Jetzt ist die Zeit für neue Geschäftsmodelle

B&P-GESPRÄCH: Michael Niemeyer sieht die Tendenz, dass sich Unternehmen unabhängiger von globalen Lieferketten machen

Spätestens seit sich die Corona-Krise in Deutschland zunehmend entspannt, sehen immer mehr Menschen auch die Chancen, die die Pandemie eröffnet. So geht es auch Michael Niemeyer, geschäftsführender Partner in der Hamburger Kanzlei SchlarmannvonGeyso – und das, obwohl die zurückliegenden gut drei Monate die Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwälte des Unternehmens mit seinen insgesamt 170 Mitarbeitern zum Teil extrem gefordert haben. Niemeyer sieht durchaus die Tendenz zu einem Umdenken: „Es gibt eine ganze Reihe Unternehmer, die aufgrund der Corona-Krise die Sinnhaftigkeit bestimmter Abläufe in Frage stellen. Ich denke, es wird in einigen Bereichen eine Rückbesinnung auf lokale Lieferanten geben. Die jetzt gemachten teils existenzbedrohenden Erfahrungen können dazu führen, die Abhängigkeit beispielsweise von globalen Lieferketten und die Just-in-Time-Philosophie in der Logistik zu überdenken – das hieße also, wieder Lagerhaltung zu betreiben. Ich bin von Haus aus Optimist und immer bestrebt, das Beste aus einer Situation zu machen. Das gilt auch für die Corona-Pandemie.“ Kurz: Die Digitalisierung dürfte hochfahren, die Globalisierung abnehmen.

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Fachanwälte sind in Krisenzeiten gefragte Sparringspartner für Unternehmer. Niemeyer: „Das ist auch bei uns so. Wir haben viele langjährige Mandate und unter unseren Kunden viele Eigentümer-geführte Unternehmen. Gerade diese Mittelständler nutzen uns gern als Sparringspartner, wenn es darum geht, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Das war auch schon vor Corona so und ist Folge einer guten Vertrauensbasis.“

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Großes Lob für die Mannschaft

Als jetzt plötzlich die deutsche Wirtschaft quasi auf Null heruntergefahren wurde, glühten auch bei SchlarmannvonGeyso die Telefondrähte. Allerdings nicht an den Standorten Veritaskai in Harburg, Buchholz und Alster in der Hamburger City, sondern vor allem im Homeoffice. Niemeyer: „Zeitweise haben wir 80 Prozent unserer Belegschaft ins Homeoffice geschickt. Das haben wir Mitte März binnen weniger Stunden beschlossen und umgesetzt. Ich kann sagen: Das klappte ausgezeichnet. Und ich muss der ganzen Mannschaft ein großes Lob für das große Engagement aussprechen, mit dem wir diese Zeit gemeinsam bewältigt haben.“ Technisch waren die SchlarmannvonGeyso-Mitarbeiter bereits voll ausgerüstet und deshalb sofort arbeitsfähig. Mandanten und Team-Gespräche erfolgten fortan über Video-Konferenzen. Die Bürobesetzung wurde minimiert. Niemeyer: „Einige Kollegen sind in so einer Phase natürlich extrem gefragt – zum Beispiel die Arbeitsrechtler und die Vertragsrechtler. Was ist, wenn mein Geschäftspartner plötzlich die für ihn produzierten Teile nicht mehr abnehmen und natürlich auch nicht bezahlen will? Was ist, wenn ich selbst meinen Vertrag nicht erfüllen kann, weil alle Umsätze auf Null gerauscht sind und keine Einnahmen mehr da sind? Auch die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind im Großeinsatz. Selbst Letztere arbeiten vielfach von zu Hause aus. Das ist heutzutage alles möglich.“

Neue Geschäftsfelder im Blick

Die Kanzlei selbst stand ebenfalls vor internen Herausforderungen, wie Niemeyer sagt: „Wir haben die Geschäftsabläufe neu definiert, Homeoffice eingeführt, unsere Finanzplanung überarbeitet und die digitalen Kanäle aktiviert. Es gibt sogar Überlegungen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Uns geht es da genauso wie vielen Mandanten, die sich dieselben Gedanken machen. So eine Krise führt zu strategischen Änderungen – da müssen Leistungspakete neu geschnürt werden und neue Formen der Mandantenansprache gefunden werden.“

Die Pandemie scheint zurzeit auf dem Rückzug, doch sie hinterlässt schon jetzt deutliche Spuren. Niemeyer: „Ich habe Anfang Mai den ersten Fall eines Unternehmenskaufs auf den Tisch bekommen – als Folge der Corona-Krise. Es gibt natürlich ein paar Firmen, die in der Krise stecken, aber das ist sehr branchenabhängig.“ Und schlägt noch nicht voll durch. Niemeyer rechnet damit, dass es im kommenden Jahr einige Insolvenzen geben wird – insbesondere in den Branchen Gastronomie, Hotellerie, Messebau und Eventveranstalter. Andererseits registriert er, wie sich Unternehmen neu orientieren und ebenfalls neue Geschäftsfelder anvisieren. Was ihn optimistisch stimmt: „Viele Unternehmen sind durchaus gerüstet, und haben in der Vergangenheit eine erhebliche Eigenkapitalquoten aufgebaut. Wer allerdings gerade in einer Wachstumsphase ist und sich verschuldet hat, der hat es jetzt nicht so leicht.“ wb

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