Kreuzfahrt-Tourismus nur kleines Segment
Tourismusexperte Professor Alexis Papathanassis weiß, dass Venedig jährlich mehr als 30 Millionen Gäste hat, weltweit sind es aber nur 25 Millionen Kreuzfahrtpassagiere. Dennoch: „Wer als Hafenstandort von diesem Geschäft profitieren will, muss das Thema Kreuzfahrten in seine Gesamtstrategie zum Themas Tourismus integrieren“, betont der Tourismus-Experte und Dekan des Fachbereichs „Management und Informationssysteme“ an der Hochschule Bremerhaven im Interview.
In Bremerhaven haben sich die Passagierzahlen am Columbus-Cruise-Center in wenigen Jahren auf derzeit 260.000 vervielfacht. Wie nachhaltig ist der Boom in dieser Branche?
Durch das wachsende Interesse in Deutschland an Schiffsreisen wirkt das Thema derzeit größer, als der Markt für Kreuzfahrten global betrachtet ist. Tatsächlich ist er ein sehr kleines Segment im Tourismusgeschäft und macht in etwa nur ein Prozent des gesamten Reisemarktes aus. Sicherlich wächst der Markt, dennoch steht die Branche vor großen, für eine langfristige Entwicklung wichtigen Herausforderungen. Sie muss sich offen und ehrlich Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz stellen; die derzeitige Strategie des stillen Abwartens ist weder zeitgemäß noch zukunftsgerichtet. Das Wachstum des Geschäftes erfordert sehr viel mehr Beschäftigte, dafür müssen sich die Arbeitsbedingungen und Angebote deutlich verändern. Und auch für die Aktivitäten an Bord gibt es erhebliches Innovationspotenzial. Im Grunde, hat sich über den Jahrzehnten diesbezüglich wenig geändert. Einfach gesagt fahren die Anbieter ihre Gäste seit Jahrzehnten von A nach B und bieten ihnen hauptsächlich Musik und Entertainment an Bord.
Sind die Hoffnungen von Hafenstädten wie Bremerhaven auf den Kreuzfahrt-Tourismus dann eher trügerisch? Immerhin weiten die Reedereien ihre Kapazitäten doch deutlich aus.
Ja, sie weiten ihre Kapazitäten deutlich aus. Aber die Zahl der Schiffe weltweit ist seit Jahren konstant und wird sich auch nicht signifikant verändern. Der Ausbau erfolgt im Wesentlichen dadurch, dass die neuen Schiffe deutlich größer sind als diejenigen, die sie ersetzen. Das Wachstum beruht zudem in erster Linie darauf, dass neue Fahrgebiete und Routen entwickelt werden. Das ist naturgemäß aber nur begrenzt möglich. Was für ein nachhaltiges Wachstum fehlt, sind vor allem innovative Angebote. Es gibt viele Möglichkeiten an Bord, aus den bisherigen Erlebnisse neue zu kreieren. Die Digitalisierung bietet da jede Menge Möglichkeiten wie zum Beispiel den Einsatz von Virtual-, Augmented-Reality und Smart-Services. Nur nutzen die Reedereien diese Möglichkeiten selten.
Welche Konsequenzen sollten Hafenstädte wie Bremerhaven daraus ziehen?
Das Thema Kreuzfahrt muss immer Bestandteil der gesamten Tourismusstrategie sein. Die Schiffe sind letztlich auch nur ein Weg, auf dem Gäste in die Stadt kommen. Zudem sollten die Städte nicht darauf schielen, was die Kreuzfahrtgäste in der Stadt ausgeben, das ist zumeist weit weniger als erwartet. Das Ausflugsprogramm wird ja von den Reedereien organisiert. Das Geld wird also an Bord verdient und nicht an Land. Wirtschaftlich interessant ist vor allem das, was rund um die Schiffe verdient wird. Mit der Versorgung und Proviantierung, mit dem Handling in den Häfen und so weiter. Die Städte müssen aufpassen, dass sie nicht jene Fehler wiederholen, die weltweit immer wieder bei der Entwicklung des Tourismus gemacht wurden. In der Hoffnung auf Gäste wurden die Investitionen in Standorte, in Hotels und in Attraktionen staatlich subventioniert. Das eigentliche Geld wurde aber bei den Veranstaltern und nicht vor Ort verdient. Investitionen müssen sich aus sich selbst heraustragen. Die Strategie von bremenports, nicht ausschließlich in einen neuen Kreuzfahrtanleger zu investieren, sondern eine multifunktional nutzbare Kaje zu bauen, ist also genau richtig.