Fusion geplatzt: Kontaktsperre torpediert Zukunfts-Pläne

Inmitten der Kommandozentrale für die bevorstehende virtuelle Fusions-Vertreterversammlung: Dr. Reiner Brüggestrat (links), Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, übergibt sein Amt zum 1. Oktober an seinen langjährigen Vorstandskollegen Thorsten Ratje. Foto: Wolfgang Becker

Hamburger Volksbank: Aus der „Hochzeit“ mit der Volksbank Lübeck wird vorerst nichts

Deutschlands erste virtuelle Fusions-Vertreterversammlung war bereits akribisch vorbereitet – die Technik stand, und auf der Kommunikationsetage der Hamburger Volksbank an der Hammerbrookstraße in Hamburg sah es aus wie in einem Nasa-Kontrollzentrum. Doch dann der Rückschlag: Die Vertreterversammlung des Fusionspartners, der Volksbank Lübeck, verweigerte die nötige 75-Prozent-Mehrheit und machte die seit gut einem Jahr diskutierte Zukunftsvision einer neuen Nord-Ost-Achse der beiden hanseatischen Genossenschaftsbanken zunichte. Einen Grund, der zum Scheitern geführt haben dürfte, nannte Dr. Reiner Brüggestrat, sichtlich enttäuschter Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, bei der Bilanz-Pressekonferenz: „Das lag mit Sicherheit auch an der Corona-Krise. Wir hatten infolge der Kontaktbeschränkungen nicht die Möglichkeit, den Vertretern der Volksbank Lübeck persönlich zu begegnen.“ Und: „Dass diese Fusion gescheitert ist, trifft mich ins Mark. Ganz ehrlich: Damit haben wir nicht gerechnet.“

Die unerwartete Absage aus Lübeck kam am Vortag der Vertreterversammlung in Hamburg. In der Hamburger Zentrale war bereits alles vorbereitet gewesen, doch dann wurde aus der ersten virtuellen Fusionsentscheidung in Deutschland eine ganz normale Vertreterversammlung. Bereits im Vorfeld nahm auch Peter Kling, Vorstandsmitglied der Volksbank Lübeck, Stellung – ebenfalls noch geschockt: „Ich bin emotional noch angefasst, denn wir haben diese Fusion mit Herzblut vorbereitet. Jetzt ist die Chance einer hanseatischen Allianz vertan.“ Die 91 Vertreter in Lübeck hätten offenbar Sorge um den Erhalt der Identität gehabt und den Fusionszeitpunkt in Pandemie-Zeiten als ungünstig erachtet. Nur 50 Prozent die Stimmen sprachen sich für die Fusion aus – zu wenig. Einen zweiten Versuch schließt Kling grundsätzlich nicht aus, aber zunächst werde nun Ursachenforschung betrieben.

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Eine emotionale Entscheidung

Vielleicht spielte auch der Größenunterschied eine Rolle. Mit einer Bilanzsumme von 950 Millionen Euro ist die Volksbank Lübeck deutlich kleiner als ihr Hamburger Pendant mit 3,5 Milliarden Euro. Dennoch sagt Brüggestrat: „Alle rationalen Argumente sprachen für diese Fusion, die übrigens von Lübeck angeschoben wurde. Daran hat sich nichts geändert. Wir hätten unsere Marktstellung als große Einheit deutlich verbessert und eine länderübergreifende Basis für weiteres Wachstum gelegt. Gerade in Zeiten der Digitalisierung spielt die räumliche Distanz auch gar keine Rolle mehr. Es hätte sich für beide Seiten vieles verbessert, aber daraus wird nun nichts. Ich denke, das war eine emotionale Entscheidung. Die Lübecker konnten keine Witterung aufnehmen.“

Für Brüggestrat persönlich ist das Thema denn auch noch aus einem anderen Grund erledigt. Selbst wenn der Fusionsgedanke noch einmal aufleben sollte, wird er damit nichts mehr zu tun haben, denn diese Bilanzvorstellung war seine letzte. Der in Hamburg geschätzte und vielfach gefragte Bankmanager verabschiedet sich zum 1. Oktober aus dem operativen Geschäft. So war es denn auch an seinem designierten Nachfolger, Thorsten Ratje, einen Teil der Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2019/2020 vorzustellen. Der neue Vorstand wird ab Herbst aus Ratje, Nils Abels und Rita Herbers bestehen. wb

Web: https://www.hamburger-volksbank.de

Corona beschleunigt den Strukturwandel

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Filialschließungen sind für jede Bank und jede Sparkasse immer ein heikles Thema – zum einen, weil die Kunden nicht enttäuscht werden sollen, zum anderen, weil Schließungen nach Rückzug aussehen. Dass Filialen in der Corona-Krise geschlossen wurden, traf allerdings auf breites Verständnis und führte im Falle der Hamburger Volksbank zu ganz neuen Erkenntnissen mit konkreten Folgen: Zehn geschlossene Filialen werden nicht wieder eröffnet – stattdessen wird in die 15 verbliebenen zum Teil kräftig investiert. Corona hat gezeigt, dass die Kunden sich sehr wohl mit den Online-Angeboten arrangieren – der Filialbesuch ist fast nur noch ein Fall für besondere Beratungsanlässe.

Brüggestrat: „Die Kundenfrequenz in den Filialen sinkt stetig, die Nutzung der digitalen Verbindungen steigt dagegen im gleichen Maße an. Unser Ziel war es, langfristig nur noch 15 Filialen in Hamburg zu haben, in denen dann Beratung auf höchstem Niveau stattfinden kann (darunter auch die HamVoBa-Keimzelle Am Lüneburger Tor in Harburg, d. Red.). Durch Corona wurde diese Entwicklung stark beschleunigt. Das war sozusagen der Markttest.“ Und der bestätigte den Sinn der Planung mit der Folge, dass in dem 2019 mit 13 Mitarbeitern gestarteten digitalen Dialog-Servicecenter ab Oktober bereits 33 Menschen arbeiten werden. Brüggestrat: „77 Prozent unserer Kunden sind online-fähig.“ Und die Bargeldversorgung in der Fläche werde durch die 130 Geldautomaten im ganzen Stadtgebiet sichergestellt. wb

Kreditergebnis erneut gesteigert

Wieder einmal hat sich das Immobilienfinanzierungsgeschäft als Wachstumstreiber erwiesen. Die Kreditsumme stieg im Jahr 2019 um 8,4 Prozent auf 2,139 Milliarden Euro. 80 Prozent der Kredite gingen an Geschäftskunden. Die Bilanzsumme wuchs um zwölf Prozent auf 3,94 Milliarden Euro. Trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase gelang es, den Zinsüberschuss fast konstant bei 54,4 Millionen Euro zu halten – darin enthalten übrigens drei Millionen Euro Minuszinseinnahmen von überwiegend institutionellen Anlegern. Der Provisionsüberschuss lag bei 25 Millionen Euro. Der Einlagenbestand wuchs ebenfalls – um fast 14 Prozent auf 2,94 Milliarden Euro. Das zweithöchste erreichte Betriebsergebnis entspricht mit 17,8 Millionen Euro dem aktuellen Zielkorridor von etwa 15 bis 20 Millionen.
5,8 Millionen Euro gehen als Steuereinnahmen an die Hansestadt Hamburg. Die Bankenaufsicht BaFin hat die Finanzwirtschaft angesichts der Corona-Krise angewiesen, auf Dividendenauszahlungen zu verzichten. Dennoch wurde beschlossen, dass im Herbst 922 000 Euro ausgeschüttet werden sollen. Der Beschluss, ob dies tatsächlich geschehen wird, steht allerdings noch aus. wb