Auf dem Kiekeberg angekommen – Das Quelle-Fertighaus ist da

Sie beobachteten die Translozierung des Winsener Quelle-Fertighauses nach Ehestorf (von links): Ronald Gröll (Sohn der ehemaligen Besitzer), Carina Meyer (Kaufmännische Geschäftsführerin des Freilichtmuseums), Theda Boerma-Pahl (Museumsarchitektin und Projektleiterin „Königsberger Straße“), und Alexander Eggert (Volkskundler und Projektleiter „Königsberger Straße“). Fotos: FLMK

Das Winsener Relikt aus den 60er-Jahren steht jetzt im Freilichtmuseum – und zwar in der „Königsberger Straße“

In einer groß angelegten Aktion hat das Freilichtmuseum am Kiekeberg ein Quelle-Fertighaus aus Winsen auf sein Gelände geholt. Von einem Spezialunternehmen eingepackt und auf Tieflader gehoben, wurde es nachts transportiert und am nächsten Morgen im Museum aufgebaut. Jetzt ergänzt es die Baugruppe „Königsberger Straße“ am Kiekeberg. Mit dem Projekt „Königsberger Straße. Heimat in der jungen Bundesrepublik“ zeigt das Museum demnächst, wie sich das Alltagsleben in der Nachkriegszeit veränderte. Das Fertighaus vom Versandunternehmen Quelle stammt aus dem Jahr 1966. Am Kiekeberg wird es im Sommer 2021 eröffnet und zeigt dann das Leben einer Familie um 1979.

Das Fertighaus aus dem Katalog wurde Ende August zum Kiekeberg transportiert – oder besser gesagt transloziert, also „im Stück“ versetzt. Zuvor war es über Wochen sorgfältig „eingepackt“ worden: Von innen und außen gesichert konnten die großen Glasfenster und dünnen Wände unbeschadet den langen Weg überstehen. Dach, Hauskorpus und zwei Treppen wurden auf drei Tieflader verfrachtet und auf den fast 25 Kilometer weiten Weg durch die Nacht geschickt. Als der Hauskorpus von seinem Sockel angehoben wurde, hielten alle auf der Baustelle den Atem an. Museumsarchitektin Theda Boerma-Pahl, die zusammen mit Alexander Eggert das Projekt „Königsberger Straße“ leitet, sagt: „Solch eine Translozierung ist für uns alle etwas Besonderes. Wir arbeiten ganz bewusst mit erfahrenen Fachleuten zusammen. Aber trotzdem bleibt ein spannender Moment: Bleibt alles heil, verwringen die Wände nicht, hält alles? Im Nachhinein sind wir jetzt erleichtert: Es ist alles perfekt gelaufen.“

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Kostengünstig und schnell gebaut

Zufrieden ist auch Ronald Gröll, der seine Kindheit und Jugend im Quelle-Haus verbrachte. Seine Eltern Walter und Gisela Gröll hatten mit dem Freilichtmuseum vereinbart, dass das Haus ins Museum kommt. Nach deren Tod unterstützen die drei Söhne das Vorhaben – und freuen sich jetzt, dass ihr Elternhaus auf Dauer erhalten bleibt. Ronald Gröll war neun Jahre alt, als die Familie einzog. Heute, mit 61 Jahren, ist er bewegt: „Es ist wunderbar zu wissen, dass unser Heim erhalten bleibt.“

Was heute unspektakulär anmutet, war früher unbekannt – ein Fertighaus aus dem Katalog. Es gab viele Skeptiker gegenüber Fertighäusern: Der Leichtbauweise wurde eine mangelnde Qualität unterstellt, sie erinnerte zudem an die Notunterkünfte nach dem Krieg. Und doch gab es einige Vorteile, mit denen Quelle-Fertighäuser überzeugten: Allem voran waren sie kostengünstig, schnell zu errichten und waren insbesondere in der Raumaufteilung auf die aktuellen Bedürfnisse von Familien zugeschnitten. Oftmals waren die Bauherren zudem fortschrittsorientiert und interessiert an moderner Architektur.

Kulturgeschichte zum Anfassen

Das Quelle-Fertighaus steht beispielhaft für den Versuch, das moderne Bauen weiten Teilen der Bevölkerung nahezubringen – und für die Möglichkeit, einzelne Nachkriegsgebäude im Originalzustand zu sichern, mit vielen Menschen aus der Erlebnisgeneration zu sprechen und Dokumente der Zeit, von Bauunterlagen, der provisorischen Ersteinrichtung bis zum Fotoalbum, in die Sammlung des Museums zu übernehmen. Dies ist das Gedächtnis für die folgenden Generationen.

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Die „Königsberger Straße“ besitzt bundesweite Bedeutung: Erstmals wird die Kulturgeschichte der Nachkriegszeit bis 1979 in der ländlichen Region erforscht und durch den Aufbau von Häusern und eine umfassende Ausstellung gezeigt. Diese bundesweite Ausstrahlung verdeutlicht auch die Förderung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien in Höhe von 3,84 Millionen Euro. Das Museum wählte typische Gebäude mit aussagekräftigen Geschichten aus, die in gleicher Weise für die gesamtdeutsche Entwicklung stehen:

  • eine Tankstelle aus Stade (Mitte September eröffnet),
  • eine Ladenzeile mit sechs Geschäften,
  • ein Siedlungsdoppelhaus und ein Flüchtlingssiedlungshaus,
  • einen Aussiedlerhof, ein landwirtschaftlicher Betrieb mit hohem Technisierungsgrad außerhalb des Dorfes,
  • ein Fertighaus als neuer Bautyp: das Quelle-Haus.

Das Gesamtprojekt ist auf 6,14 Millionen Euro angelegt.