Treffpunkt Innovation zum Thema „Digitale Öffentlichkeit“: Prof. Dr. Christian Stöcker tritt gegen „Game of Thrones“ an
Während sich die Fans begeistert auf die letzte Folge der letzten Staffel von „Game of Thrones“ stürzten und in die digitale Fantasie-Welt flüchteten, fand im ISI Zentrum für Gründung, Business & Innovation die letzte Folge der 9. Staffel des Treffpunkts Innovation statt. Thema: Digitale Öffentlichkeit – Manipulationen, Maschinen und Kollateralschäden. Prof. Dr. Christian Stöcker von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW) gab Einblicke in die reale digitale Welt – und auch, was der Zuschauer dort zu sehen bekommt, hat durchaus ähnlich düstere Komponenten wie das Fantasie-Epos.
Stöcker hat an der HAW den Studiengang Digitale Kommunikation aufgebaut. Als Psychologe, Moderator, studierter Kulturkritiker und Netzwelt-Experte bei Spiegel online hat er in seiner Vita diverse Punkte zum Andocken, wenn es um den Einfluss des Digitalen auf das reale Leben geht. Das Smartphone und die exponentiell ansteigende Entwicklungskurve der Technologie im Hintergrund durchdringe die Gesellschaft komplett. Im Zeitraffer betrachtet sind Unternehmen wie Facebook und Co. sowie die Konzentration der großen Player auf der digitalen Bühne (Google kauft YouTube, Facebook kauft Snapchat, WhatsApp und Instagram) Erscheinungen aus einem Zeitraum von lediglich gut zehn Jahren. Und seit 2017 sei in den USA der erste Internet-Präsident an der Macht.
Welche Verschiebungen sich daraus im medialen Gefüge ergeben, machte Stöcker daran fest, dass Politiker früher Pressekonferenzen anberaumten, um Inhalte zu kommunizieren. Was daraus gebracht und wie es bewertet wurde, entschieden die Gatekeeper: die Journalisten. Heute beschäftigten die großen US-Medien ganze Teams, die nur darauf warteten, was Trump als nächstes twittert. Mit 41 Millionen Followern auf dem Kurznachrichtendienst Twitter sei der Politiker damit zum Nachrichten-Macher geworden, die Gatekeeper seien dagegen zu Gatewatchern degradiert. Kurz: Die Nachrichten-Hoheit liegt nun bei der Legislative. Stöcker: „Es gibt keine Trennlinie mehr. Binnen fünf Jahren haben sich die Verhältnisse ins Gegenteil verkehrt.“
Künstliche neuronale Netze
Der Professor machte auch einen Ausflug ins Reich der Technologie und erläuterte für Laien nachvollziehbar die Wirkungsweise neuronaler Netze, also selbstlernender Systeme, die beispielsweise in der Schrifterkennung eingesetzt werden und durch millionenfach wiederholte Rechengänge am Ende in der Lage sind, eine wie auch immer handschriftlich geschriebene Acht von einer der anderen neun Ziffern zu unterscheiden. Stöcker: „Das klappt am Ende fehlerfrei – allerdings können die Schöpfer dieser künstlichen neuronalen Netze nicht erklären, wie das funktioniert.“ Auf dieser Basis wurde von Deep Mind, einem Tochterunternehmen von Alpabet Inc. (Google) mit Alpha Go Zero ein autodidaktisches Computerprogramm entwickelt, das am Ende entgegen allen Expertenerwartungen den weltbesten Go-Spieler in Korea besiegte. Go ist um ein Vielfaches komplexer als beispielsweise Schach. In den Nachfolgeversionen wurde die Lerngeschwindigkeit immer höher. Stöcker bestätigte, dass diese Technologie auch von Militärs sehr genau beobachtet wird, er glaubt aber, dass der Einsatz beispielsweise in der Kriegsführung durch künstliche Intelligenz noch auf sich warten lassen dürfte.
Spätestens als der Referent erläuterte, dass Facebook-Algorithmen die „Optimierung für gedankenloses Handeln“ zum Ziel hätten (also möglichst viele Klicks auf Seiten mit weiterer Werbung), dürfte auch dem Letzten klargeworden sein, dass die spannenden Geschichten von „Game of Thrones“ im Vergleich zur realen Welt allenfalls Ponyhof-Niveau haben . . . wb