„Einfach mal machen!“

Fachtagung:Rund 100 geladene Gäste feierten mit Zwei P Plan:Personal das zehnjährige Bestehen des Hamburger Weiterbildungsbonus‘. Foto Wolfgang Becker

Fachtagung im Elbcampus: Zehn Jahre Weiterbildungsbonus Hamburg 2020 – Plädoyer für die Chancen der Digitalisierung – Warten auf den EU-Haushalt

Das war noch kein klares Ja, aber zwischen den Zeilen wurde deutlich: Die Hamburger Behörde für Soziales, Arbeit, Familie und Integration freut sich schon jetzt darauf, in zehn Jahren ein weiteres rundes Datum zu feiern. Das wurde bei der Fachtagung „Zehn Jahre Weiterbildungsbonus Hamburg 2020“ deutlich, zu dem der Projektträger, die Zwei P Plan:Personal gGmbH, nach Harburg in den Elbcampus eingeladen hatte. 16 000 Qualifizierungsförderungen sind in den vergangenen zehn Jahren über den Europäischen Sozialfonds finanziert worden. Geschäftsführer Olav Vavroš legte nach: „Bis 2029 wollen wir 40 000 Förderungen erreichen.“ Hamburgs Arbeitssenatorin Dr. Melanie Leonhard: „Das sind beeindruckende Zahlen. Es spricht vieles dafür, dass der Weiterbildungsbonus (WBB) weitergeführt wird.“

Über den WBB können Beschäftigte in Betrieben auf vielfältige Weise sehr flexibel qualifiziert werden. Das Angebot geht so weit, dass Zwei P sogar maßgeschneiderte Fortbildungsangebote kreieren würde, wenn es den Unternehmen und vor allem den Arbeitnehmern hilft, den Job zu sichern oder perspektivisch ein höheres Einkommen zu erzielen. Vavroš: „Von den 16 000 Förderungen haben rund 12 500 Arbeitnehmer profitiert. In der Regel sind die Unternehmen finanziell beteiligt, aber auch eine 100-Prozent-Förderung von maximal 2000 Euro pro Maßnahme ist im Einzelfall möglich. Ein tolles Angebot, aber ich muss auch sagen: Es ist manchmal gar nicht so einfach, Menschen vom Sinn des lebenslangen Lernens zu überzeugen.“

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Warten auf den EU-Haushalt

Dass dies jedoch nötig ist, machte Melanie Leonhard deutlich: „Zwei große Studien belegen, dass die Zahl der Erwerbstätigen perspektivisch rückläufig ist. Trotz Zuwanderung. In Hamburg ist die Situation zwar immer noch ein bisschen besser, weil die Stadt attraktiv ist, aber wir müssen etwas unternehmen. Und sei es nur, um die Unternehmen zu halten. Zum einen müssen wir das Qualifizierungsgesetz praxisnaher gestalten.“ Martin Weber, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik innerhalb der Behörde, sagte: „Der Weiterbildungsbonus ist ganz klar ein Erfolgsmodell. Unser Ziel ist es, den Aufwand für die Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Das gelingt. In den zehn Jahren sind 22 Millionen Euro in Qualifizierungsmaßnahmen investiert worden – zehn Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds, zwölf Millionen aus den Unternehmen. Die Hälfte der geförderten Maßnahmen kam Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern zugute.“ Er bescheinigte dem Team um Olav Vavroš eine uneingeschränkt gute Bilanz und einen „sehr ausgeprägten Dienstleistungscharakter“. Weber: „Ich freue mich auf das Jahr 2029.“

Eine Zusage, ob der WBB tatsächlich weiter finanziert wird, war das allerdings immer noch nicht. Grund: Auf EU-Ebene existieren derzeit noch keine Rechtsgrundlagen für die neue ESF-Förderperiode ab 2021 (die sogenannten Strukturfondsverordnungen). „Wir rechnen damit, dass der Haushalt im ersten Quartal 2020 von Parlament und Rat beschlossen wird und die Strukturfondsverordnungen gegen Ende des Jahres. Dann folgt das normale Ausschreibungs-, Interessenbekundungs- und Vergabeverfahren“, so die Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration auf B&P-Nachfrage. Die Hansestadt ist an der WBB-Finanzierung ebenfalls beteiligt.

„Wir sind Angsthasen“

Der guten Stimmung bei der Zehn-Jahres-Feier tat das keinen Abbruch. In Kooperation mit Bärbel Wenck­stern, Geschäftsbereichsleiterin für den Elbcampus, eröffnete Olav Vavroš eine Fachtagung mit Partnerunternehmen wie bauwelt Delmes Heitmann, dpk Digital (Dierkes Partner) und der Horst Busch Gruppe sowie durchaus unterhaltsamen Elementen. Höhepunkt: das Thema „Menschen für Digitalisierung begeistern“, ein Turbo-Vortrag von Prof. Dr. Gunther Olesch, Mitglied der Geschäftsführung der weltweit tätigen Phoenix Contact GmbH, ein Milliarden-schweres Unternehmen im Bereich der Automatisierung und Steuerungstechnik, und einer der führenden Personalmanager Deutschlands. Olesch ist nicht nur privat auch mal mit seiner Rockband auf der Bühne anzutreffen, er rockte auch den Hörsaal im Elbcampus und machte deutlich, was er gar nicht mag: das ständige Gejammer der Deutschen. „Wir sind Angsthasen.“ Die sprichwörtliche „German’s Angst“ sei wenig hilfreich, wenn es darum gehe, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Seine Botschaft: Keine Angst vor der Digitalisierung und vor dem Jobverlust. Im Gegenteil – durch die neuen Möglichkeiten werde vieles einfacher. Es sei keineswegs so, dass Manschen ohne Studienabschluss in IT und KI abgehängt würden. Olesch erinnerte an 1983. Damals war die erste Robotermontagelinie bei VW in Betrieb genommen worden. Der Referent: „Das löste große Ängste aus, denn die Leute fürchteten, dass nun ihre Arbeit überflüssig werden würde. Was ist seitdem passiert? 300 Prozent mehr Personal!“

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Olesch formulierte vier Ziele für die Unternehmen: eine positive Einstellung zur Digitalisierung entwickeln, Kompetenzen schaffen – ein Fall für die Qualifizierer –, eine neue Führungskultur entwickeln und neue Arbeitsformen finden. Sein Fazit: „Wir müssen den Weg der Digitalisierung einfach mal gehen und Mut haben. Einfach mal was wagen. Einfach mal machen!“ wb

Web: https://www.zwei-p.org/projekte/hamburger-weiterbildungsbonus-2020/