„Bazooka“ mit „Wumms“? Die Unternehmensberater Steffen Moldenhauer und Frank Thöle-Pries haben sich das Corona-Konjunkturpaket des Bundes genau angeschaut
Von Wolfgang Becker
Mit 130 Milliarden Euro hat die Bundesregierung Mitte Juni das dickste Konjunkturpaket aller Zeiten geschnürt, um der Wirtschaft im Nachgang des Corona-Lockdowns wieder auf die Füße zu helfen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bemühte gar den etwas martialischen Begiff der „Bazooka“, um der politischen Weichenstellung den richtigen „Wumms“ zu verleihen. Was sich auf 15 Seiten Konjunkturprogramm wiederfindet, löste zwar ein kollektives Schulterklopfen unter den beteiligten Politikern aus, aber bei rund 2,2 Millionen Solo-Selbstständigen kommt wenig Freude auf: „Wir werden mit keinem Wort erwähnt“, kritisieren beispielsweise die Unternehmensberater Steffen Moldenhauer und Frank Thöle-Pries. Sie haben sich durch die 15 Seiten des Programms gekämpft und sind einigermaßen ernüchtert. Die „Bazooka“ ist übrigens eine im Zweiten Weltkrieg von der US-Army entwickelte Panzerfaust, die als „wenig zuverlässig und schwer handhabbar“ gilt.
Als ob „nicht erwähnt“ nicht schon genug wäre – nach der Lektüre des Konjunkturprogramms wurde beiden klar, dass sich die Lage für Einzelkämpfer eher noch verschlechtert hat: „Im März wurden Soforthilfen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro angekündigt, um Unternehmen durch die Krise zu helfen. Diese Maßnahme ist jetzt sang- und klanglos eingestellt worden, obwohl eigentlich eine Verlängerung im Gespräch war und die Mittel bis dahin nur zu einem Viertel ausgeschöpft waren. Dieses Geld wird jetzt in Form von ‚Überbrückungshilfen‘ an größere Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern weitergereicht.“ Kurz: Die Solo-Selbstständigen fühlen sich übergangen.
Die Mehrwertsteuersenkung, die seit Anfang Juli befristet gilt, sorgte bereits im Vorfeld für Irritationen. Thöle-Pries: „Mir sind mehrere Fälle bekannt, in denen bereits erteilte Aufträge an Handwerksbetriebe verschoben wurden, weil die Kunden die drei Prozent Mehrwertsteuersenkung mitnehmen wollten – das ist dann erstmal wenig hilfreich. Und trifft auch den Autohandel. Wer im Juni kaufen wollte, hat einfach gewartet.“ Moldenhauer: „Die Regierung erhofft sich mehr Konsum von dieser Maßnahme, tatsächlich kommt es nur zur Verschiebung der beabsichtigten Käufe. Außerdem haben wir zehn Millionen Kurzarbeiter und Arbeitsuchende, die fallen schon mal als Konsumenten aus.“ Die beabsichtigte Preissenkung um drei Prozent basiere auf dem Prinzip Hoffnung.
Verpasste Lösung: Ein staatlich abgesicherter Investitionsfonds . . .
Für Steffen Moldenhauer, Geschäftsführer der Strategy Pirates aus Buchholz, hilft die Mehrwertsteuersenkung eher dem Einzelhandel: „Das Duschgel kostete im Juni 2,49 Euro, und das kostet es auch jetzt. Es wäre viel sinnvoller gewesen, an der Lohnsteuer oder an den Sozialabgaben zu drehen – dann hätten die Bürger davon wirklich was gehabt.“ Seine persönlich favorisierte Lösung: die Einrichtung eines privat gemanagten Investitionsfonds mit staatlich garantierter Drei-Prozent-Verzinsung. So könnten Sparer ihre von Minuszinsen bedrohten Einlagen gewinnbringend umschichten und zugleich zur Entlastung des Staates und der Banken sowie zur Ankurbelung der Wirtschaft beitragen. Der Unternehmens- und Sanierungsberater: „Privates Geld ist in diesem Land ja genug da.“
Nicht nur auf Bundesebe haben die Buchholzer Unternehmensberater Steffen Moldenhauer und Frank Thöle-Pries Nachbesserungsbedarf entdeckt. Letzterer hat sich mit dem Digitalisierungsbonus des Landes Niedersachsen auseinandergesetzt. Diese Hilfsmaßnahme soll Unternehmen dabei fördern, für Mitarbeiter Arbeitsplätze im Homeoffice einzurichten, Video-Konferenzen zu ermöglichen und Telemedizin-Arbeitsplätze zu schaffen. Die Fördersumme beträgt zwischen 5000 und 10 000 Euro. Thöle-Pries: „Bewilligt wurde die Förderung für Anträge ab Mitte April – also als die größte Homeoffice-Welle bereits vorbei war, da viele Unternehmen bereits Mitte März handeln mussten. Eine rückwirkende Förderung ist ausgeschlossen. Das Programm ist also eine Stütze für die Zuspätkommer – und aus meiner Sicht nichts weiter als eine versteckte Deckelung.“
Die Beschränkung der Autoprämie auf E-Mobile, ebenfalls eine der 57 Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket des Bundes, kommentiert Thöle-Pries so: „Damit werden die Grünen besänftigt. Aus Sicht des Autolandes Niedersachsen ist die Einschränkung bedauerlich.“
Moldenhauer abschließend: „Wenn man sich das alles mal genau durchliest, ist da viel Augenwischerei bei. Was kommt denn wo wirklich an?“ Die Soforthilfen von Bund und Land Niedersachsen betreffen laut Frank Thöle-Pries beispielsweise nur die betrieblichen Ausgaben eines Unternehmens – das Geld wandert somit direkt an die Geschäftsbanken, Versicherungen, Vermieter von Geschäftsräumen und Leasing-Gesellschaften. Die Klein- und Kleinstunternehmer selbst hatten von den Förderungen zunächst einmal nichts.
Beide räumen aber auch ein: „Die Politik musste schnell handeln. Jetzt sollte man sich die Zeit nehmen, weniger mit der Bazooka, sondern mit feinerem Werkzeug zu zielen, praxisorientierte Fachleute einzubeziehen und entsprechend nachzujustieren . . .“