Ein neues Forschungsvorhaben der Hochschule Bremerhaven will klären, ob aus Algen Additive für industrielle Schmierstoffe gewonnen werden können. Doch die Wasserlebewesen mit dem besonderen Appetit auf das Treibhausgas Kohlendioxid können noch viel mehr: „Es lohnt sich, die Forschungsaktivitäten rund um Algen stärker zu vernetzen“, ist Projektleiterin Prof. Imke Lang überzeugt.
Algen können mikroskopisch klein sein oder auch viele Meter lang; sie kommen im Süßwasser genauso häufig vor wie im Meer. Ihre einzige Energiequelle ist Licht; die Fähigkeit, Kohlendioxid zu absorbieren und neben Sauerstoff praktisch ohne den Verbrauch wertvoller Ressourcen Biomasse zu produzieren, macht Algen zu etwas ganz Besonderen. „Sie sind als Grundlage für die Produktion von Biokraftstoffen interessant“, sagt die Biologin Prof. Imke Lang.
Das Prinzip kennt sie aus eigener Erfahrung: Bevor sie 2017 an die Hochschule Bremerhaven wechselte, hat sie sich in Berlin jahrelang in einem ehemaligen Start-up beschäftigt, das mittlerweile einem amerikanischen Konzern gehört und sich mit alternativen Kraftstoffen aus Algen befasst. Aus der Zeit kennt sie auch das Schicksal vieler ähnlicher Ansätze: „Als die Ölpreise wieder fielen, wurde die Treibstoffproduktion aus Algen viel zu teuer und deswegen nicht weiter verfolgt.“ Dennoch ist Imke Lang überzeugt: „Algen haben ein großes Potenzial als nachwachsender Rohstoff für zahlreiche Anwendungen.“ Einen neuen Ansatz verfolgt sie mit dem Forschungsprojekt „Albina“ in einem Gemeinschaftsvorhaben mit den Hochschulen Wismar und Bremen sowie der Universität Bremen. Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit knapp zwei Millionen Euro geförderte Projekt soll herausfinden, ob Algen biologisch abbaubare Additive für industrielle Schmiermittel liefern können.
Noch nicht erforschte Anwendungsgebiete
Algen sind offenbar Multitalente und werden deswegen bereits vielfach im industriellen Maßstab als Rohstoffquelle zum Beispiel in der Pharma- und in der Kosmetikindustrie sowie in der Nahrungsmittelproduktion genutzt. „Für das Projekt haben wir nach einer potenziellen Anwendung gesucht, die bislang noch nicht erforscht worden ist“, erläutert die Wissenschaftlerin und Hochschullehrerin. Zunächst einmal sollen jetzt Algenarten identifiziert werden, die für das Vorhaben grundsätzlich in Frage kommen können. Anschließend geht es zum einen darum, in welchem Medium diese Algen kultiviert werden können, und zum anderen um die konkret nutzbaren Bestandteile. Interessant könnte der Schutzfilm sein, mit dem Algenzellen ummantelt sind. Der mögliche Grundstoff für Additive kann sich aber auch in den Zellkernen befinden.
In den Laboren der Hochschule Bremerhaven werden zunächst das Medium und die möglicherweise nutzbaren Substanzen identifiziert. Das Forschungsteam an der Universität Bremen führt chemische Untersuchungen durch, um die Brauchbarkeit der Algensubstanzen als Schmierstoffzusatz festzustellen. In der dritten und letzten Phase werden die Ergebnisse der Laborversuche dann an der Hochschule Bremen und der Hochschule Wismar für den technischen Einsatz in der Zerspanung und Umformung untersucht. Bislang werden Mineralöle für die Schmierstoffzusatzherstellung genutzt.
Algen in Aquakulturen
Imke Langs Interesse an Algen hat eine längere Vorgeschichte. „Ich fand sie schon während des Biologie-Studiums interessant“, sagt sie, einer ihrer Themenschwerpunkte waren Mikroalgen. Unter anderem befasste sie sich in einem Forschungsprojekt in Kanada mit der Frage, wie Algen im Ballastwasser von Seeschiffen überleben und es schaffen, sich in fremden Lebensräumen anzusiedeln. Zudem beschäftigte sie sich damit, wie Algen in Aquakulturen gezüchtet werden können. All diese Ansätze spiegeln sich im Projektnamen „Albina“ wider – er ist die Abkürzung für „Algen – biobasiert – nachwachsend“. Der Titel ist gewissermaßen Programm.
Standort Bremerhaven ist ideal
Prof. Lang will sich nicht damit zufriedengeben, dass die Nutzung der vielfältigen und nützlichen Lebewesen allein durch das Auf und Ab des Ölpreises bestimmt wird, sondern möchte mehr Eigendynamik in das Thema bringen. Bremerhaven und das erweiterte Umland scheinen ihr dafür die ideale Region zu sein: „Hier gab und gibt es viele interessante Ansätze“, weiß sie aus dem Netzwerk, das die Algenforscher im Land Bremen und dem benachbarten Niedersachsen geknüpft haben. Daraus müsse doch etwas zu entwickeln sein, ist sie überzeugt: „Es passt zu der maritimen Wirtschaft und zu den Ansätzen für eine green economy in Bremerhaven.“ Und: Vor dem Hintergrund der wachsenden Forderung zum Klimaschutz sind Algen für Imke Lang ein wichtiges Thema: „Sie entziehen der Umgebung Kohlendioxid und liefern jede Menge Biomasse; eine bessere Alternative zu fossilen Energiequellen kann es gar nicht geben.“