„Jedes Gebäude ist ein Individuum“

Fragen zu den Einsatzmöglichkeiten der Software? Torsten Nolte, Geschäftsführer der ETU Nord GmbH, und seine Mitarbeiterin Marina Preising sind die Ansprechpartner für ganz Norddeutschland. Foto: ETU Nord

ETU Nord GmbH: Torsten Nolte erklärt, wie sich mit der Software ETU-Planer ein energetischer Zwilling erstellen lässt.

In der Baubranche und in den Bauämtern stehen drei Buchstaben seit einigen Jahren immer wieder im Fokus: BIM. Sie stehen für Building Information Modeling und markieren den Einzug der Digitalisierung in das Planen, Sanieren und Bauen von Gebäuden. Der „digitale Zwilling“, also die exakte dreidimensionale Abbildung eines Gebäudes auf dem Bildschirm, eröffnet nicht nur völlig neue Chancen bei der Planungsoptimierung, sondern auch genaue Berechnungen beispielsweise des Energiebedarfs. Genau auf diesen Punkt hat sich Torsten Nolte, Geschäftsführer der ETU Nord GmbH in Buchholz, spezialisiert. Er vertreibt in Norddeutschland die Software der Kölner Unternehmensgruppe Hottgenroth/ETU, die unter anderem die Software ETU-Planer anbietet. Nolte: „Mit diesem Programm können wir einen digitalen energetischen Zwilling erstellen – Hottgenroth ist im Bereich der Energieeffizienz-Software Marktführer in Deutschland.“ Das Programm lässt sich sowohl während der Planungsphase als auch bei der Bewertung von Bestandsgebäuden anwenden und liefert beispielsweise die Daten für den gesetzlich geforderten Energiepass.

Nolte: „Die Energiebilanz eines Gebäudes ist beispielsweise Bestandteil eines Bauantrages, denn dort ist der Nachweis erforderlich, dass der geplante Bau die Vorgaben der Energieeinsparverordnung einhält.“

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Die EnEV verfolgt vor allem das Ziel, Gebäude so zu planen, dass der Energieverbrauch bestimmte Grenzwerte nicht übersteigt. Wie immer in Deutschland ist daraus ein komplexes Regelwerk mit zahllosen Variationsmöglichkeiten entstanden. Doch wie lassen sich die technischen Erfordernisse in der Praxis umsetzen? Die Antwort liefert der ETU-Planer.

Wird nach dem eingangs erwähnten BIM-Verfahren geplant, ist es relativ einfach, den thermischen Zwilling, also sozusagen das „energetische Gerippe“ inklusive Heizkörper und Leitungen eines Hauses, zu erzeugen. Basis sind die bautechnischen Daten, die Auskunft über Wandstärken, Dämmung, Fenstergrößen, Raumhöhe, Raumvolumen, Baumaterialien und so weiter liefern. Aus diesen Informationen ergibt sich der U-Wert.

U-Wert steht für den sogenannten Wärmedurchgangskoeffizienten – ein Maß für die Wärmedurchlässigkeit verschiedenster Materialien. Einfach ausgedrückt: Die Blechwand einer Fertiggarage hat einen hohen U-Wert, weil das Metall die Wärme gut leitet – der Innenraum heizt sich im Sommer bei Sonneneinstrahlung schnell auf, im Winter wird es ebenso schnell kalt. Die zweischalige und gedämmte Holzwand eines Schwedenhauses hat dagegen einen niedrigen U-Wert. Es dauert vergleichsweise sehr lange, bis sich die Außentemperatur spürbar auf den Innenraum auswirkt.

Torsten Nolte: „Die Software ETU-Planer ist in der Lage, aus den zahllosen Daten, die sich in einem Gebäude ergeben, den erforderlichen Heizenergie- und Kühlenergiebedarf zu ermitteln und mit den daraus resultierenden Lasten die technische Gebäudeausrüstung auszulegen.“

Ordnung im Dickicht
der Gebäudedaten

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Wie kompliziert eine exakte Berechnung ist, macht Nolte an einem Beispiel deutlich. Ein Fenster hat einen U-Wert für das Glas sowie beispielsweise Rahmen-Bauteile aus Glas und/oder Kunststoff. Aus den jeweiligen Flächenanteilen lässt sich am Ende der U-Wert für das Fenster ermitteln. So weit, so gut. Doch zeigt das Fenster nach Norden, Süden, Osten oder Westen? Wie stark ist es der Sonneneinstrahlung ausgesetzt? Steht eventuell ein Baum vor dem Haus und sorgt für Schatten? All diese Fragen beeinflussen den tatsächlichen Wert, der erforderlich ist, um den energetischen Aufwand für den Raum festzulegen, zu dem das Fenster gehört. Hinzu kommen die Wandstärken sowie die Beschaffenheit von Böden und Decken. Alles spielt zusammen. Nolte: „Allein um eine Verschattungsanalyse zu rechnen, sind 8760 Schritte nötig.“ Und: Das System muss auf die korrekten Gebäudedaten zurückgreifen können – die vorliegen, wenn das BIM-Verfahren zugrunde liegt.

Moderne Architekturbüros wenden BIM bereits an und geben alle Gebäudedaten in den Rechner ein. Schwieriger wird es, wenn der ETU-Planer in Bestandsgebäuden eingesetzt wird.

Torsten Nolte: „Dann muss das Objekt vorher exakt aufgemessen werden. Dazu bieten wir unseren Kunden das Aufmaßsystem HottScan bestehend aus einem 3D-Scanner plus Modellierungs-Software an. Damit lassen sich volldigital alle Daten erfassen und für den BIM-Prozess weiterverarbeiten.“

Das Ergebnis ist in beiden Fällen – Neubau oder Bestandsgebäude – die Erstellung eines thermischen Zwillings, der dem Nutzer die Basis für die Berechnung der Heizlast und die Grundlage für die technische Ausstattung liefert. Torsten Nolte: „Ziel ist es in jedem Fall, die optimale Anlage zu finden und den Energiebedarf zu minimieren. Wir sind zudem in der Lage, unsere Software mit weltweiten Klimadatensätzen zu füttern. Damit lässt sich die aktuelle Situation erfassen. Aber es sind auch Klimaprognosen möglich, was wiederum Einfluss auf die technische Gebäudeausrüstung haben kann.“

Mit dem Energieberater kann eine energetische Jahresbilanz erstellt werden, die als Nachweis für die Einhaltung des EnEV-Ziels oder auch eines Förderziels dient, wenn beispielsweise KfW-Mittel zum Einsatz kommen. Das System berechnet alle Formen von Energie: Heizung, Kühlung, Strom, Lüftung, Sonnenschutz, Beleuchtung und sogar Trinkwasser. Über die thermische Gebäudesimulation können Bedarfe sogar stundengenau nachgewiesen werden. Torsten Nolte: „Es spielen je nach Objekt sehr viele Details eine Rolle. Jedes Gebäude ist ein Individuum.“ wb

Info

> ETU Nord vertreibt die Software und die Hardware (Scanner), berät Kunden ausführlich und bietet Schulungen an. Für den Start ist ein Tag Schulung notwendig. Darüber hinaus werden von ETU Nord für alle Programmbereiche Aufbaukurse an den Standorten Buchholz/Nordheide, Rastede und Kiel angeboten.

Web: www.etu-nord.de