Wenn der Umweltschutz zur Abmahnfalle wird.
Von Carina Tolle-Lehmann, LL.M., Rechtsanwältin und Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
Gut ein Jahr ist es nun her, dass das Verpackungsgesetz (VerpackG) am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist und die bis dahin geltende Verpackungsverordnung ablöste. Basis der bis dahin geltenden Verpackungsverordnung war die Verankerung des Prinzips der Produktverantwortung. Hersteller und Vertreiber von Verpackungen sollten mehr in die Pflicht genommen werden, diese auch zurückzunehmen und sich an die Verwertung von Verpackungen zu halten. Um dieser Verpflichtung gerecht zu werden, wurden die sogenannten dualen Systeme geschaffen, die es ermöglichten, die bei den privaten Konsumenten angefallenen Verpackungen zu recyceln (zum Beispiel Grüner Punkt). Ein Händler kam damit seiner Verpflichtung nach der seinerzeit geltenden Verpackungsverordnung nach, in dem er sich einem dualen System anschloss, welches das Recyceln für ihn beim Endverbraucher übernahm, wofür der Händler wiederum eine Lizenz an das duale System zahlte.
Insofern ist der Grundtenor des nunmehr geltenden Verpackungsgesetzes auch nicht neu. Dem Verpackungsgesetz unterliegen weiterhin alle Händler, die mit Ware befüllte Verpackungen in den Verkehr bringen, welche letzten Endes beim privaten Endverbraucher landen. Dies betrifft insbesondere die Online-Händler, die ihre Produkte typischerweise in Versandverpackungen an den Kunden verschicken. Neu hinzugekommen ist mit dem Verpackungsgesetz jedoch die Verpflichtung, sich bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister zu registrieren. Dort wird ein öffentlich einsehbares Register geführt (LUCID). Unter Angabe der dortigen Registernummer muss sich ein Händler dann beim dualen System melden und einen Lizenzvertrag schließen. Ferner ist der Händler dazu angehalten, die angefallenen Verpackungsmengen- und Art bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister zu melden. Anhand dieser Meldung werden dann wiederum die Kosten des Händlers bemessen. Besonders heikel ist, dass diese Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Registrierung bereits vor dem ersten Inverkehrbringen von Verpackungen greift. Dies bedeutet, dass bei Nichteinhaltung dieser Pflicht ein Vertriebsverbot gilt. Ein Online-Händler darf dann seine Waren nicht mehr verkaufen, wenn er die soeben aufgezählten Punkte nicht einhält. Ganz hart trifft es ihn, sofern der Hersteller eines von ihm vertriebenen Produkts seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Dann darf der Online-Händler, welcher sich zwar ordnungsgemäß registriert hat, die Waren trotzdem nicht verschicken, da die vorherige Verpackung nicht korrekt lizenziert wurde. Ferner können bei Verstößen auch Bußgelder ausgesprochen werden. Diese können in Höhe von bis zu 200 000 Euro ausfallen.
Neben einem Vertriebsverbot beziehungsweise Bußgeld droht jedoch auch immer die Gefahr einer Abmahnung durch einen Mitkonkurrenten. Gerade vor dem Hintergrund, dass viele Online-Händler diese weitere Verpflichtung verschlafen haben und nicht ordnungsgemäß registriert sind, wurden im vergangenen Jahr immer wieder kostenpflichtige Abmahnungen ausgesprochen. Aufgrund der Tatsache, dass die Einhaltung der Vorgaben des Verpackungsgesetzes für den betroffenen Händler auch mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden ist, ist von einem Wettbewerbsverstoß auszugehen, da ein „Verpackungssünder“ diesen Mehraufwand nicht im Endpreis berücksichtigen müsse und insofern seine Waren günstiger anbieten könne. Damit ist besondere Vorsicht geboten.
Alles in allem bleibt zu sagen, dass das Thema „Verpackungsgesetz“ zwar sehr abstrakt zu sein scheint. In der Praxis hat die Beachtung des Gesetzes jedoch eine hohe Relevanz und kann im schlimmsten Fall in den wirtschaftlichen Totalausfall münden.