INTERVIEW Ab sofort im Ruhestand: Harburgs Baudezernent Jörg H. Penner zieht Bilanz.
Die politische Konstellation war günstig, als Jörg Heinrich Penner 2007 der Ruf nach Harburg ereilte. Die schwarz-grüne Koalition im Bezirk suchte einen Nachfolger für den scheidenden Baudezernenten Peter Koch – und da kam ein Fachmann aus den Reihen der Grünen gerade recht. Es ist nicht klar, ob den Entscheidern damals bewusst war, dass mit Penner sozusagen ein grünes Urgestein ins Harburger Bauamt einziehen würde. Immerhin zählte er 1979 zu den Gründern der Grünen. Penner verließ jedenfalls Köln und machte sich auf den Weg nach Norden. Jetzt ist der Harburger Dezernent für Wirtschaft, Bauen und Umwelt bereits 66 Jahre alt und seit wenigen Tagen offiziell im Ruhestand. 13 Jahre lang prägte er den Bezirk Harburg mit – Anlass genug für einen Blick zurück. Mit Jörg Heinrich Penner sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker.
Mit 66 Jahren noch im Dienst – hat Sie die Aufgabe in Harburg so begeistert, dass sie noch Zeit drangehängt haben?
Eigentlich hätte ich schon Ende Juli 2019 gehen können. Aber ich finde Rente ab 67 Jahren für Büroangestellte völlig richtig – warum sollte das denn nicht auch für mich gelten?
Aus leidlicher Erfahrung wissen wir, dass gerade große Bauvorhaben sehr viel Zeit bis zur Umsetzung brauchen – gibt es Projekte, die Sie nicht mehr „geschafft“ haben?
Ja, zum Beispiel die Landschaftsbrücke als Verbindung von der Harburger Innenstadt in den Binnenhafen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir weiter wären. Diese Art der Verbindung, die einen selbstverständlichen Übergang schaffen soll, habe ich mal erfunden. Es gab darüber hinaus damals noch ein paar andere Ideen, wie sich die trennende Linie aufheben lässt.
Zum Beispiel die sehr breite Landschaftsbrücke, die Prof. Jürgen Pietsch von der TUHH vorgeschlagen hatte . . .
Ja, aber die war viel zu aufwendig. Auch die Landschaftsbrücke in meiner Ursprungskonzeption hätte zu einer Tunnelsituation auf der B73 geführt. Die danach entwickelten Entwürfe sind in dieser Hinsicht besser.
Der Harburger Binnenhafen hat Sie besonders stark in Anspruch genommen, ist das richtig?
Das stimmt. Auch hier gibt es Projekte, die viel länger dauerten als gedacht – zum Beispiel die Sanierung der Kaimauern, für die 40 Millionen Euro, verteilt auf zehn Jahre, bereitstanden, dann aber nur in so kleinen Tranchen freigegeben wurden, dass eine Auftragsvergabe kaum möglich war. Heute sind wir endlich so weit, dass die Mittel fast verbaut sind. Oder: Der Plan, am Veritaskai ein Hotel zu errichten, ist bis heute nicht realisiert, obwohl ich denke, dass die Chancen jetzt doch ganz gut stehen. Interessant war damals, was rund um den Beachclub passierte. Der musste irgendwann weichen. Die Beachclub-Befürworter kaperten jedoch das Instrument des Innenstadt-Dialogs, um ihre Interessen kundzutun und einen gastronomischen Betrieb zu unterstützen. Das war ein Missbrauch von Bürgerbeteiligung, wie ich finde. Ebenfalls im Binnenhafen: Das Gelände der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie liegt nach wie vor brach – aber der Konflikt zwischen Denkmalschutz und Schadstoffbelastung ist auch sehr schwierig. Und die Seevestraße ist auch noch nicht verlegt.
Das klingt fast ein bisschen nach Frustration, dabei hat sich Harburg unter Ihrer Zuständigkeit doch gerade im Binnenhafen enorm gut entwickelt, oder?
Tatsächlich hat mir die Entwicklung des Hafengebietes am meisten Spaß gemacht. Mit der Konversion von Hafenflächen hatte ich mich schon in Köln befasst. Üblicherweise wird bei solchen Vorhaben zunächst einmal alles beseitigt, was den Hafenflair ausmacht, um dann später einen Traditionshafen einzurichten – so wie am Sandtorkai in der Hafen-City. Das ist in Harburg anders gelaufen. Meines Wissens gibt es keinen anderen Hafenstandort, an dem die Umwandlung in ein neues Quartier mit Erhalt der Hafenatmosphäre so konsequent umgesetzt wurde. Harburg ist in dieser Form einzigartig. Und ungewöhnlich.
Über lange Strecken hatte es immer geheißen, Wohnen und Arbeiten können laut Baugesetzbuch nicht nebeneinander stattfinden . . .
. . . ja, aber das bezieht sich im Grunde nur auf
nächtliches Arbeiten und Anlieferungen. Seit gut zwei Jahren können
solche Quartiere als urbanes Gebiet ausgewiesen werden – mit bis zu 80
oder sogar
90 Prozent Wohnanteil. Leider gab es das damals noch
nicht. Wenn wir uns allerdings heute den Binnenhafen anschauen, ist der
hohe Anteil von Wohnungsbau schon bemerkenswert. Und trotzdem ist hier
immer noch echte Hafenatmosphäre.
Der Binnenhafen ist heute zweifellos die glänzende Seite der Harburger Medaille, etwas anders sieht es in der Innenstadt aus. Hat es Sie manchmal geärgert, dass es nicht gelungen ist, die urbane Mitte spürbar zu revitalisieren?
Das ist kein Thema, das mich aufregt. Die Entwicklung
ist zum Teil auch einfach Schicksal. Die Schuld daran wird in der Regel
der Stadt oder der ECE mit dem Phoenix-Center in die Schuhe geschoben.
Mein Eindruck: Es lag viel an der Grundhaltung der Grundstückseigner.
Ich hätte mir da eine kreativere und aufgeschlossenere Haltung
gewünscht. Es gab schlicht keinen Ehrgeiz, qualitativ hochwertig zu
vermieten, was dem Standort geholfen hätte. Der
Business Improvement
District 1 kam nur mit großer Überredungskunst zustande, der BID 2
wurde dann noch knauseriger. Mit Baumschnitt und neuen Pflastersteinen
lassen sich die Probleme nicht lösen. Hinzu kam aber noch etwas anders:
Diese Debatte fiel in die Zeit des aufkommenden Internet-Handels. Diese
disruptive Entwicklung macht dem stationären Handel schwer zu schaffen –
das meine ich mit Schicksal.
Wie sehen Sie die Situation heute?
Wir haben in Harburg mit der Lüneburger Straße eine funktionierende Einkaufsstraße, die weit von den Wunschvorstellungen der deutschstämmigen Bevölkerung entfernt ist. Aber für die weniger kaufkräftigen Menschen mit Migrationshintergrund funktioniert sie wunderbar. Eine Verwaltung ist nicht in der Lage, hier gegenzusteuern. Zusammengefasst: Der Binnenhafen hat sich toll entwickelt, darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Die Entwicklung der Harburger Innenstadt ist nicht so gelungen wie gedacht. Aber der Marktplatz am Sand ist auf einem guten Weg.
Was schreiben Sie den Harburgern ins Stammbuch?
Als überzeugter Städter finde ich, dass Städte durchaus dichter sein dürfen. Das verringert Verkehr, spart Energie und macht die Stadt lebendiger. Gewisse ökonomische und ökologische Ansätze der Stadtentwicklung müssen sich nicht widersprechen. Ich habe damals unter Schwarz-Grün gelernt: Der CDU waren die wirtschaftlichen Interessen ziemlich egal. Da herrschte eher so eine „Unser Dorf soll schöner werden“-Mentalität vor, die im Neugrabener Teil der CDU besonders stark ausgeprägt war. Wenn es aber darum ging, die Verwaltung zu kritisieren, dann waren bestimmte Personen ganz schnell dabei. Wenn dann noch ein leitender Verwaltungsvertreter dabei ist, der einer Oppositionspartei angehört, hat der es nicht einfach.
Sie meinen die immer wiederkehrenden Scharmützel mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Ralf-Dieter Fischer?
Ich fühlte mich von dem Moment an besser, als ich beschlossen hatte, mich nicht mehr beschimpfen zu lassen. Ich meine aber auch die Auftritte mancher Bürger in Ausschüssen oder öffentlichen Diskussionsveranstaltungen. Verwaltung ist nicht der Fußabtreter für frustrierte und unterforderte Rentner, die mit ihrem Bedeutungsverlust nicht zurechtkommen.
Was sind Ihre persönlichen Pläne?
Erstmal zum Segeln auf die Ostsee. Und wenn mir das irgendwann zu langweilig wird, beginne ich vielleicht etwas Berufsnahes.