüren. Die regionale Wirtschaft wurde dann von dem Shutdown betroffen. Mittlerweile entspannt sich die Situation zwar spürbar, aber viele Unternehmen sind noch nicht mal bei
50 Prozent ihres Umsatzes angelangt – bei 100 Prozent ihrer Fixkosten!
Mit welchen Themen werden die gewerblichen Kunden der SK Lüneburg konkret konfrontiert?
Pistohl: In der ersten Phase ging es um Hilfestellung bei Anträgen. Die Unternehmen versuchten, sich einen Überblick über die Hilfsmaßnahmen zu verschaffen. Wir richteten eine Hotline ein, die bereits am Tag nach dem Shutdown bereitstand. Da glühten die Telefondrähte. Thematisch ging es um die Deckung des Liquiditätsbedarfs. Bis Mitte Mai hatten wir Corona-bedingte Kreditanfragen mit einem Volumen von rund
50 Millionen Euro. Für einen Großteil konnten bereits Lösungen umgesetzt und Mittel ausgezahlt werden. Allerdings muss ich auch sagen: Viele Unternehmer haben in den vergangenen Jahren Reserven aufgebaut, die ihnen jetzt über die Krisenmonate helfen.
Kruse: Kleine Unternehmen verfügen häufig nur über wenig Notfall-Liquidität. Dort ist das Thema akuter. Das Wichtigste war aus meiner Sicht allerdings gar nicht so sehr das Geld, sondern das Zuhören und das gemeinsam in die Zukunft schauen; die gemeinsame Suche nach der richtigen Lösung. Kredite helfen nur bedingt, damit wird das Problem oftmals nur verschoben.
Inwieweit war der Agrarbereich betroffen?
Kruse: Dieser Wirtschaftsbereich ist relativ unauffällig, wenn wir mal von den Problemen der Erntehelfer absehen, die im Spargelanbau so gerade noch gelöst werden konnten. Besonders stark sind die Gastronomie, der stationäre Einzelhandel und die Hotellerie betroffen. Das Handwerk war nicht so stark betroffen.
Mit welchen Produkten oder auch Programmen konnten Sie der heimischen Wirtschaft unter die Arme greifen?
Pistohl: Wir haben sowohl mit dem Schnellkredit als auch dem Unternehmerkredit der KfW für zusätzliche Liquidität sorgen können. Zudem haben wir in rund 500 Fällen die Tilgung für laufende Kredite ausgesetzt und erhöhte Kreditlinien gewährt, damit die Kunden mehr finanzielle Spielräume haben.
Kruse: Im Bereich der Gewerbekunden können Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten Darlehen der N-Bank bekommen – bis zu 50 000 Euro. Und es gibt Zuschüsse bis zu 25 000 Euro, also Geld, das nicht zurückgezahlt werden muss. Allerdings darf das nur für den betrieblichen Bedarf, nicht für die Lebenshaltung eingesetzt werden. Gerade Kleinunternehmer leben aber häufig von der Entnahme, die nicht zum betrieblichen Bedarf zählt. Wenn dann ein Lockdown verordnet wird, sind diese Unternehmer auf Hartz IV angewiesen. Das ist zwar kein Massenphänomen, aber in meinem Bereich habe ich einige konkrete Fälle.
Andere Sparkassen berichten von einer Flut von Kreditanträgen – gilt das auch für Lüneburg?
Rieke: Diesen Ansturm registrieren wir ebenfalls, aber es gibt auch eine Gegenbewegung: Viele Investitionsentscheidungen sind verschoben worden, weil die Situation derzeit so schwer einzuschätzen ist.
Lassen sich aus den jüngsten Erfahrungen nachhaltige Veränderungen für die Zukunft ableiten? Oder: Arbeiten Sie künftig digitaler?
Rieke: Ich bin begeistert, wie schnell sich viele Unternehmen auf die Herausforderungen eingestellt haben, die Corona mit sich bringt. Das gilt nicht nur technisch und für Vertriebsfragen, sondern spiegelt sich auch im Umgang miteinander wider. Da werden Kooperationen geschlossen, Unternehmen helfen sich gegenseitig. Einige Dinge wären vor Corona eher undenkbar gewesen. Für uns ändert sich auch manches: Die digitalen Instrumente bekommen wesentlich mehr Gewicht. Themen wie das papierlose Büro, digitale Kommunikation und digitale Kompetenz haben unheimlich an Tempo gewonnen. Die Umsetzungsgeschwindigkeit ist enorm hoch. Allerdings ersetzt das aus meiner Sicht nach wie vor nicht grundsätzlich den persönlichen Kontakt. Es gibt jetzt einfach verschiedene Wege, die Dinge zu regeln. Der digitale Schub ist eine gute Ergänzung, aber kein Ersatz für eine persönliche Kundenbeziehung.
Können Sie die Schäden im Bereich der lokalen Wirtschaft bereits abschätzen?
Pistohl: Bislang haben wir zum Glück keine nennenswerten Fälle wie etwa Insolvenzen oder Firmenschließungen. Mittelfristig ist das aber nicht ausgeschlossen.
Rieke: Das „Kaufhaus Lüneburg“ hat bislang immer gut funktioniert – da hatten viele Unternehmer die Chance, gut zu verdienen und auch Rücklagen zu bilden. Das hilft in dieser schwierigen Zeit. Ich bin überzeugt, dass sich die Standortvorteile wieder durchsetzen und zu einer Erholung der Wirtschaft führen werden.